Kein Klimageld, aber Warnung vor Klimaklebern: Wie Lindner die Transformation sabotiert
Gibt es vor der nächsten Bundestagswahl im Herbst 2025 weiter kein Klimageld? Bundesfinanzminister Christian Lindner hat genau das am vergangenen Wochenende angekündigt. Mit der Begründung, das Geld sei bereits etwa für die Förderung von Heizungen ausgegeben worden. Damit torpediert Lindner erneut die Klimaschutz- und Transformationsbemühungen der Ampel-Regierung. Wie der Minister derzeit „tickt“, zeigte sich bei einer grotesken Rede vor protestierenden Bauern: Dabei fordert Lindner, die linksextreme Unterwanderung der Klimakleber genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Absage Lindners an die Auszahlung des so wichtigen Klimageldes gefährdet, falls sie von SPD und Grünen mitgetragen wird, die Akzeptanz von Transformation und Klimaschutzmaßnahmen. Zwar ist teilweise nachvollziehbar, wie es auch Vize-Kanzler Robert Habeck sagt, Teile der Einnahmen aus der CO2-Abgabe seien über reduzierte Strompreise (Steuerfinanzierte EEG-Umlage) an breite Schichten zurückgegeben worden.
Angesichts des auf 2024 von 30 auf 45 Euro stark gestiegenen CO2-Preises war die Hoffnung der Bürger aber groß, dann zumindest Ende 2024 oder Anfang 2025 von einem pauschalen Klimageld profitieren zu können. Denn eine verbraucherfreundliche Klimaschutzabgabe hat nicht nur den Sinn, sozial Schwächere für klimafreundliches Verhalten zu belohnen, sondern auch allgemein die Akzeptanz von Klimaschutz und Transformation zu unterstützen.
Scharfe Kritik an Klimageld-Absage
Umwelt- und Sozialverbände kritisieren, dass die FDP in einer äußerst heiklen Phase damit die gesellschaftliche Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen aufs Spiel setzt. „Wirklich beliebt war das Klimageld bei Christian Lindner wohl nie, sonst würde es vermutlich nicht eine ganze Legislaturperiode dauern, bis nur der Auszahlungsmechanismus eingeführt ist“, betont Leonard Burtscher, Referent für Energie- und Klimapolitik am Umweltinstitut München. Menschen in Deutschland zahlen seit 2021 eine CO₂-Abgabe, warten bislang aber vergebens auf eine Rückerstattung, angeblich, weil der Auszahlungsmechanismus so schwierig sei.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition ist eigentlich vorgesehen, dass die Einnahmen aus dem seit 2021 erhobenen CO₂-Preis vom Staat direkt an alle Bürger*innen rückerstattet werden. Unterm Strich wären CO₂-Bepreisung und Klimageld für den Staat damit ein Nullsummenspiel. Die Ampel hat sich aber dafür entschieden, die Einnahmen aus dem zuletzt deutlich gestiegenen CO₂-Preis lieber zur Haushaltskonsolidierung zu verwenden, der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Corona-Milliarden aus den Fugen geraten war.
Abrechnung mit Lindner-FDP: Rücksichtslos in den Untergang (cleanthinking.de)
Eine solche Zweckentfremdung des CO₂-Preises ist brandgefährlich, da sie denjenigen in die Hände spielt, die Klimaschutz ohnehin nur als Belastung für die Bürger*innen darstellen wollen.
Ganz ähnlich argumentiert Simone Peter vom Bundesverband Erneuerbare Energien zur Entscheidung „kein Klimageld“: „Die Idee einer Rückerstattung ist auch im Koalitionsvertrag festgehalten, und sie ist richtig. Die Bundesregierung sollte nicht den Eindruck erwecken, sie ginge bei Belastungen entschlossener vor als bei Entlastungen. Von der Umverteilung der Einnahmen aus dem CO2-Preis geht auch eine wichtige Signalwirkung aus: Fossile Energien sind teuer und werden teurer, während sich Klimaschutz lohnt.“
Doch gerade an dieser Signalwirkung, so scheint es, hat Christian Lindner keinerlei Interesse. Er steuert die FDP mit Weigerung sozialer und klimafreundlicher Politik rücksichtslos in den eigenen Untergang. Im Fokus steht der Versuch, das fossile Zeitalter um ein paar Jahre zu verlängern – ganz im Sinne der FDP-Lobbyisten Christian Dürr oder Frank Schäffler.
Was ist das Klimageld?
Beim Klimageld handelt es sich um eine pauschale Rückerstattung der Einnahmen aus der CO₂-Bepreisung. Anfang dieses Jahres ist der CO₂-Preis zum ersten Mal deutlich von zuletzt 30 Euro auf nun 45 Euro pro Tonne gestiegen. Die Abgabe wird fällig in den Bereichen Verkehr und Wärme.
Für jeden Liter Super-Benzin und Diesel zahlen die Menschen in Deutschland etwa 10 Cent beziehungsweise 12 Cent zusätzlich. Bei Erdgas macht die CO₂-Abgabe 0,9 Cent pro Kilowattstunde aus. In den kommenden Jahren soll der CO₂-Preis weiter steigen und ab 2027 in einen europaweiten CO₂-Handel münden. Der Preis soll dann nicht mehr direkt staatlich festgelegt sein, sondern sich aus der verfügbaren Menge an CO₂-Zertifikaten ergeben. Aufgrund der Mängel in der Klimaschutzpolitik, insbesondere im Verkehrs- und Gebäudesektor, werden dann Kosten von über 200 Euro pro Tonne CO₂ erwartet.
Kein Klimageld – kein Abbau klimaschädlicher Subventionen
Das Argument, Deutschland müsse sparen und könne deshalb kein Klimageld auszahlen, ist außerdem vorgeschoben. Denn Geld wäre genug da, würde sich die Ampel-Regierung an den Abbau klimschädlicher Subventionen herantrauen. Doch bereits beim Agrardiesel – einer falschen und nicht mehr zeitgemäßen Subvention – ist die Regierung nach Protesten wieder eingeknickt.
Anstatt die Landwirte anderweitig etwa bei der Transformation oder über eine Tierwohl-Abgabe zu unterstützen, werden Diesel-Kosten weiter rückerstattet. Statt in die Zukunft zu investieren, und die Nachfrage etwa nach elektrifizierten Traktoren anzukurbeln, wird das Weiter-so zementiert. Dabei gibt es die ersten E-Traktoren von Fendt oder John Deere einerseits und beispielsweise auch schwere Baumaschinen mit Elektronantrieb andererseits.
Im Dezember wurde durch eine Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft festgestellt, dass durch diese Maßnahmen insgesamt 24 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung gestellt werden könnten. Abgesehen von der umstrittenen Agrardieselvergünstigung für Landwirte, die nur 440 Millionen Euro ausmacht, bieten die Energiesteuervergünstigung für LKW-Diesel (5,7 Milliarden Euro), die Subvention für PKW-Diesel (2,8 Milliarden Euro), die Entfernungspauschale (2,2 Milliarden Euro) und der Steuervorteil für Dienstwagen (1,8 Milliarden Euro) großes Potenzial.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de:
Christian Lindner hat sich und der Ampel mit seinem Auftreten in den vergangenen Tagen keinen Gefallen getan. Die Aussage, kein Klimageld bis zur Bundestagswahl ausschütten zu wollen, ist ein Bruch des Koalitionsvertrages und von zentralen Wahlkampfversprechen der drei Parteien. Die soziale Gerechtigkeit rund um den Klimawandel und die Bewältigung von dessen Folgen, bleibt weiterhin auf der Strecke. Das ist falsch und schändlich.
Der Finanzminister und von der FDP-Fraktion längst entmachtete Parteivorsitzende erweckt den Eindruck, er wolle die Transformationsbemühungen sabotieren und torpedieren. Nach dem Motto: Wenn die FDP schon untergeht, dann sollen Rot und Grün wenigstens mit untergehen. Eine überaus kindische Haltung.
Die Landwirtschaft braucht eine Debatte über Zukunftspotenziale. Die Disruptionen in den Sektoren Energie, Transport und Arbeit wird dazu führen, dass zelluläre Landwirtschaft und Präzisionsfermentation innerhalb der nächsten ein bis zwei Dekaden entscheidend an Bedeutung gewinnen. Bedeutet: bis zu 80 Prozent der heute für den Anbau von tierischer und menschlicher Nahrung benötigter Flächen wird frei. Frei für Klimaschutz – also etwa das Einbringen von Biokohle in die Böden. Hierüber braucht es Debatten.
Disruptionen: Wie disruptive Innovation Märkte umkrempeln (cleanthinking.de)
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
Mittlerweile gibt es einen offenen Brief von einer großen Anzahl an Verbänden an Christian Lindner zum Klimageld:
Sehr geehrter Herr Bundesminister,
mit großer Überraschung haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass das bereits im Koalitionsvertrag versprochene Klimageld in dieser Legislaturperiode nun doch nicht ausgezahlt werden soll. Das bedauern wir
sehr.
Viele von uns haben sich für die CO2-Bepreisung gerade unter der Bedingung eingesetzt, dass die von den Bürger:innen gezahlten Beträge als Klimageld an die privaten Haushalte rückerstattet und eben nicht lediglich im
Staatshaushalt für andere Aufgaben eingesetzt werden. Schon jetzt steht den Bürger:innen aus der CO2-Bepreisung der Jahre 2021 bis 2023 über 11 Milliarden Euro Klimageld zu. Es sorgt nicht nur dafür, dass der Klimaschutz in Deutschland sozial gerechter wird, sondern stärkt auch die gesellschaftliche Akzeptanz für diese so entscheidende Aufgabe.
Parallel zum Klimageld braucht es im Rahmen einer neuen Finanzarchitektur eine ausreichende Förderkulisse zur Unterstützung einer sozial ausgeglichenen Klimapolitik, die unabhängig vom CO2-Preis ist. Haushalte,
die nicht über die Möglichkeiten verfügen, frühzeitig in CO2-armes Wohnen oder Mbilität zu investieren, brauchen Gewissheit, dass der Staat sie in ausreichendem Umfang unterstützt. Klima- und Verbraucherschutz sowie
eine soziale Absicherung dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Private Haushalte, die nur wenig CO2-haltige Heiz- und Kraftstoffe verbrauchen, profitieren vom Klimageld ebenso wie auch Haushalte mit geringem Einkommen.
Herr Minister Lindner: Zahlen Sie das Klimageld noch in dieser Legislaturperiode aus!
https://www.dnr.de/sites/default/files/2024-01/24-01-17_Verb%C3%A4ndebrief_Klimageld.pdf