Globale Energiekrise als entscheidender Wendepunkt in eine saubere Zukunft?
Mehrere UN-Behörden und die IEA zeigen in neuen Studien die Dramatik rund um den Klimawandel.
Die Lage ist dramatisch: Die Weltgemeinschaft muss sich jetzt zu gemeinsamen Aktivitäten gegen die Klimakrise durchringen, um einer Katastrophe zu entkommen. Das ist die glasklare Botschaft mehrerer Studien, die jetzt kurz vor der Weltklimakonferenz COP27 vorgelegt wurden. Ein Hoffnungsschimmer ist dabei ausgerechnet Wladimir Putins Russland, das seine Rolle als weltgrößter Exporteur fossiler Energieträger längst eingebüßt hat: Die dadurch ausgelöste, globale Energiekrise kann ein entscheidender Wendepunkt in eine saubere Zukunft werden.
Die Klimakrise hat nach Ansicht von Klimawissenschaftler Johan Rockström einen „wirklich düsteren Moment“ erreicht. Kurz vor der Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten zeigt eine Reihe von neuen Studien, wie es um die Bekämpfung des Klimawandels steht. Das Ergebnis: Der Planet steht kurz vor einer Katastrophe. Die Zeit für wirklich gemeinsames Handeln der Staatengemeinschaft läuft in atemberaubenden Tempo an. Bis 2030 müssen die Emissionen um die Hälfte sinken.
Die Aufforderung von Klimawissenschaftler Johan Rockström zum gemeinsamen Handeln der Weltgemeinschaft kommt in einer Zeit, in der geopolitische Verwerfungen größer sind als seit vielen Jahrzehnten. Und ganz nebenbei fahren Ölgiganten astronomische Gewinne ein – und profitieren von Krieg und Krise. Am Donnerstag erst verkündeten Shell und TotalEnergies Quartalsgewinne von jeweils zehn Milliarden Dollar.
Um wenigstens noch in die Nähe des 1,5-Grad-Limits von der Weltklimakonferenz 2015 in Paris zu kommen, müssen die Kohlenstoffemissionen so schnell wie möglich sinken. Der Bericht der UN-Umweltorganisation beleuchtet aber, es gäbe bislang „beklagenswert unzureichende“ Fortschritte bei genau dieser Maßnahme. Einziger Ausweg laut der Studie: Die rasche, transformative Umgestaltung der Gesellschaft.
Alarmierend ist auch die Analyse der UN-Metereologiebehörde. Sie vermeldet, dass alle wichtigen Treibhausgase im Jahr 2021 Rekordwerte erreicht haben. Insbesondere der Anstieg des besonders wirksamen Klimagases Methan ist besorgniserregend. Dabei gibt es Möglichkeiten, den Fleischkonsum durch alternative Proteine und Futterzusätze zu reduzieren.
Bisherige Zusagen führen in 2,5-Grad-Welt
Die Zusagen, die die Staaten bislang zur Emissionsminderung gemacht haben, führen laut den Studien zu einem Anstieg der globalen Erwärmung um 2,5 Grad Celsius bis 2100. Dieses Niveau würde die Welt mitten in die Klimakatastrophe führen, verkündet die EU-Klimabehörde. Seit der letzten Klimakonferenz COP26 in Glasgow hat nur eine kleine Gruppe an Ländern ihre Pläne verschärft – obwohl viel mehr versprochen wurde.
Die Internationale Energieagentur IEA hebt in ihrem World Energy Outlook 2022 die politischen Entscheidungen in den USA (Inflation Reduction Act), der EU (Fit for 55), aber auch von Japan und Korea positiv hervor. Dadurch, so die IEA, wird es nun möglich, dass die CO2-Emissionen im Jahr 2025 ihren Höhepunkt erreichen werden. Ausreichend, um heftige Folgen zu verhindern, ist das aber längst nicht.
Laut IEA müssen die Investitionen in saubere Energien wie Solar, Wind und Batterien ab 2030 mindestens vier Billionen US-Dollar pro Jahr betragen, um die Netto-Null-Ziele Mitte des Jahrhunderts zu erreichen. Derzeit ist zwar ein Sprung bei den Investitionen zu verzeichnen, diese liegen aber momentan bei einer Billion pro Jahr und geplant für 2030 bei zwei Billionen.
„Wir kommen den Kippelementen näher“, sagt Johan Rockström. Zuletzt hatte das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung eine entsprechende Auswertung veröffentlicht. Diese zeigt: Fünf gefährliche Kipppunkte des Klimas könnten bereits durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung überschritten worden sein. Weitere Kippelemente könnten bei Erreichung der Erwärmung von 1,5 Grad Celsius aktiviert werden – nach heutigen Schätzungen wird dieses Level zwischen 2026 und 2033 erreicht.
„Wirtschaftszerstörerisches Niveau“
„Die Zeit läuft wirklich sehr, sehr schnell ab“, so Rockström. In seinem Berufsleben als Klimawissenschaftler sei das ein Tiefpunkt. Das Zeitfenster für das erreichen des 1,5-Grad-Limits schließt sich nach seiner Einschätzung in den kommenden Jahren.
Und UN-Generalsekretär António Guterres bekräftigte zuletzt: „Wir steuern auf eine globale Katastrophe zu. Die globale Erwärmung erreicht ein wirtschaftszerstörerisches Niveau. Wir brauchen Klimamaßnahmen an allen Fronten, und zwar jetzt.“ Dabei müssen die G20-Staaten, die für 80 Prozent der Emissionen verantwortlich sind, die Vorreiterrolle übernehmen müssen.
Es ist nicht so, dass wir nicht wüssten, was zu tu
n ist – es ist eher so, dass wir nicht tun, was notwendig ist.
Ausgerechnet der absurde Angriffskrieg Wladimir Putins kann nun ein zentrales Aufbruchsignal für die Weltgemeinschaft sein. Denn bis 24. Februar 2022 war Russland größter Exporteur fossiler Energieträger überhaupt. Aber mit seinen Machenschaften hat das Land seine Exportmöglichkeit nach Europa weitgehend eingebüßt – und trägt damit zu einer schnelleren Energiewende bei. Noch sind nicht alle Maßnahmen adäquat, wie etwa der Aufschwung von LNG, aber dieser Rückfall zu fossilen Energieträgern wird nicht von Dauer sein, so die Studien.
Johan Rockström, Direktor des PIK
Hier gibt es mehr Infos zu den jeweiligen Studien:
- World Energy Outlook 2022 der IEA
- WMO records biggest increase in methane (WMO)
- Emissions Gap Report 2022
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
[…] UN-Klimakonferenz in Glasgow müsse trotz der augenblicklichen Energiekrise festgehalten werden. Die Internationale Energieagentur IEA prognostiziert erstmals, dass die Nutzung fossiler Energien ab 2025 ihren Höhepunkt erreichen […]