100 Mio-Finanzlücke bei Volocopter: Unternehmen bleibt in Bruchsal, bangt um kurzfristige Zukunft

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger blockiert Kreditbürgschaften der bayerischen Landesregierung.

Es gibt Nachrichten rund um Volocopter, das Flugtaxi-Startup aus Bruchsal bei Karlsruhe: Im April 2024 entschied nach Baden-Württemberg auch Bayern, dass es dem Cleantech-Unternehmen nicht bei der kurzfristigen Finanzierung helfen wird. Finanzlücke bei Volocopter: Laut Medienberichten fehlen Volocopter 100 Mio. Euro – im März hörte sich das noch ganz anders an. Im bayerischen Kabinett hatte es danach aber eine Blockade des bayerischen Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger gegeben, was die CSU verstimmt hat. Wie geht es nun weiter in Bruchsal?

Das Unternehmen hat den großen Traum, bei den Olympischen Spielen in Paris der Weltöffentlichkeit die eigenen Flugkünste zu demonstrieren und eine aufregende Feuertaufe zu feiern, noch lange nicht aufgegeben. Vor einer Woche berichtete die Deutsche Presse-Agentur, Volocopter sei noch in Gesprächen mit der europäischen Flugsicherheitsagentur Easa und der örtlichen Behörde DGAC, um Details für den Einsatz in Paris zu klären. Man wolle fliegen, hieß es.

Unlogisch ist der Schritt trotz der Finanzlücke bei Volocopter nicht: Kann der VoloCity als Flugobjekt in Serienproduktion dort als marktreif demonstriert werden, könnte auch das finanzielle Loch womöglich geschlossen werden. Bei der möglichen Zusage für Darlehen in Höhe von 100 Millionen Euro hatte Volocopter aber auf eine Entscheidung durch die Landesregierung Bayerns und Bundesverkehrsminister Wissing noch im April gedrängt.

Im Falle der Vergabe einer Kreditbürgschaft wäre das Unternehmen dem Vernehmen nach auch bereit gewesen, den Stammsitz in Baden-Württemberg (Bruchsal) zu verlassen und sich – wie Lilium Aviation – in Bayern anzusiedeln.

Standort bleibt, aber droht eine Insolvenz?

Nun ist aber klar: Wegen Aiwangers Blockade kommt es nicht zum Hochrisiko-Investment des Staates und zur Schließung der Finanzierungslücke bei Volocopter. In Bruchsal bangt man jetzt nicht mehr wegen potenzieller Verlagerung des Geschäftssitzes um das Unternehmen, sondern wegen einer vom CEO Hoke immer wieder ins Spiel gebrachten Insolvenz. Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb die existierenden Investoren wie etwa Mercedes-Benz oder Geely nicht in die Bresche springen und weiteres, privates Kapital beisteuern?

Dirk Hoke beteiligt sich indes in Interviews über mangelhafte Unterstützung: Nach der Absage von Finanzhilfen aus Baden-Württemberg und Bayern hat der Chef des badischen Flugtaxi-Herstellers Volocopter der Politik mangelnde Unterstützung vorgeworfen. „Natürlich richtet man in einer derart technologisch komplexen und kapitalintensiven Branche wie unserer auch den Blick in Richtung des Staates“, sagte Dirk Hoke in „Capital“.

„Ohne die Weitsicht des ein oder anderen Politikers hätte es kein Airbus oder keine leistungsfähige Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland gegeben. Wir brauchen jetzt kurz vor der Kommerzialisierung Unterstützung.“

Finanzlücke bei Volocopter: Einschätzung vom Cleanthinking-Gründer

Die Finanzlücke bei Volocopter sind eine delikate Angelegenheit. Das Unternehmen erwartet, dass der Staat ein Hochrisiko-Investment auf Kosten des Steuerzahlers tätigt, zu dem private Investoren offenbar nicht bereit sind. Das ist ein wirklich bemerkenswerter Vorgang. Noch bemerkenswerter ist, dass Verkehrsminister Wissing bereit war, mit ins Risiko zu gehen, während seine Partei FDP den Resilienzbonus für die so wichtige Solarindustrie ablehnte.

Besonders pikant an der Entscheidung aus Deutschland ist, dass Volocopter-Konkurrent Lilium heute mitteilt, dass es in fortgeschrittenen Gesprächen mit der Regierung Frankreichs wäre, um Produktionskapazitäten im Nachbarland aufzubauen. Dabei gehe es auch um Subventionen und Förderung. Macht also Lilium einen entscheidenden Deal, während Volocopter womöglich aufgeben muss?

Persönlich bin ich grundsätzlich skeptisch, was das Geschäftsmodell der Bruchsaler angeht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Finanzlücke bei Volocopter nicht zu schließen sein wird. Definitiv begrüßenswert wäre aber, wenn privates Kapital dafür sorgt. Denn: Deutschland hat womöglich weniger von der Technologie zur Lösung von Verkehrsproblemen, weil ja lediglich die Erprobung mit dem ADAC vorgesehen ist. Letztlich ist ein Investment, das sich dann in Singapur, Paris oder Rom bezahlt machen wird.

Aber klar dürfte sein: Unternehmen bleibt in Bruchsal, bangt um kurzfristige Zukunft. Fortsetzung folgt.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

Lilium NewsVolocopter News - Alles zum Flugtaxi-Pionier