Protein Distillery: 15 Millionen Euro Seed-Finanzierung für Proteine aus Brauabfällen
Cleantech-Unternehmen Protein Distillery will mit dem frischen Kapital die erste Bierhefe-Proteinfabrik in Heilbronn.
Natürliche Bierhefe ist ein erprobtes Nahrungsergänzungsmittel, das speziell B-Vitamine liefert. Doch das Cleantech-Unternehmen Protein Distillery macht daraus etwas Wertvolleres: Proteine für die alternative Lebensmittelproduktion. Dabei gilt die Erzeugung von Proteinen aus Biomasse-Fermentation wie Bierhefe als nachhaltiger im Vergleich zu rein pflanzlichen Ersatzprodukten. Im März 2024 hat Protein Distillery Seed-Finanzierung von 15 Millionen Euro erhalten – und auch Business Angel Wendelin Wiedeking überzeugt.
Die Seed-Finanzierungsrunde hat Protein Distillery u.a. mit dem Green Generation Fund und dem Startup Family Office abgeschlossen. Mit Wendelin Wiedeking als Business Angel gehört zudem der ehemalige Porsche-Chef zu den Investoren, die an die Idee „Proteine aus Bierhefe“ glauben.
Das Unternehmen stößt in eine Nische, denn der Markt für vegane Wurst, Sojamilch und pflanzliches Ei hat an Dynamik deutlich verloren. Einer der Gründe: Pflanzliche Alternativen für Fleisch, Ei und Co. benötigen in der Regel viele Stabilisatoren, Füllstoffe und Geschmacksverstärker – doch lange Zutatenlisten schrecken die Verbraucher ab. Das will das Cleantech-Unternehmen mit Proteinen aus Bierhefe ändern.
Das Potenzial der Bierhefe-Proteine ist groß, glaubt man dem Unternehmen: Denn die Eiweiße lassen sich flexibel für die Produktion von alternativem Fleisch, Ei, Käse oder Milch verwenden. 2023 erhielt die Protein Distillery für ihre Innovation den Deutschen Nachhaltigkeitspreis (Next Economy Award) – und arbeitet an Patenten.
Kapital für die erste Proteinfabrik
Die 15 Millionen Euro Seed-Kapital wird das Cleantech-Unternehmen aus Esslingen und Berlin dazu verwenden, die erste eigene Proteinfabrik zu finanzieren. Dazu nutzt das Team das ehemalige Suppenwerk von Knorr aus dem Unilever-Konzern.
„Die Produkte der Protein Distillery sind aufgrund ihrer herausragenden Eigenschaften in Zukunft aus der Produktion zahlreicher Nahrungsmittel nicht mehr wegzudenken“, glaubt Martin Unger, Managing Partner des Startup Family Office.
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Wichtig für die Investoren: Protein Distillery ist gar nicht auf Bierhefe als Abfall- und Rohstoff angewiesen. Man könne „unterschiedlichste Biomasse“ verwenden, die in anderen Industrien als Abfall anfalle. So beispielsweise bei de Herstellung von Bio-Ethanol. Bedeutet: Es entsteht eine sinnvolle, ressourcenschonende Verwertung von Stoffen, die bislang als Abfall angesehen wurden – Cleanthinking pur.
Was ist Bierhefe eigentlich genau?
Bierhefe zählt zu den Hefepilzen, die die alkoholische Gärung in Gang setzen und unterhalten. Im Brauprozess wird Reinzuchthefe gewonnen, die zu einem gut riechenden Pulver weiterverarbeitet werden kann. Grundlegend ist Bierhefe sehr bitter und eignet sich daher in natürlichem Zustand nur für Tierfutter.
Protein Distillery ist es gelungen, die Zellen der Bierhefe so zu reinigen, dass sie geschmacksneutral werden. Deren Produkt könnte also zum optimalen Ersatz für tierisches Eiweiß werden.
Wie funktioniert das mit der Bierhefe genau?
Im Handelsblatt vergleicht Protein Distillery-Gründer Christoph Pitter die Schale der Hefezelle mit der harten Ummantelung einer Kokosnuss. Diese werde geknackt. Anschließend können daraus verschiedene, flüssige Proteine gewonnen werden. Das anschließend getrocknete Proteinpulver ist wasserlöslich und kann wie tierisches Eiweiß aufgeschlagen und verwendet werden. Im Gegensatz zu einem Pflanzenprotein etwa Erbse oder Soja kann das Bierhefe-Pulver beim Erhitzen u.a. fest wie ein Ei werden.
Keine EU-Zulassung nötig
Wichtig für das Geschäftsmodell von Protein Distillery ist, dass eine aufwändige Zulassung als Novel Food nicht notwendig ist – weil Bierhefe für Nahrungsergänzungsmittel bereits etabliert ist. Bis die vier Gründer, Christoph Pitter, Marco Ries, Michael Baunach und Tomas Kurz mit ihren Proteinen durchstarten können, wird es aber dennoch noch etwas dauern.
Laut heutiger Planung will das Unternehmen Bierhefeprotein nach Norwegen liefern, damit ein Partner dort ein Produkt auf den Markt bringen kann. Konkret sind mit Flowfood AS Burger-Pattys geplant.
Einschätzung von Cleanthinking-Gründer Martin Jendrischik
Die Idee und der Ansatz des Cleantech-Unternehmens aus Heilbronn überzeugen. Interessant wird die Frage, wie das Sparring mit unterschiedlichen Lebensmittelherstellern funktionieren wird. Einen Schub dürfte dem Vorhaben verleihen, wenn 2025 die erste Bierhefe-Proteinfabrik tatsächlich mit der Produktion beginnt. Dann muss sich erweisen, ob die nachhaltige Alternative auch kostenseitig mithalten kann.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.