Abkehr von fossilen Brennstoffen: Weltgemeinschaft beschließt COP28-Dokument
Jennifer Morgan: „Unmissverständliches Signal, dass die Zukunft in erneuerbaren Energien liegt.“
Die Weltgemeinschaft hat im Rahmen von COP28 eine Abschlusserklärung vorgelegt, in der die „Abkehr von fossilen Brennstoffen“ betont wird. Damit hat die UN-Klimakonferenz in Dubai aber das Ziel verfehlt, einen klaren Ausstiegspfad („Phase-Out“) zu definieren. Diesen Text hatten weit mehr als 100 Ländervertreter gefordert. Sultan Al-Jaber, der COP-Präsident, sprach strahlend von einem „historischen Paket“ – das 1,5-Grad-Ziel ist nach Einschätzung von Wissenschaftlern und Umweltverbänden aber mehr als gefährdet.
Das beschlossene „historische Paket“ mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen (Livestream der Abschluss-Sitzung) sei ein robuster Aktionsplan, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Es sei Konsens der Staaten, den Kampf gegen den Klimawandel zu verstärken. 2015 hatte die Weltgemeinschaft das internationale Ziel vereinbart, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Anstatt lediglich verschiedene Handlungsmöglichkeiten darzustellen, werden die Vertragsstaaten ausdrücklich dazu aufgefordert zu handeln. Dadurch wird ein wichtiger Kritikpunkt der EU und der als ehrgeizig geltenden Länder ausgeräumt. Gleichzeitig wird auf die verschiedenen Entwicklungspfade und Ansätze der verschiedenen Länder Bezug genommen.
Es sei ein robuster Aktionsplan, um das 1,5-Grad-Ziel in Reichweite zu halten. Gemeint ist das 2015 international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Dies hatten viele Klima-Experten und Umweltschützer zuvor in Zweifel gezogen. Aus Sicht des EU-Abgeordneten Michael Bloss steht mit dem Kompromiss dass „Geschäftsmodell der Fossil-Lobby vor dem Aus“. Investitionen in erneuerbare Energien würden den Planeten vor dem Kollaps bewahren und Investitionen ankurbeln.
Abschlussdokument: Abkehr von fossilen Brennstoffen
Der Text der Konferenz-Präsidentschaft aus den Vereinigten Arabischen Emiraten war am Morgen veröffentlicht und bereits wenige Stunden später im Plenum angenommen worden. In dem 21-Seiten-Papier werden die Staaten zur Abkehr von fossilen Brennstoffen aufgefordert. Das Abschlussdokument, das zur Abkehr von fossilen Brennstoffen auffordert, ist hier nachlesbar:
Mehr als100 Länder verlangten zuvor eine strengere Formulierung, nämlich eine schrittweise Beendigung (Phase-Out). Jedoch bietet der Text auch Möglichkeiten für Kompromisse – wie die fortgesetzte Nutzung von Gas und den Einsatz kontroverser Technologien zur CO2-Speicherung und -Abscheidung.
Die internationale Gemeinschaft sollte auch den Rückgang der ungehinderten Nutzung von Kohlestrom vorantreiben. Dadurch behalten Länder wie China und Indien eine Option offen, um theoretisch einen Teil ihrer Kohlekraftwerke beizubehalten. Ineffiziente fossile Brennstoffe, die weder zur Bekämpfung von Energiearmut noch zu einem gerechten Wandel beitragen, sollten so schnell wie möglich reduziert werden.
Ein Bestandteil des Energiepakets ist auch, bis 2030 die Kapazität der Erneuerbaren Energien zu verdreifachen und die Energieeffizienz zweimal so schnell wie bisher jährlich zu steigern. Im Vorfeld wurde dieses Vorhaben als einer der weniger umstrittenen Verhandlungspunkte angesehen. Jedoch gibt es in der vorläufigen Einigung keine konkrete Zielmarke bezüglich der Erneuerbaren Energien.
Unmittelbar nach den durchgeführten Energiemaßnahmen wird auf die Bedeutung von Übergangsbrennstoffen hingewiesen, welche eine Rolle bei der Energiewende spielen und die Energiesicherheit gewährleisten können. Klimaschützer*innen betrachten den Begriff Übergangsbrennstoffe lediglich als eine andere Bezeichnung für Erdgas. Diese Passage könnte als Zugeständnis an öl- und erdgasproduzierende Länder wie Saudi-Arabien, Russland und Iran interpretiert werden. Insgesamt ist kaum noch ein Einfluss dieser Staaten im vorläufigen Beschluss erkennbar.
Der Verlauf der Klimakonferenz COP28 war überraschend. Am Montagabend wurde von der Präsidentschaft ein endgültiger Text für den Global Stocktake vorgelegt. Dieser Text enthielt keine Formulierungen für einen Ausstieg aus Öl, Kohle und Gas mehr, sondern nur noch Handlungsoptionen zur Eindämmung. Dadurch waren Umweltschutzorganisationen und Vertreter vieler Staaten entsetzt.
Politische Reaktionen zum COP28-Deal
UN-Generalsekretär Antonio Guterres begrüßte den Beschluss: „Die Wissenschaft sagt uns, dass eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad ohne den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen unmöglich ist. Dies wurde auch von einer wachsenden und breiten Koalition von Ländern auf der COP28 anerkannt“, schrieb Guterres auf X, vormals Twitter. „Das Zeitalter fossiler Brennstoffe muss enden – und es muss mit Gerechtigkeit enden.“
Die Bundesregierung stellt sich hinter den Beschluss der UN-Klimakonferenz zur Abkehr von fossilen Brennstoffen. Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) falle ein „riesen Stein vom Herzen„, hieß es aus der deutschen Delegation in Dubai. „Große Freude in der deutschen Delegation und bei der Außenministerin, dass die Welt das Ende des fossilen Zeitalters beschlossen hat.“
„Die Welt hat gerade auf der #COP28 eine historische Entscheidung getroffen, um einen unumkehrbaren, beschleunigten Übergang weg von fossilen Brennstoffen einzuleiten. Damit haben wir erreicht, was wir uns vorgenommen haben: das 1,5-Prozent-Ziel in Reichweite zu halten und den Anfang vom Ende der fossilen Brennstoffe zu markieren“, so Wopke Hoekstra, EU-Klimakommissar zur Abkehr von fossilen Brennstoffen.
„Wir stehen hier in einem Ölland, umgeben von Ölländern, und wir haben die Entscheidung getroffen, von Öl und Gas wegzukommen“, sagte der dänische Minister für Klima und Energie Dan Jorgensen.
„Die Welt hat heute auf der COP28 einen historischen Beschluss gefasst, der sich stark an der 1,5°C-Grenze orientiert. Es ist ein unmissverständliches Signal, dass die Zukunft in erneuerbaren Energien und in der Abkehr von fossilen Brennstoffen liegt. Zum ersten Mal haben Länder den Beschluss gefasst, von fossilen Brennstoffen wegzukommen und die Maßnahmen in diesem kritischen Jahrzehnt zu beschleunigen. Heute haben wir gezeigt, dass der Multilateralismus Früchte trägt. Morgen werden wir diese Entscheidungen vorantreiben. Wir müssen schnell sein. Wir müssen überlegt handeln, mit Ehrgeiz und Solidarität für Klimagerechtigkeit“, bilanzierte Jennifer Morgan, Staatssekretärin im Bundesaußenministerium.
„Durchbruch beim Weltklimagipfel! Zum ersten Mal fordert die Welt vorsichtig den Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas. Die fossile Front bröckelt! Gestern stand die zentrale Forderung nach einem Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe auf einmal nicht mehr im Text. Aber Dank des internationalen Aufschreis steht nun zum ersten Mal in der Geschichte der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen festgeschrieben.“ (Michael Bloss, EU-Abgeordneter der Grünen)
„Diese COP28 markiert den Beginn des Endes der Ära der fossilen Brennstoffe. Es ist eine historische Entscheidung. Zum ersten Mal in Jahrzehnten der Klimadiplomatie haben sich rund 200 Länder darauf geeinigt, den Ursprung der Klimakrise anzugehen: unsere Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen,“ so Teresa Ribera, Ministerin für den ökologischen Übergang und die demografische Herausforderung Spaniens.
Reaktionen von Umweltverbänden
„Dieser Entwurf ist eine dringend benötigte Verbesserung gegenüber der letzten Version, die zu Recht für Empörung sorgte. …. Die Formulierung zu fossilen Brennstoffen ist deutlich verbessert, bleibt aber immer noch hinter der Forderung nach einem vollständigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas zurück“, findet Stephen Cornelius vom WWF.
„Die Zeit, unbegrenzt Öl ins Feuer zu gießen, ist vorbei. Auf der Klimakonferenz in Dubai ist es gelungen, auch die Öl- und Gasstaaten zu einer Zusage zur Abkehr von den fossilen Energien zu bewegen. Damit wurde erstmals das Kernproblem der Klimakrise benannt, nachdem Jahrzehnte lang auf dem internationalen Parkett darum herumgetänzelt wurde. Das ist ein immens wichtiges Signal – auch gegen die Erschließung neuer Öl- und Gasquellen“, sagt Viviane Raddatz, Klimachefin vom WWF Deutschland.
„Die erstmalige Einigung der Staatengemeinschaft auf einen „Übergang“ weg von fossilen Energieträgern ist ein Wendepunkt in der globalen Klimaschutzpolitik. Die Formulierung mag noch weich sein, aber das Signal ist doch fundamental. Das gilt auch für die überwältigende Mehrheit der Staaten, die sich mittlerweile hinter ehrgeizigen Klimaschutz stellen. Wichtig ist, im Kopf zu behalten, dass Klimaschutz kein Selbstzweck ist, sondern die Grundlagen unseres Lebens schützt und darüber hinaus einen Modernisierungs- und Innovationsschub auslöst. Wie so oft am Ende von großen Konferenzen gilt: Worten müssen nun dringend auch Taten folgen. Mit dem Klimaclub, dem internationalen Interesse an CO2-Handelssystemen und dem Global Methan Pledge zeichnet sich hier bereits Bewegung ab“, so Carolin Friedemann, Geschäftsführerin der Initiative Klimaneutrales Deutschland (IKND).
Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking.de:
„Immerhin geht die glasklare Botschaft an alle Ewiggestrigen raus: Erneuerbare sind die Zukunft und lösen fossile Brennstoffe ab. Atomkraft spielt eine kleine Rolle, nicht mehr. CCS wird kommen, aber nicht als ganz große Lösung, weil unfinanzierbar. Auf diese neuen Rahmenbedingungen müssen sich auch die Schnarchnasen von AfD, FDP und Union einlassen. Sonst gehen sie massiv baden. Der herzliche Dank gilt in jedem Fall Annalena Baerbock, Jennifer Morgan und Olaf Scholz sowie allen Anderen, die zum Erreichen eines Abschlussdokuments beigetragen haben.“
Im Laufe des Tages werden Statements und Stellungnahmen hier ergänzt.
Lesen Sie auch:
- Fossile Brennstoffe und CCS: Fauler Kompromiss bei COP28? (cleanthinking.de)
- COP28: Entscheidet Paragraph 35 über Menschheits-Schicksal (cleanthinking.de)
- Triple Nuclear Energy Pledge: Greenwashing bei COP28 (cleanthinking.de)
- Was ist der Klimaclub von Olaf Scholz? (cleanthinking.de)
- Klimaschäden-Fonds: Durchbruch der COP28-Länder (cleanthinking.de)
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.