Wasserstofftransport: Wird LOHC marktreif?
Machbarkeitsstudien, erste Projekte und Partnerschaften von Honeywell oder Hydrogenious rund um den Wasserstoffträger Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC) werden konkreter.
Bislang ist der Transport von sauberem Wasserstoff auf große Distanzen weitgehend ungeklärt. Jenseits von Pipelines gibt es erst ganz wenige Schiffe, die Wasserstoff flüssig transportieren können. Stattdessen wird das grüne Gas über seine Derivate Ammoniak und Methanol transportabel gemacht. Doch jede Umwandlung verschlechtert die Effizienz, erhöht die Kosten. Mit dem Wasserstoffträger LOHC kommt eine zunehmend realistischere Alternative in den Markt. Neben dem deutschen Cleantech-Unternehmen Hydrogenious setzt auch Honeywell UOP darauf.
LOHC steht für „Liquid Organic Hydrogen Carriers“ und bezeichnet flüssige organische Verbindungen, die Wasserstoff durch chemische Reaktion aufnehmen und wieder abgeben können. LOHCs können daher als Speichermedien für Wasserstoff verwendet werden. Die Erfindung von LOHC wird dem deutschen Cleantech-Unternemen Hydrogenious bzw. deren aus der Wissenschaft kommenden Gründern zugerechnet.
Schon 2011 erregten Forschungsarbeiten Aufmerksamkeit, bei denen Carbazol als Energieträger für Wasserstoff dienen sollte. Die Professoren Prof. Wolfgang Arlt und Prof. Peter Wasserscheid unterstützen die Dissertation von Daniel Teichmann, der zu Carbazol promovierte. Der heutige Co-Gründer von Hydrogenious Teichmann legte so die Grundlage für die Speicherung von Wasserstoff in entsprechenden Flüssigkeiten.
Fünf Jahre nach der Erst-Präsentation war es dann am 29. Januar 2016 eine erste Wasserstoffspeicheranlage von Hydrogenious, die eine andere Flüssigkeit nutzte: Dibenzylotual. Diese ionische Flüssigkeit ist bis heute die Basis für LOHC, das als Wasserstoffträger derzeit in Richtung kommerzielle Nutzung geht. Machbarkeitsstudien, erste Projekte und Partnerschaften werden zunehmend konkreter.
LOHC-Lösung von Honeywell UOP
Das Fortune-100-Unternehmen Honeywell setzt auf LOHC als Trägerlösung für flüssigen organischen Wasserstoff. Aus Sicht des Konzerns kann die Technologie eine Schlüsselrolle bei der Erschließung der Wasserstoffwirtschaft spielen. Das Potenzial besteht, den Wasserstofftransport damit über große Entfernungen zu geringen Kosten zu ermöglichen.
Die LOHC-Lösung von Honeywell UOP nutzt die vorhandenen Raffinerieanlagen und -infrastrukturen zur Herstellung und zum Transport des Trägers. Dabei wird Wasserstoffgas durch den Honeywell UOP Toluol-Sättigungsprozess chemisch in einen flüssigen Träger umgewandelt, der mit der bestehenden Infrastruktur kompatibel ist und auf die gleiche Weise wie Benzin oder ähnliche Kohlenwasserstoffe transportiert werden kann. Am Bestimmungsort wird der Wasserstoff mit Hilfe des Honeywell UOP Methylcyclohexan-Dehydrierungsprozesses aus dem Träger zurückgewonnen.
Bestehende ungenutzte Ölraffinerieanlagen können so umgerüstet werden, dass der Wasserstoff aus dem flüssigen Träger freigesetzt und für verschiedene kommerzielle und industrielle Anwendungen genutzt werden kann. Der in der LOHC-Lösung von Honeywell verwendete Trägerstoff ist leicht verfügbar und erfordert nur minimale Aufbereitung. LOHC ist Teil des Green Hydrogen Programms des Unternehmens. Zuletzt hatte sich Honeywell auch am Cleantech-Unternehmen Electric Hydrogen beteiligt.
Hydrogenious: Wasserstoff für Krankenhaus-Projekt
An Hydrogenious aus Erlangen sind u.a. Covestro und Mitsubishi beteiligt. Seit 2019 untersucht das Cleantech-Unternehmen in einem Konsortium mit MAN Energy Solutions die Entwicklung von Wasserstoffspeichern.
Ein weiteres LOHC-Projekt, das öffentlich gefördert wird, treibt Hydrogenious gemeinsam mit der Robert Bosch GmbH in Erkelenz voran. Dort wird an einem Krankenhaus die klimafreundliche Energieversorgung mit SOFC-Brennstoffzellen von Bosch erprobt. Den notwendigen Wasserstoff soll Hydrogenious ab Anfang 2025 mittels Liquid Organic Hydrogen Carrier-Technologie bereitstellen.
Bis Ende 2026 wollen die Partner die innovative Kombination von SOFC-Brennstoffzellen und LOHC-Speichern demonstrieren. Sie werden prüfen, ob das Multi-SOFC-Projekt die Hälfte der Grundlast des Krankenhauses decken kann. Eine erste Inbetriebnahme der leistungsstarken Brennstoffzellen soll noch 2023 erfolgen.
Machbarkeitsstudie: Wasserstoff-Lieferkette
Ebenfalls 2023 startete ein Projekt des Cleantech-Unternehmens mit Greenergy aus Großbritannien. Ziel ist eine gemeinsame, vorläufige Machbarkeitsstudie zur Entwicklung einer Wasserstoff-Lieferkette im kommerziellen Maßstab. Im Projekt sorgt Hydrogenious für die chemische Bindung von Wasserstoff an ein Thermoöl für Lagerung und Massenguttransport. Hierbei wird die bisherige Infrastruktur für flüssige Kraftstoffe integriert.
Vorübergehend in das LOHC aufgenommen, kann der Wasserstoff in Häfen und in städtischen Gebieten sicher und einfach transportiert und umgeschlagen werden. Bei der Ankunft und Entladung am Importort wird der Wasserstoff dann aus dem flüssigen Träger freigesetzt, um ihn als reinen grünen Wasserstoff an die Endverbraucher zu liefern.
Der Zugang von Greenergy zu großen Terminals ist ideal für den Import, die Freisetzung und die Verteilung von Wasserstoff über das LOHC, wobei Navigator Thames bereits als strategischer Standort identifiziert wurde, um die erwartete Nachfrage nach Wasserstoff im Südosten Englands zu decken. Das Vertriebsnetz und der starke Kundenstamm von Greenergy werden auch die Belieferung eines breiten Spektrums von Industrie- und Gewerbekunden in ganz Großbritannien ermöglichen
Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking
Der Transport von Wasserstoff funktioniert bislang vor allem über Pipelines und LKW. Der Aufwand gerade für den LKW-Transport ist aber gewaltig. Und auch die Verflüssigung von Wasserstoff ist energieaufwändig. Sowohl Langdistanz-Transport als auch Speicherung sind aber entscheidende Schlüssel für den Aufbau der Wasserstoffwirtschaft und somit das Gelingen der Energiewende.
Umso wichtiger ist das, was mit LOHC aus einer deutschen Universität hervorgegangen ist. Dass nun ein Gigant wie Honeywell ebenfalls auf LOHC-Technologie setzt, ist mindestens genauso bemerkenswert wie die Investments und Partnerschaften, die Hydrogenious realisiert hat. Letztlich ist davon auszugehen, dass sich der Wasserstoffträger als eine Option für Transport und Speicherung durchsetzen wird – aber zunächst vor allem im industriellen Umfeld marktreif, wie das Engagement von Mitsubishi und Honeywell zeigt.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Sehr interessant, es steigen immer mehr Firmen ins LOHC Segment ein.
Der Artikel hätte erwähnen können, dass neuere Untersuchung zeigen, dass Wasserstoff ein indirektes Klimagas ist, es behindert den Abbau des Klimagases Methan. Da im LOHC kein freier Wasserstoff ist, hat es einen gewaltigen Vorteil vor anderen Transportformen.
Im Prinzip sind alle technischen Vorrichtungen undicht, die Frage ist nur, wie stark. Das gilt auch für Pipelines.