Weltgrößter Auto-Exporteur: China überholt nach Deutschland auch Japan
Stärke bei Elektroautos entscheidender Grund für gewaltige Verschiebungen im globalen Automobilsektor.
Der globale Boom der Elektroautos bewirkt Veränderungen von geopolitischer Bedeutung. Im ersten Quartal 2023 hat China erstmals den Rang eingenommen, weltgrößter Auto-Exporteur zu sein. Damit hat China nicht nur Japan den Rang abgelaufen, sondern auch Deutschland überholt. Der Grund dafür ist längst nicht nur in Putins Angriffskrieg auf die Ukraine zu suchen, sondern liegt vor allem an der über eine Dekade entwickelten Stärke der Chinesen bei digital durchgestylten Elektroautos.
Wenn das Wall Street Journal schreibt, „Ihr nächstes Elektroauto könnte in China produziert werden“, hat das Gewicht. Das Börsenblatt bringt eine Entwicklung auf den Punkt, die vor allem für die deutschen und französischen Autobauer ein Desaster ist. China hat erst Deutschland und anschließend auch Japan als weltgrößter Auto-Exporteur überholt. Im ersten Quartal 2023 lag China zum ersten Mal an der Spitze der Exporteure und meldete 1,07 Millionen Auto-Exporte, während Japan rund 955.000 Autos ins Ausland verkaufte.
Im Rest dieses Jahres dürfte die Nachfrage nach chinesischen Elektroautos weiter zunehmen, weil immer mehr Elektroautos aus China werden auch in Europa angeboten, wie dieser Artikel zur China-Invasion zeigt. In den ersten vier Monaten 2023 betrug die Zahl der Exporte einschließlich Plugin-Hybriden laut einem Bericht des Wall Street Journal rund 335.000 Stück – mehr als doppelt so viele wie vor einem Jahr. Knapp 40 Prozent davon machte allein Tesla aus. Vor kurzem hat das US-Unternehmen zudem begonnen, Elektroautos aus seiner chinesischen Gigafactory auch nach Nordamerika zu schicken, und die Einführung des Model Y RWD aus China in Südkorea soll ebenfalls bevorstehen.
China exportiert vor allem nach Russland
Ein erheblicher Teil des chinesischen Anstiegs ist auf Russland zurückzuführen. Die Sanktionen gegen Russland hinterließen ein großes Loch, das es zu füllen galt, insbesondere bei gasbetriebenen Fahrzeugen. Offiziellen chinesischen Statistiken zufolge haben sich die Exporte von Fahrzeugen und Autoteilen aus China nach Russland in den ersten vier Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifacht und beliefen sich auf 6,1 Milliarden US-Dollar. Nach Angaben der China Association of Automobile Manufacturers (CAAM) war Russland im letzten Quartal das wichtigste Zielland für chinesische Autoexporte.
Aber Russland ist nur ein Teil der Geschichte zu Chinas Aufstieg als weltgrößter Auto-Exporteur. Wenn überhaupt, haben die Sanktionen das Unvermeidliche nur noch beschleunigt. Das liegt daran, dass China auch bei den Exporten von Elektrofahrzeugen zu einem entscheidenden Player wird. Die westliche Nachfrage nach Elektroautos aus China wächst schnell.
China ist mittlerweile der größte Exporteur von E-Fahrzeugen, und diesen Vorsprung scheint das Land noch auszubauen: Rund 35 Prozent der weltweit exportierten Elektroautos kamen im vergangenen Jahr aus China, verglichen mit 25 Prozent im Jahr 2021, so die IEA Internationale Energieagentur. Nach Angaben der China Passenger Car Association CAAM exportierte China in den ersten vier Monaten dieses Jahres rund 335.000 PKW mit Elektroantrieb, einschließlich Plug-in-Hybriden, und damit mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum 2022. Das entspricht etwa 30 Prozent der von Januar bis April 2023 aus China exportierten PKW.
Produktion in China für andere Märkte
Interessanterweise liegt die Differenz zwischen Japan und China von etwa 115.000 Fahrzeugen in der gleichen Größenordnung wie allein der Export von Model 3 und Model Y aus der lokalen Gigafactory von Tesla, der in Q1 2023 rund 92.000 Elektroautos erreichte. Das Rennen mit Japan wäre also zumindest deutlich enger ausgegangen, wenn es die Tesla-Fabrik in China nicht gäbe. Auch andere ausländische Automobilhersteller wie BMW und Renault haben China als Produktionsstandort für E-Fahrzeuge genutzt, die in andere Länder geliefert werden.
Die Regierung Chinas unterstützte die Ansiedlung von Tesla auch deshalb, weil sie einen Ansporn für eigene Elektroauto-Hersteller schaffen wollte. Diese Strategie kann man als bislang erfolgreich ansehen – mit modernen Elektroautos gewinnen chinesische Startups wie Staatskonzerne zunehmend Anteile auch auf dem inländischen Markt, der zuvor von West-Marken dominiert wurde.
Doch die lokalen Anbieter werden immer stärker und haben in den meisten Fällen besser abgeschnitten als ihre ausländischen Konkurrenten. Die staatlichen Unternehmen SAIC und BYD gehören zu den größten Exporteuren von Elektrofahrzeugen aus China. MG Motor, ein britischer Automobilhersteller, der 2007 von SAIC gekauft wurde, ist in Europa recht erfolgreich. BYD hat in diesem Jahr Volkswagen als meistverkauften Autohersteller in China überholt.
Ära der Verbrennungsmotoren endet
In der Ära der Verbrennungsmotoren haben chinesische Automobilhersteller Schwierigkeiten gehabt, mit ausländischen Konkurrenten Schritt zu halten. Doch diese fossile Epoche geht unwiederbringlich zu Ende. Mit der Einführung von Elektrofahrzeugen sieht die Situation ganz anders aus. Dank jahrelanger staatlicher Subventionen hat China einen riesigen Inlandsmarkt und eine Reihe von Zulieferern aufgebaut, die den Automobilherstellern helfen, schnell bessere und billigere Produkte zu entwickeln.
BYD hat beispielsweise im letzten Monat eine Fließhecklimousine namens Seagull mit einem Einstiegspreis von nur 11.000 Dollar vorgestellt. Die Parallele zum von Apple geschaffenen Smartphone-Ökosystem ist leicht zu erkennen, obwohl es auch wichtige Unterschiede gibt. Tesla ist wichtig für die neue Dominanz Chinas, aber auch lokale Marken und Zulieferer wie der Batterieriese CATL haben sich zu dominanten Anbietern entwickelt, zum Teil dank großzügiger Subventionen und Barrieren für ausländische Batteriehersteller.
„Made in China“-Autos waren früher außerhalb des Landes ein seltener Anblick, insbesondere in entwickelten Volkswirtschaften. Doch das wird sich in der Ära der Elektrofahrzeuge und Chinas neuer Rolle als weltgrößter Auto-Exporteur ändern.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.