Wie Beta Technologies mit elektrischen Frachtflugzeugen den Flugtaxi-Markt erobern will
Cleantech-Unternehmen Beta Technologies wird bereits von UPS und Amazon unterstützt, plant im ersten Schritt ein Netz für elektrisches Frachtflugzeug.
Der Innenraum umfasst 200 Kubikmeter – beladen werden kann das Elektroflugzeug Alia mit drei Standard-Frachtpaletten. Aus Sicht des Cleantech-Unternehmens Beta Technologies ausreichend, um regionale Versorgung zu elektrifizieren. Amazon hat bereits in das vertikal startende Flugzeug investiert. Die Idee ist: Durch einen zuverlässigen Transportservice die Infrastruktur aufbauen, um eines Tages auf autonome Flugzeuge umsteigen zu können – das eVTOL Alia könnte dann vier Paletten transportieren, wenn keine Fahrersitze mehr gebraucht werden.
Gegründet wurde Beta Technologies vom Havard-Absolventen und ehemaligen Eishockey-Profi Kyle Clark, der schon während seiner Karriere dadurch auffiel, dass er sich auf Rückfahrten von Eishockey-Matches lieber in ingenieurwissenschaftliche Literatur vergrub, als mit den Kollegen über das wilde Partyleben zu philosophieren. Sein Interessensgebiet: Flugzeuge bauen.
Mit dem Elektroflugzeug Alia und seinem Cleantech-Startup Beta Technologies will Kyle Clark nun das schaffen, was ihm bei der sportlichen Karriere verwehrt blieb: In die oberste Liga der Unternehmer aufsteigen. Dabei setzt Kyle Clark zunächst nicht auf den Transport von Personen, wie es Joby Aviation oder Lilium planen, sondern auf batteriebetriebene Frachtflugzeuge. Diese können – das hat Beta Technologies bereits bewiesen – vertikal wie ein Hubschrauber starten und landen.
Mit den Frachtflügen, die regionale LKW-Transporte ersetzen sollen, will das Unternehmen die Infrastruktur schaffen, um eines Tages auch die Rolle als Flug-Taxi für Passagiere einnehmen zu können. So kann das Elektroflugzeug Alia leicht auf den Passagierbetrieb mit fünf Sitzen oder eben das autonome Fliegen ohne Platz für Piloten umgerüstet werden.
Heute wird Beta Technologies, das neben UPS auch Amazon als Investor gewann, mit weit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet. Von UPS gibt es bereits Bestellungen für das Elektroflugzeug – auch Amazon dürfte die Gelegenheit nutzen wollen. Szenekenner erinnert der beinahe stille Markteintritt von Beta Technologies an das Cleantech-Unternehmen Rivian, das für seine Transporter ebenfalls die Logistikbranche mit Amazon an der Spitze als Investor gewann.
Ziel von Beta Technologies ist zunächst die schnelle Beförderung von E-Commerce-Gütern von und zu Lagerhäusern in Vororten. Im zweiten Schritt könnte dann die aufgebaute Infrastruktur genutzt werden, um Flugtaxi-Services anzubieten. „Wir werden im Passagiergeschäft gewinnen, denn bis andere Passagierflugzeuge auf den Markt kommen, haben wir bereits Tausende von Flugzeugen, Millionen von Flugstunden und ein sicheres, zuverlässiges und erprobtes Design“, hofft der 41-jährige Kyle Clark im Gespräch mit Forbes.
Alia erinnert optisch eher an den Volocopter des Cleantech-Startups aus Bruchsal, ist aber inspiriert worden von der „lang fliegenden Küstenseeschwalbe“. Die Flügelspannweite liegt bei 15 Metern. 300 Kilo Nutzlast inklusive Pilot können transportiert werden bei einer Reichweite von mehr als 450 Kilometer (250 Seemeilen). Fünf Akkupacks unbekannter Art kommen dafür zum Einsatz.
Zweites Standbein von Beta Technologies
Doch Kyle Clark hat noch ein zweites Standbein, das seinem Geschäftsmodell zuträglich sein dürfte: Er hat bereits begonnen, das Supercharger-Netzwerk für regionale Elektroflugzeuge aufzubauen. Neun Ladestationen hat Beta Technologies bereits in Betrieb – in einer Linie von Vermont, dem Hauptsitz des Unternehmens, nach Arkansas. 51 weitere Stationen sind im Bau oder stehen vor der Genehmigung.
Die Ladestationen sind mit gebrauchten Batterien aus Alia-Flugzeugen bestückt, die nach einem Kapazitätsrückgang von etwa acht Prozent aus den Flugzeugen entfernt werden – um ihnen ein zweites Leben im stationären Betrieb zu geben. Beta-Kunden haben die Chance, Ersatzakkus für ihre Alia-Flugzeuge zu erwerben: Für eine Million Dollar pro Stück. Durch die konsequente Aufrüstung der Ladestation-Standorte soll eine teure Aufrüstung des örtlichen Stromnetzes überflüssig gemacht werden – die Batteriespeicher werden zu Schwachlastzeiten netzschonend aufgeladen, und zu Spitzenzeiten an die Versorgungsunternehmen verkauft – oder in Elektroflugzeuge geladen.
Mit seinen Plänen hat Beta Technologies neben Amazon auch Fidelity Management und weitere Investoren überzeugt. Im Mai 2021 sammelte das Cleantech-Unternehmen mehr als 360 Millionen US-Dollar ein. Dabei macht das Unternehmen bereits Millionen-Umsätze, weil es mit der US Air Force kooperiert. Laut Medienberichten kamen so in den letzten Monaten Erträge von 15 Millionen Dollar zusammen.
UPS kauft 150 Alia-Flugzeuge
UPS indes zeigte seine Unterstützung für Beta Technologies auf andere Weise: Es bekundete die Absicht, bis zu 150 Alia-Flugzeuge zu kaufen – pro Stück für vier bis fünf Millionen Dollar. Bis die Auslieferungen starten, wird es aber noch einige Zeit dauern: Die ersten zehn Flugzeuge vom Typ Alia sollen 2024 ausgeliefert werden. Entscheidend wird sein, bis wann die Sicherheitszertifizierung vorliegt.
Daneben will auch die US Air Force weiter kooperieren – es liegen Aufträge im Wert von mehr als 40 Millionen Dollar vor, um Alia für militärische Zwecke zu testen. Als erster Anbieter von Elektroflugzeugen erhielt Beta im Mai 2021 die Zulassung der Luftwaffe für bemannte Flüge. Auch andere Kunden warten bereits auf die ersten Flugzeuge. Marthine Rothblatt etwa, will damit Organe zu Patienten bringen (siehe Video).
Doch entscheidend für das Funktionieren des Geschäftsmodells wird sein, ob Beta Technologies durch eine große Anzahl von Flügen die Betriebskosten so senken kann, dass die höheren Kosten für die Beschaffung des Flugzeuges nicht mehr ins Gewicht fallen. Gelingt im zweiten Schritt das autonome Fliegen tatsächlich, kann es Kyle Clark tatsächlich gelingen, in die erste Liga der Unternehmer aufzusteigen. Womöglich reicht es dann zumindest dazu, als Trikotsponsor ein NHL-Team zu unterstützen…
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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