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Dr. Bergner im Interview: „Cleantech ist eher eine Meta-Branche oder Grundphilosophie“

In der vergangenen Woche startete die Cleantech Initiative Ostdeutschland als ostdeutsches Netzwerk für saubere Technologien. Angesiedelt ist die Initiative beim Bundesinnenministerium, genauer bei Staatssekretär Dr. Christoph Bergner, der Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland ist. Am Rande der Eröffnungsveranstaltung in Magdeburg hatte CleanThinking.de-Chefredakteur Martin Jendrischik Gelegenheit, das folgende Interview mit Dr. Bergner über Meta-Branche Cleantech, die Cleantech Initiative Ostdeutschland und angrenzende Themen zu sprechen.

Cleantech Initiative Ostdeutschland

Cleantech News / Berlin, Magdeburg. CleanThinking.de: Die Energiewende ist in aller Munde: Welche Bedeutung sehen Sie ganz allgemein für CleanTech in Deutschland und speziell in Ostdeutschland?

Dr. Christoph Bergner, BMI: Cleantech ist weltweit ein Mega-Trend. Es ist klar, dass sich angesichts des Klimawandels und der aufkommenden Ressourcenknappheit die Bedeutung von Cleantech noch weiter erhöhen wird. Mit der Energiewende haben wir in Deutschland sehr frühzeitig und sehr konsequent hierauf reagiert. Das bringt Herausforderungen etwa bei der Versorgungssicherheit mit sich.

Für Deutschland liegt hierin aber auch eine riesige Chance. Denn zum einen sind wir eine Ingenieur-Nation, die das technische Handwerkszeug hat um die Produkte zu entwickeln. Und zum anderen ist das Bewusstsein für den Umweltschutz seit langem vorhanden. Das zeigt sich daran, dass wir in Deutschland und gerade auch in Ostdeutschlandin vielen Bereichen bereits heute einiges an Cleantech vorzuweisen haben.

CleanThinking.de: Gibt es eine Berechnung zur Zahl der CleanTech-Unternehmen in Deutschland und wie viel Umsatz diese aktuell generieren?

Dr. Christoph Bergner, BMI: Es ist generell sehr schwer hier eindeutige Zahlen zu bekommen, da Cleantech keine Branche ist, die durch die amtliche Statistik abgebildet wird. Es handelt sich bei Cleantech eher um eine Meta-Branche oder eine Grundphilosophie, die sich durch viele klassische Branchen zieht. Das führt immer wieder zu unterschiedlichen Meinungen, wie die Zahlen zu berechnen sind. Die letzten Studien hierzu, die mir bekannt sind, liegen nun soweit zurück, dass diese Zahlen keine Aussagekraft mehr haben.

Ich kann Ihnen allenfalls etwas zu den Beschäftigungseffekten durch die Erneuerbaren Energien sagen, weil das BMU hierfür in einem sehr aufwendigen Verfahren die Zahlen regelmäßig schätzen lässt. Demnach lag die Bruttobeschäftigung (also ohne Verdrängungseffekte an anderer Stelle) 2010 bei mehr als 367.000 Personen, was einer Steigerung von 8 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.

CleanThinking.de: Weshalb ist die ostdeutsche Cleantech Initiative beim BMI angesiedelt worden?

Dr. Christoph Bergner, BMI: Die Cleantech Initiative Ostdeutschland wurde vom Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Bundesländer ins Leben gerufen. Dieser ist im BMI angesiedelt.

CleanThinking.de: Der Begriff Cleantech ist überall auf der Welt akzeptiert – nur in Deutschland findet sich kaum eine einheitliche Verwendung – wie definieren Sie Cleantech und wie kann der Begriff weiter durchgesetzt werden?

Dr. Christoph Bergner, BMI: Das ist in der Tat eine Herausforderung. Sicher liegt es auch daran, dass wir in Deutschland eine so vielfältige Cleantech-Landschaft haben. Für die Cleantech Initiative Ostdeutschland haben wir uns zunächst vorgenommen, den Begriff sehr weit zu fassen und alle Branchen einzubeziehen, die sich mit sauberen Umwelttechnologien beschäftigen. Wichtig ist aus unserer Sicht auch, dass wir auf Schnittstellen und Verknüpfungen achten. Hier liegen häufig die interessanten Lösungen. Aber vielleicht werden wir im Laufe des Prozesses auch dazu kommen und den Begriff schärfen.

CleanThinking.de: Welche Ziele verfolgt die Cleantech Initiative Ostdeutschland? Wie ist die Positionierung?

Dr. Christoph Bergner, BMI: Die Cleantech Initiative Ostdeutschland ist der Zentrale Hebel zur Unterstützung von Cleantech in den neuen Ländern. Mit ihr wollen wir zum einen die vielen guten Ideen, Projekte und Kompetenzen, die es in Ostdeutschland bereits gibt, besser vernetzen. Zwar gibt es bereits unzählige Netzwerke, es gibt aber noch kein Branchen- und Länder übergreifendes Bündnis.

Zum zweiten wollen wir eine gewisse Strukturbildung im Sinne einer besseren Zusammenarbeit der Unternehmen erreichen. Mit Hilfe der Initiative wollen wir die kleinteilige und wenig kooperierende Cleantech-Wirtschaft in den neuen Ländern darin unterstützen, zu einer international wettbewerbsfähigen Struktur zusammenfinden.

Und drittens geht es um eine Bewusstseinsbildung: Vor Ort soll die Identität als „Cleantech-Region Ostdeutschland“ unterstützt werden. Cleantech soll auf diese Weise zur Leitidee bei vielen Neugründungen und Weiterentwicklungen bestehender Unternehmen werden. Nach außen soll dies zugleich die Bekanntheit als Standort für innovative Umwelttechnologien erhöhen. Germany Trade and Invest wird diesen Prozess mit ihrer eigenständigen Kampagne „Cleantech – Powerhouse Eastern Germany“ unterstützen.

CleanThinking.de: Wir von CleanThinking.de sehen vor allem vier Bereiche von CleanTech: Energie, Mobilität, Gebäude und Effizienz – sehen Sie hier ebenfalls Schwerpunkte?

Dr. Christoph Bergner, BMI: Da haben Sie sicherlich die derzeit wichtigsten Bereiche genannt. Dennoch geht es uns nicht darum, die bereits sehr starken Bereiche in den Fokus zu nehmen. Die Windenergie ist auf die Cleantech Initiative Ostdeutschland möglicherweise weniger stark angewiesen, als andere Branchen. Für mich ist vielmehr die Frage interessant, ob wir nicht durch die Verknüpfung verschiedener Technologien Produkte und Lösungen finden können, die uns sonst nicht in den Sinn gekommen wären. Schon bei den von Ihnen genannten Bereichen sind die Verbindungen untereinander klar erkennbar.

Und da gibt es noch viel mehr. Denken Sie an den Bereich Kreislaufwirtschaft und Recycling. Hier können Sie sich mühelos Verbindungen zu den Themen Energiegewinnung und Speicherung, Produktion und Leichtbau als Teil der Elektromobilität oder für den Gebäudebereich vorstellen. Mir geht es darum, eine Plattform zu schaffen, auf der wir leichter neue Möglichkeiten zu wirtschaftlichen Erfolg führen können.

CleanThinking.de: Letztlich gibt es ja neben reinen Cleantech produzierenden Unternehmen auch solche, die besonders viel Wert auf den Einsatz von ressourcenschonenden Technologien in der Produktion beispielsweise setzen – würden Sie diese auch als Cleantech-Unternehmen bezeichnen?

Dr. Christoph Bergner Bundesinnenministerium
Dr. Christoph Bergner Bundesinnenministerium (Quelle: BMI)

Dr. Christoph Bergner, BMI: Unbedingt. Wir haben Cleantech zunächst als eine Grundphilosophie, also eine Grundorientierung auf Umweltschutz und Ressourcenschonung definiert. Nun werden Sie einwenden, dass über kurz oder lang ein großer Teil der Wirtschaft mit umweltfreundlicheren oder ressourcenschonenderen Technologien arbeiten wird. Das ist gut und vermutlich auch der natürliche Lauf der Dinge. Wenn das in Ostdeutschland etwas schneller abläuft begrüße ich das sehr, denn damit stärken wir das Selbstverständnis einer Cleantech-Region Ostdeutschland.

Die wirklichen Cleantech-Unternehmen wird dieser relative Fortschritt aber nicht zufrieden stellen. Sie streben immer weiter danach besser zu werden, ressourcenschonendere oder umweltfreundlichere Produkte zu entwickeln. Wenn ich mich international umsehe, wie dort mit den Ressourcen und Umwelt umgegangen wird, dann werden deutsche Unternehmen mit dieser Grundeinstellung noch viele Jahrzehnte wegweisende Technologien und marktfähige Produkte entwickeln können.

CleanThinking.de: Herr Dr. Bergner, herzlichen Dank für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen und der Cleantech Initiative Ostdeutschland für die Zukunft alles Gute.

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