Sabotage! Wie Teile der CDU die Energiewende vernichten wollen
Industrie und CDU-Mittelstandspolitiker pokern um Milliarden-Entschädigungen und die Zukunftsfähigkeit Deutschlands.
Die Energiewende und das Erreichen der Klimaziele hängen gerade am seidenen Faden. Während Experten betonen, das Klimapaket der Bundesregierung reiche niemals aus, um die Klimaziele für 2030 zu erreichen, wird die Onshore-Windkraft durch dubiose Passagen im Kohleausstiegsgesetz torpediert. Die Sabotage-Fäden ziehen offenbar CDU-Politiker, die der Mittelstandsvereinigung nahe stehen – und den Atomausstieg bis heute für einen Fehler halten.
von Ahlefeldt, Linnemann, Fuchs – ein bedeutender Flügel der CDU tut gerade alles, um die Energiewende zu sabotieren. Dabei bilden die drei Politiker eine unheilige Allianz, die selbst der stark vernetzte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier offenbar nicht im Griff hat. Stephanie von Ahlefeldt war früher Mitarbeiterin vom langjährigen CDU-Vize Michael Fuchs und später vom heutigen Vize und Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann.
Seit 5. September ist von Ahlefeldt im Wirtschaftsministerium Abteilungsleiterin für Energiepolitik – und damit maßgeblich am Kohleausstiegsgesetz beteiligt, das sich gerade in der Ressortabstimmung unter anderem mit dem SPD-geführten Umweltministerium befindet. Der aktuelle Status ist: Es ist vollkommen unklar, ob das Gesetz überhaupt bis Dezember verabschiedet wird. Der Grund: von Ahlefeldt und ihre Mitstreiter haben die Gesetze durch die Hintertür verschärft, so dass die SPD bislang nicht zustimmen kann.
von Ahlefeldt hat, so berichten u.a. die taz und Spiegel Plus, eine neue Schärfe ins Ministerium gebracht. Angeblich hatte Altmaier sogar versucht, die Besetzung des Postens durch von Ahlefeldt zu verhindern – seit aber vor dem Druck der Mittelstandsvereinigung eingeknickt. Anfang des Jahres hatte Altmaier die Mittelstandsfreunde brüskiert, weil er zuerst eine Industriestrategie auf den Weg brachte. Die Rache ist nun von Ahlefeldt, die die Energiewende-Sabotage betreibt.
Peter Altmaier sitzt zwischen den Stühlen. Er will die Energiewende deutlich stärker als die angesprochenen Parteifreunde. Gegenüber der SPD verkündet er bereits, Teile des Gesetzes würden im Januar nachgeliefert. Wie zerstritten die Partei im Hinblick auf die Energiepolitik ist, zeigt auch ein Podcast mit dem ehemaligen Umweltminister Klaus Töpfer, in dem dieser sagt: „Ich war am Schwachsinn Atomkraft beteiligt“ – und diesen Fehler nun am liebsten wieder gut machen würde.
Parteimitglieder wie Michael Fuchs, der schon nach Fukushima gegen den aus seiner Sicht übereilten Atomausstieg war, trommeln bereits dafür, die AKW-Laufzeiten zu verlängern und verbreiten das Märchen, es gäbe Kraftwerke, die abgebrannte Brennstäbe zur Stromerzeugung nutzen würden (Interview bei Cicero Online). Kernkraft-Lobbyist Fuchs sitzt zwar nicht mehr im Bundestag, hat aber weiterhin Einfluss.
von Ahlefeldt, die den Energiewende-Befürworter Urban Rid im Ministerium ablöste, ist beispielsweise maßgeblich für die strittige Passage zuständig, die zwar nicht den Abstand zwischen Windkraftanlage zu Wohnbebauung auf 1.000 Meter festschreibt – wohl aber für das entscheidende Detail: Die Definition von „Örtlichen Strukturen“ als lediglich fünf Häuser. Dieser Passus gilt als entscheidend dafür, dass die Onshore-Windkraft nach dem Windkraft-Schock nun komplett zum Erliegen kommen wird.
Ihr ehemalige Chef, Carsten Linnemann, kämpft schon seit vielen Jahren für größere Abstände zwischen Windkraftanlagen und Wohnbebauung. Jetzt wittert der CDU-Mann seine Chance, dieses Vorhaben durch die Sabotage der Energiewende endlich durchzusetzen.
Sabotage: Onshore-Windkraft ist out, Atomkraft in
Die Windkraft an Land wird vernichtet, mit der Atomkraft eine angeblich CO2-freie Technologie zurück auf die Agenda befördert. Bleibt nur noch die Frage, ob der Kohleausstieg Ernst gemeint ist oder ebenfalls sabotiert wird. Bemerkenswerte Passagen gibt es laut Spiegel Plus auch hierzu im Ausstiegsgestz. Dazu muss man wissen: Die noch am Netz befindlichen Steinkohlekraftwerke sollen per Auktionen vom Netz genommen werden.
Aber: Während das Handelsblatt noch vor einer Woche berichtete, den Unternehmen, die sich nicht an den Auktionen beteiligten, drohten Sanktionen, ist die ordnungsrechtliche Passage aus dem wenige Tage alten Entwurf laut Spiegel Plus verschwunden. Ebenfalls ein verheerendes Signal: Das Pannen-Kohlekraftwerk Datteln 4 sollte eigentlich schon seit 2011 am Netz sein – Klagen und Materialprobleme sorgten dafür, dass es erst jetzt kurz vor der Inbetriebnahme steht.
Während die Kohlekommission Anfang des Jahres empfahl, das Kraftwerk nicht mehr ans Netz zu nehmen, geht Betreiber Uniper vom Gegenteil aus und treibt den Start voran. Pikant daran: Uniper hat Stromabnahmeverträge mit der Deutschen Bahn und RWE, die beide aus den Verträgen längst aussteigen wollen. Die Bahn, weil Strom aus dem Uniper-Kraftwerk nicht zum 100-Prozent-Ökostrom-Ziel passt und Uniper, weil der vereinbare Strompreis teurer ist als der heute übliche Marktpreis.
Es ist der offensichtliche Versuch der CDU-Mittelstandspolitiker, die Energiewende zu vernichten. Ein weiterer Akt sind die Verhandlungen mit den Kohlekonzernen über den Braunkohleausstieg. Maßgeblich sind die Konzerne RWE und EPH. Das Wirtschaftsministerium beharrt offenbar auf Entschädigungssummen von maximal zwei Milliarden Euro, während die Konzerne 3-4 Milliarden oder noch mehr fordern. Möglicherweise landet der Streit mit den Tschechen von EPH vor einem internationalen Schiedsgericht.
Konsequenzen: SPD muss Große Koalition beenden
Am 29. November kommt es in Deutschland wieder zu einem großen Klimastreik, der auch wiederum global viele Millionen Menschen auf die Straße treiben wird. Wenige Tage danach wird die SPD über einen neuen Parteivorsitzenden abstimmen und darüber, ob die große Koalition der miesen Kompromisse fortgesetzt werden soll. Wenn die Partei noch einen Hauch staatspolitischer Verantwortung in sich trägt, muss sie die Koalition mit den Energiewende-Saboteuren von der CDU beenden.
Ein letzter Punkt ist bezeichnend für die Macht der Contra-Kräfte in der CDU in Sachen Klimaschutz und Energiewende: Die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer und ihre Fraktionskollege Jung, der das Klimakonzept der CDU im Eiltempo aufstellte, wollten vor der Sommerpause wirklich etwas bewegen – aber je mehr Zeit verstrich, umso unbedeutender und desaströser wurden die Pläne.
Das zeigt: Diese CDU hat keinerlei staatspolitische Verantwortung mehr, sondern ist aufgrund der AfD-Erfolge nur noch nervös, uneins, dominiert von einem Haufen reaktionärer Kräfte, die aus welchen Gründen auch immer die Energiewende-Sabotage zum Ziel haben. Die haben nur ein Ziel: Friedrich Merz zum Bundeskanzler zu machen. Aus Sicht von Klimaschutz und Energiewende ein Szenario, das noch verheerender wäre als alles was, Fuchs, Linnemann und von Ahlefeldt gerade anrichten.
Dieser Artikel über das Sabotage-Trio mit Carsten Linnemann an der Spitze entstand am 18. November 2019. Am 11. Juli 2023 wurde bekannt: Carsten Linnemann wird Generalsekretär der CDU Deutschlands unter dem Parteivorsitzenden Friedrich Merz. Ausgerechnet der Energiewende-Saboteur soll die Geschickte der Partei in der Öffentlichkeit lenken. Das zeigt: Sabotage war gestern, jetzt geht es um offene Konfrontation gegen Energiewende und Klimaschutz-Maßnahmen.
Damit wird die CDU-Sabotage an der Energiewende munter weitergehen. Der Rechtsruck der Union unter Friedrich Merz ist unverkennbar und fatal.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
[…] Quelle – Cleanthinking: Lest bitte den ganzen Artikel, im speziellen den Teil „Sabotage: Onshore-Windkraft ist out, Atomkraft in“. […]
@Ulrich Bemmann
Arbeitsplätze in der erneuerbare Energiebranche : 350.000+
in Kohle ca. 12.000
Subventionen für Erneuerbare Energie pro Jahr ca. 2 Mrd. (stark fallend)
in Kohle direkt 5 Mrd €; indirekt ca. 20 Mrd. €
Natürlich freuen sich die RWE, Uniper und die andere über die Abfindungen 1,4 – 1,5 Mrd. €/GW. Es ist so, als wenn ich meinen alten 100 kW Diesel stehen lasse und dafür 140.000-150.000€ bekommen würde. Bin dabei!
Datteln 4 wurde von Uniper 2017 mit ca. 0,5 Mrd € vollständig abgeschrieben! Jetzt wollen die 1,5 Mrd €.
Und die EEG Umlage ist schon längst dafür da, um für die abgeschalteten AKWs und jetzt Kohlekraftwerke an die Betreiber auszuzahlen.
Zum Bericht, hier kann man fasst alles nachlesen: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/152/1915230.pdf
Traurig, dass die Lobbyarbeit vor allem bei den Energiewende-Verhindern so gut läuft. Bedenkt man, wie viele Arbeitsplätze bei den erneuerbaren Energien vernichtet wurden sind, fragt man sich, warum die Mittelstandsvereinigung dort keinen Druck macht. Momentan erleben wir das ja gerade wieder in der Windenergiebranche…
https://www.sonnenseite.com/de/wirtschaft/30-jahre-aufbruch-ost-von-pleiten-und-hoffnungen.html