Energiewende in Crailsheim mit innovativem Erdsondenspeicher
Vor zehn Jahren begann der Bau von Deutschlands größter solarthermischer Anlage in Crailsheim in Baden-Württemberg. Die Anlage ermöglicht die Nahwärmeversorgerung einer Neubausiedlung mit saisonaler Wärmespeicherung. So sollen ca. 50 Prozent des Gesamtheizwärmebedarfs des Baugebiets „Hirtenwiesen II“ gedeckt werden. Die Kollektorfläche von 7.500 Quadratmetern – ein Großteil davon wurde auf einem ökologischen Lärmschutzwall installiert – ist ebenso Teil der Solarthermie-Anlage wie der technisch innovative Erdsondenspeicher mit 37.000 Kubikmeter Speichervolumen.
Cleantech & Solarthermie News / 28.2.2012. Innovativ und von hohem Experteninteresse ist nach Einschätzung von Dirk Mangold, dem Leiter des Steinbeis-Institutes für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme, insbesondere der Erdsondenspeicher. Im Baugebiet Hirtenwiesen II sollen einmal 2.000 Menschen leben. „Insgesamt erzeugt die Solaranlage jährlich drei Millionen Kilowattstunden thermische Energie“, erläutert Jürgen Breit, Geschäftsführer der Stadtwerke Crailsheim. Da nicht der komplette Wärmebedarf von Hirtenwiesen über Sonnenenergie abgedeckt werden könne, ist ergänzend ein Heizkraftwerk im Einsatz. In ihm arbeiten zwei mit Erdgas befeuerte Heizkessel und ein Blockheizkraftwerk (BHKW).
Die Anlage besteht grundlegend aus sechs Bereichen:
- Insgesamt 7 500 Quadratmeter Kollektorfläche werden auf der Südflanke des Schallschutzwalls errichtet.
- In der Solarstation wird mittels eines Wärmetauschers die Wärme der Sonnenstrahlen als Heiz- und Warmwasser an das Trinkwasser abgegeben.
- Heißwasserspeicher: In diesem ersten Teil des Langzeitspeichers lagern rund 480 Kubikmeter warmes Wasser.
- Die Solarzentrale befindet sich unterhalb der Sporthalle. Sie regelt die Wärmezufuhr und steuert die optimale Ausbeute der Sonnenenergie.
- Pufferspeicher: Hier werden bis zu 100 000 Liter warmes Wasser vorüber gehend gespeichert.
- Erdsondenspeicher: Der Erdboden nimmt über Erdsonden die Wärme auf und speichert sie vom Sommer bis in den Winter (zweiter Teil des Langzeitwärmespeichers).
So funktioniert der Erdsondenspeicher (Langzeitspeicher)
Das von der Sonne erwärmte Wasser wird in die Erdsonden gepumpt. Der umliegende Boden nimmt die Wärme auf und speichert sie:
Im Winter wird die gespeicherte Wärme dem Erdboden wieder entzogen und über Wärmepumpen in das Versorgungsnetz der Stadtwerke Crailsheim abgegeben. Durch diese gelangt sie in die angeschlossenen Häuser, die die Wärme sowohl für Warmwasser als auch zum Heizen nutzen können. In einem Radius von 30 Metern 80 Bohrungen bis auf 60 Meter Tiefe niedergebracht. In 15 Zentimeter starken Kunststoffrohren gelangt das 75 Grad Celsius heiße Wasser in den recht kompakten Oberen Muschelkalk. Das Gestein dient dabei als eigentliches Speichermedium.
So funktionieren die Pufferspeicher (Kurzzeitspeicher)
Um die Wärme der Sonne kurzfristig speichern zu können, haben die Stadtwerke Crailsheim zwei Kurzzeitspeicher, auch Pufferspeicher genannt, gebaut. Die Funktion beider Speicher ähnelt dem Prinzip einer „Thermoskanne“ und einem „Schnellkochtopf“. Speichermedium ist jeweils Wasser. Der kleine Kurzzeitspeicher hat ein Speichervolumen von 100.000 Litern. Der größere Kurzzeitspeicher hat ein Speichervolumen von 500.000 Liter. In diesen hermetisch geschlossenen Speichern steht das bis zu 108 Grad Celsius heiße Wasser unter drei bar Druck. Üblicherweise wird das Wasser in solchen Systemen nur bis maximal 95 Grad Celsius aufgeheizt.
Bei einer Spitzentemperatur von 108 Grad Celsius ist der nutzbare Wärmeinhalt jedoch um 15 Prozent höher. Gleichzeitig können die Kollektoren auf Jahressicht deutlich länger Sonnenenergie liefern, weil sie nicht schon bei 95 Grad Celsius die Wärmezufuhr einstellen müssen.
Bei der Herstellung dieser beiden in Europa erstmals realisierten Arbeitsspeicher aus Betonringen mit Edelstahlauskleidung wurde bereits ein erheblicher Anteil an CO2-Emissionen vermieden. Sie nehmen die Tagesproduktion von den Dächern bzw. von den Wallkollektoren auf.
An der Finanzierung der Solarthermie-Anlage in Crailsheim beteiligt waren der Bund mit 2,5 Mio. Euro, das Land Baden-Württemberg mit 1,4 Mio. Euro sowie Stadt und Stadtwerke Crailsheim (ca. 4 Mio Euro).
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.