Was ist transformative Angebotspolitik? Eine Erklärung.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vertritt mit seinem Bundesministerium eine Wirtschaftspolitik, die als „transformative Angebotspolitik“ umschrieben wird. Was verbirgt sich dahinter, und wie passt diese Ausrichtung zur sozial-ökologischen Marktwirtschaft, die helfen soll, das Ziel Klimaneutralität zu erreichen? Eine Erklärung.
Definition: Transformative Angebotspolitik
Transformative Angebotspolitik ist das Etikett, unter dem Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck die deutsche Industrie und den deutschen Mittelstand umbauen will. Dabei setzt die spezielle Art der angebotsorientierten Wirtschaftspolitik als oberstes Ziel die Klimaneutralität in den Mittelpunkt. Diese Entscheidung passt zur Rolle des Bundesministeriums, das sowohl für die Wirtschaftspolitik als auch für die Klimaschutzpolitik entscheidend verantwortlich ist.
Mit der transformativen Angebotspolitik kann somit auch das verbindende Element zwischen den beiden Schwerpunktthemen des großen Ministeriums – Wirtschaft und Klimaschutz – umschrieben werden.
Dabei ist durchaus überraschend, dass ein grüner Wirtschaftspolitiker wie Habeck die Angebotspolitik als Kontrapunkt zur nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik in den Mittelpunkt rückt. Denn mit Angebotspolitik werden gewöhnlicher einer konservative oder liberale Politiker verbunden.
Angebotsorientierte vs. nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik
Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik bedeutet per Definition, dass der Staat sich darauf konzentriert, die Bedingungen zu verbessern, unter denen Unternehmen produzieren können. Instrumente dafür sind die Entlastung der Unternehmen von Steuern, Abgaben, Vorschriften und Regulierung. Privaten Unternehmen wird vertraut. Sie erhalten die größtmögliche Freiheit, ihre Angebote auszuweiten. Und: Sie sollen selbst entscheiden, wo sie investieren.
Im Gegensatz dazu bevorzugen Linke, Sozialdemokraten und viele grüne Wirtschaftspolitiker eine nachfrageorientierte Politik. Ein prominentes Beispiel dafür ist der ehemalige Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine. Diese Ansätze konzentrieren sich darauf, die Nachfrage zu stärken und zu lenken. Ziel ist es, möglichst viel Geld in die Hände der Verbraucher zu lenken, um dadurch eine starke Nachfrage auszulösen und das Angebot der Unternehmen anzukurbeln. Wenn die private Nachfrage zu schwach ist, tritt der Staat ein und finanziert gegebenenfalls Ausgabeprogramme über Schulden. In dieser Denkweise wird eine höhere Besteuerung und Abgabenbelastung akzeptiert und auch eine stärkere staatliche Regulierung befürwortet.
Habeck sieht die Anpassungsfähigkeit der Wirtschaft in den Krisenjahren durch Corona und Energie als Beleg für die Idee der transformativen Angebotspolitik. Im Wesentliche hätten es die Märkte selbst bewirkt – mit Kreativität und Anpassungsfähigkeit – dass es nicht zu einer größeren Rezession gekommen sei. „Daraus folgt auch für das Kommende, dass die Produktivkräfte der Märkte, die gesellschaftlichen Kräfte der Märkte das sind, was dieses Land und die ökonomische Substanz dieses Landes ausmacht“, fuhr Habeck fort. Diese Kraft will Habeck nutzen, vor allem aber will er sie lenken.
Die Kräfte der Märkte in Zeiten der Transformation zu entfesseln, ist ein notwendiger Schachzug: Die disruptive Entwicklung etwa im Automobilsektor oder im Bereich Ernährung kann nur gelingen, wenn der Staat passende Rahmenbedingungen setzt, während Staat und Wirtschaft gemeinsam in die Zukunft investieren. Aber im Kern kann es nur über privates Kapital gelingen. So hat der Staat beispielsweise die Aufgabe, es einem Anbieter kultivierten Fleisches zu ermöglichen, innerhalb einer überschaubaren Zeit eine Zulassung zu erhalten.
Was macht die Angebotspolitik transformativ?
„Die Maßnahmen sind zielgerichtet und haben einen qualitativen Schwerpunkt“, erklärt Habeck. „Wir sind nicht ignorant gegenüber Subventionen oder steuerlichen Vorteilen.“ Sein Ziel ist es nicht, alles zu unterstützen, sondern gezielt Unternehmen für zukünftige Märkte zu fördern.
Es ist erforderlich, dass die Grundstoffindustrie eine dekarbonisierte Neuausrichtung erfährt. Besonders wichtig ist es, Unternehmen im Bereich der sauberen Technologien anzusiedeln und zu fördern. Hierbei handelt es sich um Bereiche wie Batterien, Halbleiter, erneuerbare Energien, Elektrolyse, Solarpaneele, Windkraftanlagen und Turbinen.
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So könne der Staat steuerliche Vorteile wie Superabschreibungen gezielt auf klimaneutrale Technologien konzentrieren. Man wolle dort hinein investieren, wo die zukünftigen Märkte entstünden – denn dort werde die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gemessen. „Das müssen wir hineininvestieren“, so Habeck
Entlang dieser Überlegungen haben Habeck und sein Ministerium Leitlinien für eine transformative Angebotspolitik definiert.
Leitlinien des BMWK zur transformativen Angebotspolitik
Eine zeitgemäße und transformative Angebotspolitik sollte
- auf das Ziel Klimaneutralität ausgerichtet,
- angesichts der gesamtwirtschaftlichen Herausforderungen mit einem Fokus auf das Angebot an Arbeitskräften sowie an erneuerbarer Energie ambitioniert,
- inklusiv bezogen auf die Chancen- und Bedarfsgerechtigkeit sowie
- geopolitisch geschärft und europäisch eingebettet sein.
Eine zeitgemäße angebotspolitische Agenda muss insgesamt im Einklang mit dem Leitbild der Sozial-ökologischen Marktwirtschaft stehen, zu dem sich der Koalitionsvertrag ausdrücklich bekennt. Sie darf den notwendigen Fortschritten bei der Wahrung der ökologischen Grenzen nicht entgegenstehen, sondern sollte die Erneuerung vorantreiben. Gleichzeitig sollten die Maßnahmen Teilhabechancen verbessern und materieller Ungleichheit entgegenwirken.
Eine lenkende Angebotspolitik ist also als wichtiger Bestandteil einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft zu betrachten. Sie setzt viel stärker Leitplanken vor dem Hintergrund des Kernziels Klimaneutralität. Ein Rädchen greift dann ins andere, wenn die Unternehmen, die in den Zukunftsbranchen neu entstehen oder etabliert werden sollen, mitgehen. Der Staat wird womöglich auch Teilmärkte stützen, die am Ende keine so große Rolle spielen. Etwa, weil Technologien nicht funktionieren. Das muss im Sinne von Technologieoffenheit hingenommen werden – und ist im Bereich der Forschungsförderung nicht anders.
Mehr zur transformativen Angebotspolitik gibt es in diesem Dokument des Ministeriums.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Danke für diesen informativen Artikel!
Das Chaos, das Habek mit dem ‚Heizungsgesetz‘ angerictet hat, steht allerdings in krassem Widerspruch zu seinem Ziel der ‚transformativen Angebotspolitik‘, die Vertrauen in die Kreativität und das Engagement der Wirtschaft in den Vordergrund stellt. Stattdessen versucht das Heizungsgesetz kleinkariert in den Markt und in die Bedürfnisse der Bevölkerung einzugreifen.
Beispiel in diesem Kontext: Der Ausbau von Fernwärme schafft ein System von lokalen Monopolisten, denen die Abnehmer der Heizenergie völlig ausgeliefert sind.