Wie ein lokales Smart Grid in Wertachau entsteht
Das „Smart Grid“, also das schlaue Stromnetz, das auf Angebot und Nachfrage von Strom reagieren kann, ist das zentrale Element einer Energiewende, wie wir sie von CleanThinking definieren. Denn das „Smart Grid“ funktioniert zunächst quartiersweise: steuert und erzeugt beispielsweise den Strom für und die Geräte von einer gewissen Anzahl von Haushalten eines Wohngebietes. Dazu werden mit Blockheizkraftwerken und Speichern auch die Winterlücken geschlossen. Wie ein solches lokales Smart Grid in der Realität funktioniert, zeigen jetzt zwei Unternehmen in der Nähe von Augsburg.
Schwabmünchen / 4. Juli 2014. Mehr als 110 Haushalte sind an eines der größten Smart Grid-Projekte Deutschlands in Schwabmünchen, genauer in der Siedlung Wertachau, angeschlossen. Technisch umfasst es die Steuerungseinheit „Smart Operator“, ein zentraler Batteriespeicher, intelligente Stromzähler in den Haushalten sowie Haushaltsgeräte, die sich nach Bedarf steuern lassen.
Die Lechwerke (LEW) und RWE Deutschland haben das lokale Smart Grid nach zwei Jahren Vorbereitungszeit zum Leben erweckt. Es ist eines von drei „Smart Operator“-Projekten, die der Energiekonzern RWE bundesweit gerade umsetzt. Im Ort sind mehr als 20 Photovoltaikanlagen vorhanden, die mit den zentralen Komponenten kommunizieren.
Smart Operator als Gehirn des Smart Grid
Gesteuert werden alle Bausteine, etwa intelligente Haushaltsgeräte und Heizsysteme, Batteriespeicher oder eine regelbare Ortsnetzstation, durch den Smart Operator. Er ist quasi das Gehirn des intelligenten Netzes. Der kleine, kompakte Computer managt mit einer speziell für das Projekt programmierten Software selbstständig das Ortsnetz und die intelligenten Bausteine.
Das Smart-Operator-Projekt in der Wertachau wurde im Mai 2012 gestartet. Insgesamt wurden 160 alte Stromzähler durch Smart Meter von den LEW ersetzt. Sie messen Spannung und Verbrauch eines Haushalts und übertragen die ermittelten Werte über ein Glasfasernetz. In der zweiten Projektphase wurde das Netz um intelligente Bausteine wie Energiespeicher, Wärmepumpen und intelligente Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Geschirrspüler oder Wäschetrockner erweitert. Neben dem zentralen Batteriespeicher wurde auch eine Ladesäule für Elektroautos in Betrieb genommen. Den Projektteilnehmern werden Elektroautos zum Testen zur Verfügung gestellt.
Smart Operator-System lernt permanent dazu
Außerdem wurde der Smart Operator in das Stromnetz integriert. Er ermittelt unter anderem anhand von Wetterprognosen die zu erwartenden Einspeisungen sowie Lasten, Aufnahmefähigkeit und Speichermöglichkeiten im Stromnetz. Er stimmt diese Faktoren auf Basis der aktuellen Messwerte aufeinander ab und bringt sie in Einklang. Der von der PSI AG, einem Spezialanbieter für Netzleittechnik, entwickelte Smart Operator arbeitet auf Basis eines von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH) entwickelten Steuerungsmodells.
Bis Ende 2015 wollen die Lechwerke und RWE praktische Erfahrungen beim Betrieb des intelligenten Stromnetzes sammeln. Dabei lernt das Smart-Operator-System permanent dazu und optimiert den Einsatz der Bausteine immer weiter, sodass Stromerzeugung und -verbrauch in der Siedlung möglichst im Einklang sind.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.