
Wohnungskrise und Klimaschutz: Wie steigende Mieten die Energiewende bremsen
BiB-Studie: Wege aus der Wohnungskrise: Ein vielschichtiges Problem
Die sich verschärfende Wohnungskrise hierzulande hat nicht nur weitreichende soziale, sondern auch erhebliche ökologische Auswirkungen. Eine aktuelle Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) beleuchtet, wie besonders Geringverdiener und Zugewanderte unter der Last steigender Mieten ächzen – mit gravierenden Folgen für den Klimaschutz und wachsenden sozialen Ängsten.
Dieser Artikel untersucht die komplexen Zusammenhänge zwischen Wohnkosten, sozialer Ungleichheit und den Herausforderungen der Energiewende. Die Wohnungskrise in Deutschland hat sich in den letzten Jahren zu einem der drängendsten sozialen Probleme entwickelt. Mehrere Faktoren haben zu dieser Situation beigetragen:
Urbanisierung und Landflucht
Der anhaltende Trend zur Urbanisierung führt zu einer steigenden Nachfrage nach Wohnraum in den Städten. Wohnungskrise in den Städten geht zulasten von sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz. Laut dem Statistischen Bundesamt leben mittlerweile über 77 Prozent der deutschen Bevölkerung in Städten oder städtischen Gebieten.
Diese Konzentration erhöht den Druck auf den städtischen Wohnungsmarkt erheblich.
Mangelnder Wohnungsneubau
Trotz der steigenden Nachfrage hinkt der Wohnungsneubau hinterher. Die Bundesregierung hatte sich das Ziel gesetzt, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen. Dieses Ziel wurde jedoch weit verfehlt.
Im Jahr 2024 wurden lediglich 280.000 Wohnungen fertiggestellt, was die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage weiter vergrößert.
Steigende Baukosten
Die Baukosten sind in den letzten Jahren drastisch gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt haben sich die Preise für den Neubau konventionell gefertigter Wohngebäude zwischen 2020 und 2025 um mehr als 30 Prozent erhöht.
Diese Kostensteigerung wird oft auf die Mieten umgelegt.
Spekulation mit Wohnraum
In vielen Großstädten hat die Spekulation mit Wohnraum zugenommen. Investoren kaufen Immobilien nicht primär zum Zweck der Vermietung, sondern als Wertanlage.
Dies führt zu Leerständen und künstlicher Verknappung des Wohnraums.
Demografischer Wandel
Die alternde Gesellschaft und der Trend zu Singlehaushalten führen zu einer steigenden Nachfrage nach kleineren Wohnungen, die oft in den Innenstädten gesucht werden.
Mietbelastung laut BiB-Studie
Die BiB-Studie offenbart alarmierende Zahlen zur Mietbelastung in Deutschland:
- Einkommensschwache Haushalte wenden bis zu 45% ihres Einkommens für Miete auf
- Über ein Drittel der 21 Millionen Mieterhaushalte in Deutschland sind durch Wohnkosten überlastet
- 4,3 Millionen Haushalte zahlen zwischen 30 und 40% ihres Einkommens für Wohnkosten
- 3,1 Millionen Haushalte wenden sogar mehr als 40% ihres Einkommens für Kaltmiete und Heizkosten auf
Diese Zahlen verdeutlichen, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung unter einer extremen finanziellen Belastung durch Wohnkosten leidet.
Zusammenhang zwischen Wohnkosten und Klimaschutz
Die hohe Mietbelastung hat direkte und indirekte Auswirkungen auf den Klimaschutz. Dieser Zusammenhang wird oft übersehen, ist aber von entscheidender Bedeutung für das Erreichen der Klimaziele.
Eingeschränkte Investitionsfähigkeit in klimafreundliche Technologien
Haushalte, die einen Großteil ihres Einkommens für Miete aufwenden müssen, haben kaum finanzielle Spielräume für Investitionen in klimafreundliche Technologien:
- Energieeffiziente Haushaltsgeräte: Der Austausch alter, energieintensiver Geräte gegen moderne, energiesparende Modelle bleibt oft aus finanziellen Gründen aus. Ein moderner Kühlschrank kann bis zu 70 Prozent weniger Energie verbrauchen als ein 15 Jahre altes Modell, doch die hohen Anschaffungskosten sind für viele Haushalte nicht tragbar.
- Elektromobilität: Der Umstieg auf ein Elektroauto ist für viele Geringverdiener unerreichbar. Nicht nur die höheren Anschaffungskosten, sondern auch die Notwendigkeit einer privaten Ladeinfrastruktur stellen Hürden dar.
- Balkonkraftwerke: Kleine Solaranlagen für den Balkon könnten den Strombedarf reduzieren, sind aber für viele Mieter eine zu hohe Investition.
- Smarte Heimtechnologien: Intelligente Thermostate oder Beleuchtungssysteme, die den Energieverbrauch optimieren können, bleiben für viele unerschwinglich.
Indirekte Auswirkungen auf den Klimaschutz
Die Wohnungskrise hat auch indirekte Auswirkungen auf den Klimaschutz:
- Pendlerverkehr: Steigende Mieten in den Innenstädten zwingen viele Menschen, in günstigere Randgebiete zu ziehen. Dies führt zu längeren Pendlerwegen und erhöhtem CO2-Ausstoß durch den Verkehr.
- Gentrifizierung: Die Verdrängung einkommensschwacher Haushalte aus sanierten Innenstadtgebieten führt oft zu einer Verschlechterung ihrer Wohnsituation, einschließlich schlechterer Energieeffizienz der Gebäude.
- Widerstand gegen energetische Sanierungen: Aus Angst vor Mieterhöhungen lehnen viele Mieter energetische Sanierungen ab, was die Modernisierung des Gebäudebestands verzögert.
Der Teufelskreis von Armut und Klimabelastung
Es entsteht ein Teufelskreis: Einkommensschwache Haushalte können sich oft nur schlecht isolierte, energieineffiziente Wohnungen leisten. Dies führt zu höheren Heizkosten, was wiederum die finanzielle Belastung erhöht und Investitionen in klimafreundliche Technologien noch unwahrscheinlicher macht.
Soziale Ungleichheit und Klimagerechtigkeit
Die Wohnungskrise verschärft nicht nur die soziale Ungleichheit, sondern führt auch zu einer Klimaungerechtigkeit. Während wohlhabendere Haushalte in der Lage sind, ihre CO2-Bilanz durch moderne Technologien zu verbessern, bleiben einkommensschwache Gruppen oft in ineffizienten und umweltschädlichen Konsum- und Verhaltensmustern gefangen.
Beispiel: Energiearmut
Das Problem der Energiearmut gewinnt zunehmend an Bedeutung. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung waren 2022 etwa 6,6 Millionen Haushalte in Deutschland von Energiearmut betroffen.
Diese Haushalte geben einen überdurchschnittlich hohen Anteil ihres Einkommens für Energie aus, oft aufgrund ineffizienter Gebäude und Geräte.
Wachsende soziale Ängste
Die Wohnungskrise erzeugt zunehmend Ängste bei Mietern:
- Furcht vor Mietsteigerungen durch energetische Sanierungen
- Sorge, dass Vermieter Kosten für Wärmedämmung, Heizungstausch und Modernisierung auf Mieter umlegen
- Angst vor Verdrängung aus dem gewohnten Wohnumfeld
Diese Ängste können dazu führen, dass Mieter notwendigen energetischen Sanierungen skeptisch gegenüberstehen, was wiederum den Klimaschutz im Gebäudesektor hemmt.
Politische Lösungsansätze und Kontroversen
Das Thema bezahlbarer Wohnraum spielte bei den letzten Wahlen eine gewichtige Rolle. Verschiedene politische Parteien haben unterschiedliche Ansätze vorgeschlagen:
Mietendeckel
Die LINKE konnte mit ihrem Vorschlag eines bundesweiten Mietendeckels viele Stimmen gewinnen. Sie fordert:
- Einen bundesweiten Mietendeckel für sechs Jahre
- Enteignung von Immobilienkonzernen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt
Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey unterstützen 73 Prozent der Befragten einen bundesweiten Mietendeckel.
Mietpreisbremse
Die bestehende Mietpreisbremse soll fortgeführt werden, wird aber von Experten kritisch gesehen. Es gibt Bedenken, dass zu stark regulierte Mieten den Neubau und die Vermietung unattraktiv machen könnten.
Eine Studie des DIW Berlin kam zu dem Schluss, dass die Mietpreisbremse zwar kurzfristig die Mietpreissteigerungen dämpft, langfristig aber zu einer Verknappung des Angebots führen kann.
Förderung des sozialen Wohnungsbaus
Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den sozialen Wohnungsbau zu fördern. Allerdings sind die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichend, um den Bedarf zu decken.
Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe fehlen in Deutschland mindestens fünf Millionen bezahlbare Wohnungen.
Innovative Ansätze für bezahlbares und klimafreundliches Wohnen
Um sowohl die Wohnungskrise als auch die Klimakrise anzugehen, sind innovative Lösungen gefragt:
- Energieeffiziente Sozialwohnungen: Förderung des Baus hocheffizienter Sozialwohnungen, die sowohl bezahlbar als auch klimafreundlich sind.
- Sanierungsförderung mit Mieterschutz: Programme, die energetische Sanierungen fördern, aber gleichzeitig Mietsteigerungen begrenzen.
- Genossenschaftliche Wohnprojekte: Unterstützung von Wohnungsgenossenschaften, die bezahlbaren und nachhaltigen Wohnraum schaffen.
- Urban Mining und Kreislaufwirtschaft im Bau: Förderung von Bauprojekten, die recycelte Materialien verwenden und so die Baukosten und den CO2-Fußabdruck reduzieren.
- Mikrokredite für energieeffiziente Geräte: Finanzierungsprogramme, die es einkommensschwachen Haushalten ermöglichen, in energieeffiziente Geräte zu investieren.
Fazit: Gerechte und nachhaltige Wohnungspolitik ist möglich
Die Wohnungskrise ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein ökologisches Problem. Um die Klimaziele zu erreichen und soziale Ängste abzubauen, müssen wir sicherstellen, dass alle Bevölkerungsgruppen an der Energiewende teilhaben können. Dies erfordert einen ganzheitlichen Ansatz, der bezahlbares Wohnen mit Klimaschutz verbindet und dabei die Sorgen der Mieter ernst nimmt.
Eine zukunftsfähige Wohnungspolitik muss die soziale Gerechtigkeit und den Klimaschutz gleichermaßen berücksichtigen. Nur so kann eine nachhaltige Transformation unserer Städte und Gemeinden gelingen, die niemanden zurücklässt und gleichzeitig einen bedeutenden Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Die Herausforderung ist groß, aber die Chancen sind es auch. Mit innovativen Lösungen, politischem Willen und gesellschaftlichem Zusammenhalt können wir eine Zukunft gestalten, in der bezahlbares und klimafreundliches Wohnen keine Gegensätze mehr sind, sondern Hand in Hand gehen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.