Enviria und Blackrock planen 2.000 gewerbliche Solaranlagen auf Firmendächern
Vermögensverwalter Blackrock steckt 200 Millionen Euro in die Firma von Melchior Schulze Brock, Enviria.
Bislang ist die Ausstattung geeigneter Firmendächer mit Solaranlagen eine Achillesferse der Energiewende. Bislang dominieren private PV-Dachanlagen – nur jedes Zehnte geeignete Firmendach erzeugt Solarstrom. Das Cleantech-Unternehmen Enviria mit Sitz in Frankfurt/Main will das ändern. Mit Blackrock ist jetzt der weltgrößte Vermögensverwalter über einen Fonds eingestiegen – und stellt für das künftige Wachstum von Enviria 200 Millionen Euro bereit. Ziel von Blackrock und Enviria: 2.000 gewerbliche Solaranlagen auf Firmendächer zu bringen.
Die dezentrale Energieversorgung durch Photovoltaik-Aufdachanlagen ist einer der größten Wachstumsbereiche der Energiewende. Insbesondere die Kombination von auf privaten Dächern erzeugtem Solarstrom mit Heimspeichern, Wallboxen und Wärmepumpen verzeichnen hohe Dynamik. Anders sieht es bei Firmendächern aus: Nur ein Zehntel der geeigneten Firmendächer werden heute schon zur Erzeugung von Energie verwendet.
Um die von Wirtschaftsminister Habeck vorgegebenen Ziele zu erreichen (22 Gigawatt Peak Zubau pro Jahr) muss sich das ändern. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Schwächephase ist es für die Unternehmen selbst besonders wichtig, ihre Energiekosten kalkulierbar zu machen – und schlussendlich zu reduzieren.
Solarstrom auf dem Firmendach – meistens sind das Flachdächer, die oft gut für Photovoltaikanlagen geeignet sind – scheitert bislang aber häufig daran, dass sich die mittelständischen Unternehmen auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und den bürokratischen Aufwand der Eigenstromerzeugung scheuen. Es braucht also einfache, sichere Lösungen durch externe Anbieter – wie Enviria.
Enviria hat Potenzial der gewerblichen Solardächer erkannt
Das Cleantech-Unternehmen Enviria hat das bislang ungenutzte Potenzial der gewerblichen Solardächer erkannt. Da Dächer von Gewerbeimmobilien im Durchschnitt deutlich größer sind als von Wohngebäuden, können dort Kapazitäten für erneuerbare Energien besonders schnell ausgebaut werden. Daher ist es das Ziel von Enviria, die Beteiligung von B2B-Unternehmen mit sauberen Technologien an der Energiewende zu fördern – im ersten Schritt mit Solarenergie.
„Wir sind der festen Überzeugung, dass wir über privates und bürgerschaftliches Engagement hinausgehen müssen, um die zentralisierte Energieerzeugung zu durchbrechen und die Energiewende zum Erfolg zu führen“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens.
Konkretisiert liegt das Potenzial entsprechender Anlagen bei mehreren Hundert Gigawatt – schließlich gibt es mehr Nicht-Wohngebäude (21 Millionen) als Wohngebäude (19 Millionen) in Deutschland. „Wir wollen in diesem Jahr zwei Million Quadratmeter Aufdach-Anlagen installieren“ und uns im nächsten Jahr verdoppeln“, sagt Melchior Schulze Brock (Linkedin), Enviria-CEO im Interview mit dem Klima-Labor.
Was bremst gewerbliche Solaranlagen auf Firmendächern aus?
Laut Melchior Schulze Brock ist die Netzintegration eine der zentralen Herausforderungen bei gewerblichen Solaranlagen auf Firmendächern. Denn eingespeist wird nicht über den Hausanschluss, sondern über das umliegende Mittelspannungsnetz oder die sogenannte Zähleranschlusssäule in der Nähe von Ortsnetzverteilern.
Eine Baugenehmigung braucht es hingegen bei Gewerbe-Anlagen in der Regel nicht – ein klarer Vorteil im Vergleich zu Privatanlagen. Bis der Netzbetreiber allerdings auf das Netzanschlussbeghren mit der Angabe eines möglichen Anschlusspunkte reagiert, vergeht mindestens die gesetzliche Frist von acht Wochen. Anschließend braucht es umfassende Kommunikation über technische Details mit dem Netzbetreiber.
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Hinzu kommt, dass in der Regel die Eigentümer und Stromabnehmer im privaten Bereich dieselben Personen sind. Im gewerblichen Bereich hingegen gehört das Gebäude häufig einem Immobilienfonds, während das Gewerbe lediglich eingemietet ist. Für die Installation einer PV-Anlage auf dem Dach müssen daher vertragliche Vereinbarungen getroffen und Einigung erzielt werden.
Ein Lösungsansatz wäre, dass die vielen Netzbetreiber in Deutschland die Technischen Anschlussbedingungen einheitlich interpretieren würden. „Wenn wir einen neuen Mittelspannungsanschluss herstellen müssen, weil keiner vorhanden ist, kann das bis zu einem Jahr dauern. Das ist den Lieferzeiten von Trafostationen geschuldet und auch der Abstimmung mit den Netzbetreibern“, erklärt der Unternehmer.
Die Problemfelder sind nach Aussage von Enviria politisch adressiert – und beispielsweise Digitalisierung beim Netzanschluss wird in den kommenden Jahren Pflicht. Das macht Enviria und anderen Dienstleistern in diesem Segment des PV-Marktes Hoffnung, dass sich die Bedingungen verbessern.
Blackrock investiert 200 Millionen
Denn Enviria hat sich ambitionierte Ziele gesteckt, will 2000 Projekte mit einem Volumen von mehr als 2,3 Gigawatt realisieren – 1,7 Gigawatt davon bis 2029. Dabei helfen soll das frische Kapital der aktuellen Finanzierungsrunde, die im Februar 2024 bekannt wurde: Der größte Vermögensverwalter Blackrock betrachtet die Gewerbedach-Anlagen als Infrastruktur-Investment und hat über den Fonds Global Renewable Power IV 200 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Das Klima-Infrastrukturteam von BlackRock ist einer der Vorreiter der Branche und investiert bereits seit Ende der 1990er Jahre in erneuerbare Energien – mit Investitionen in mehr als 15 Unternehmen und der ersten Investition in Photovoltaik im Jahr 2013. Heute verwaltet das Team ein Kundenvermögen von elf Milliarden US-Dollar. Bei dem Deal handelt es sich um die zweite Investition des GRP IV, nachdem der Fonds im Januar in Recurrent Energy investiert hat.
Zu den frühen Investoren von Enviria gehören Galileo Green Energy, Redalpine, Alter Equity und BNP Paribas Développement. Enviria hat bislang 500 gewerbliche oder industrielle Solarprojekte realisiert.
„Unser Investment in Enviria zeigt, dass wir im Bereich der Infrastrukturinvestitionen, die auf die Energiewende ausgerichtet sind, einen Schritt voraus sind“, so Keith Mangan (Linkedin), Head of EMEA für Klima-Infrastruktur bei BlackRock. „Envirias lukratives Wertversprechen als Komplettanbieter von PV-Anlagen ist ein hervorragendes Beispiel für den Einsatz skalierbarer Innovationen in diesem Sektor und damit eine attraktive Anlageexposition für unsere Kunden.“
Die Bürokratisierung der Energiewende im vergangenen Jahrzehnt führt dazu, dass sich Unternehmen selbst kaum zutrauen, neben dem Kerngeschäft eine Solaranlage zu installieren. Es braucht Spezialisten wie Enviria, die die Tücken und Kniffe kennen und den Gewerbebetrieben diese Arbeit abnehmen. 2.000 Projekte bis etwa 2030 können aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein. Es braucht viel mehr solcher Angebote und Lösungen.
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Gut, dass Enviria über Blackrock (natürlich ist der mächtige Vermögensverwalter kritisch zu sehen) nun einen Wachstums-Turbo zünden kann. Womöglich helfen bessere Rahmenbedingungen (Stichwort Digitalisierung beim Netzanschluss) dabei, dass dieser Cleantech-Dienstleister noch größere Ambitionen an den Tag legen kann. Für Energiewende und Transformation wäre das wichtig.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.