Luftverkehr der Zukunft: Wie Fliegen klimafreundlicher wird
Umweltbundesamt legt im Vorfeld der Konferenz Luftverkehr der Zukunft kommende Woche in Berlin Studie zum grünen Fliegen vor.
Der Flugverkehr ist aufgrund seiner Internationalität extrem schwierig zu regulieren. Staaten, die vom Fliegen profitieren, blockieren traditionell wichtige Entscheidungen. Abzulesen war das zuletzt auch wieder bei der Icao-Versammlung Anfang Oktober, als das UN-Klimaschutzprogramm CORSIA verabschiedet wurde. Zwar stand am Ende eine Resolution, die aber nicht nur von Medien und Umweltschützern als schwammig bezeichnet werden kann. Klar ist aber: Bislang wird bei der Diskussion über den Luftverkehr der Zukunft eher dem wirtschaftlichen Interesse der Fluglinien gefolgt als globalen Klimaherausforderungen.
Dabei sind die Rahmenbedingungen erdrückend: In den letzten 30 Jahren bis 2017 hat sich der Luftverkehr auf vier Milliarden Passagiere verdoppelt. Die ICAO geht davon aus, dass der Flugverkehr auch künftig um 5 Prozent pro Jahr zunehmen wird. Für Deutschland bedeutet das etwa, statt 120 Millionen Fluggästen ein Wachstum auf 175 Millionen im Jahr 2030.
Oft wird der Anteil des Luftverkehrs an den Emissionen klein geredet. Richtig ist, dass zwei bis drei Prozent des globalen CO2-Ausstoßes direkt den Flugzeugen zugerechnet werden kann – ein verhältnismäßig kleiner Anteil. Richtig ist aber auch, dass durch die Flugzeuge, Methan, Lachgas oder Wasserdampf freigesetzt werden – und auch Feinstaub und Stickoxide erheblichen Anteil auf die Wirkung der Klimagase in luftiger Höhe haben.
Teilweise, so sagt auch Prof. Volker Quaschning, wirken die Treibhausgase in der Reiseflughöhe der Passagiermaschinen zum Teil zwei- bis dreimal stärker als am Boden. Nimmt man diese wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu, zeigt sich: Der Flugverkehr ist heute bereits mit fünf bis acht Prozent an der globalen Klimaerwärmung beteiligt – angesichts des prognostizierten Passagieraufkommens mit stark steigender Tendenz.
Mit dem UN-Klimaschutzprogramm CORSIA – die Abkürzung steht für Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviation – soll ab 2021 ein wichtiges Ziel erreicht werden: Durch diesen Zertifikatehandel und der Nutzung der daraus resultierenden Einnahmen sollen Wachstum des Luftverkehrs und Wachstum der Emissionen voneinander entkoppelt werden, um grünes Fliegen zu ermöglichen.
Kurz gesagt: Ziel des Emissionshandelssystems ist es, dass die CO2-Emissionen ab 2021 konstant bleiben – und nicht weiter steigen als im Durchschnitt der Jahre 2019 und 2020. „Bei der gesetzlich verpflichtenden Kompensation unter CORSIA werden Klimaschutzaktivitäten finanziert, die zu einer Reduktion des Treibhausgasausstoßes außerhalb des Luftverkehrssektors führen. Diese Klimaschutzprojekte, wie zum Beispiel der Betrieb von Windkraftanlagen oder Kleinstbiogasanlagen in Entwicklungsländern, müssen Qualitätskriterien erfüllen, die unter CORSIA festgelegt werden“, sagt Dr. Olaf Hölzer-Schopohl von der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt.
Für die Umweltintegrität der Kompensation ist es entscheidend, dass es ohne die Finanzierung durch CORSIA das Klimaschutzprojekt nicht gegeben hätte. Darüber hinaus muss sichergestellt sein, dass die Treibhausgasreduktion dauerhaft ist und dass diese CO2-Minderung tatsächlich nur einmal angerechnet wird.
Dr. Olaf Hölzer-Schopohl von der Deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt (Quelle)
Die nun verabschiedete Resolution, bei der auf die Entscheidung zu vielen Details wegen Uneinigkeit verzichtet wurde, unterstützt vor allem Airlines. 81 Staaten beteiligen sich an CORSA. Aber: Das System für den Luftverkehr der Zukunft soll laut der Resolution das einzige verpflichtende, marktbasierte System zum Ausgleich der CO2-Emissionen in der internationalen Luftfahrt sein, wie Airliners berichtet.
Bedeutet für europäische Fluggesellschaften, dass sie sich am innereuropäischen Emissionshandel EU-ETS nicht mehr beteiligen können. Denn Emissionen sollen nur einmal gezählt und ausgeglichen werden. Das striktere System wird also durch ein lascheres globales System ersetzt – kein Gewinn für den Klimaschutz, obwohl die Zeit davonläuft.
Grünes Fliegen: Was das Umweltbundesamt vorschlägt
Mehr als 50 Experten aus dem Umweltbundesamt haben sich in den letzten Monaten ausgiebig mit der Frage beschäftigt, wie der Luftverkehr der Zukunft gestaltet werden muss. Kernaussage der Studie, über die zuerst Spiegel Online berichtete: Fliegen muss teurer und stärker reguliert werden. Nur dann könnten die Folgen für Klima, Umwelt und Gesundheit der Anwohner in Grenzen gehalten werden.
Aus Sicht von Martin Schmied aus der Verkehrsabteilung des Umweltbundesamtes, wäre es schon ein Fortschritt, würde die steuerliche Bevorzugung des Fliegens gegenüber der Bahn beendet. Konkret empfehlen die UBA-Experten aus deutscher Sicht zahlreiche Maßnahmen, um den Luftverkehr der Zukunft grüner zu gestalten. Diese gehen weit über das, was die Bundesregierung im Klimaschutzpaket beschlossen hat, hinaus:
- Kerosin soll besteuert werden. Bislang werden auf den Flugtreibstoff keine Steuern bezahlt – eine Regelung, die auf ein Abkommen aus dem Jahr 1944 (!) zurückgeht.
- Internationale Flüge sind noch dazu von der Mehrwertsteuer befreit – auch dieser Umstand muss laut UBA beendet werden.
- Ein Teil der Einnahmen von geschätzt 12 Milliarden Euro sollte dazu verwendet werden, Bahnverbindungen zwischen Großstädten auszubauen und Kurzstrecken-Flüge überflüssig zu machen.
- Flughäfen sollen nicht mehr allein in der Verantwortung der Bundesländer liegen – es muss eine Koordinierung des Bundes geben, um den Verkehr effizienter zu organisieren und auch Lärmbelastungen zu reduzieren.
- Möglichst schnell sollte dem Kerosin ein zehnprozentiger Anteil synthetischen Kraftstoffs, etwa aus CO2, Wasser und Ökostrom, beigemischt werden.
- Letztlich könnte auch eine Begrenzung von Nonstop-Flügen, etwa über 19 Stunden nach Australien, zur Erreichung der Klimaziele beitragen. Denn diese belasten das Klima besonder stark.
Der Luftverkehr der Zukunft muss konsequent grüner gemacht werden. Nur dann kann vermieden werden, dass der Flugverkehr mit seinem rasanten Wachstum andere Klimaschutzmaßnahmen konterkariert. Die gleichnamige Konferenz, die kommende Woche in Berlin stattfindet, sollte große Beachtung geschenkt werden.
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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