Cleantech-Unternehmen Aeromine Technologies verspricht mehr Energieausbeute im Vergleich zu Photovoltaikanlagen.
Ein amerikanisches Cleantech-Startup behauptet, eine Windenergieanlage zu entwickeln, die bei identischen Kosten 50 Prozent mehr Energie erzeugen soll als Photovoltaikanlagen auf Dächern. Die Windturbine der Aeromine Technologies ist „blattlos“ und wird dadurch als besonders leise beschrieben. Eingesetzt werden könnte die neue Technologie der Energiewende auf Bürogebäuden, Mehrfamilienhäusern, Industrie- und Logistikhallen. Bislang konnten sich vertikale, kleine Windkraftanlagen wegen mangelhaftem Ertrag und somit miserabler Wirtschaftlichkeit nicht durchsetzen – was steckt hinter der blattlosen, kleinen Windkraftanlage für Gebäude?
Die rudimentären Angaben zur Windkraftanlage der Aeromine Technologies klingen zu schön, um wahr zu sein:
- 50 Prozent mehr Energieertrag als Photovoltaikanlagen bei gleichen Kosten.
- Skalierbare Technologie
- „Bewegungslose“ Windenergieanlage
- Energieerzeugung rund um die Uhr
- Praktisch geräuschlos
- Platzsparend: Nur 10 Prozent des Platzes von Solarzellen benötigt
- Da wenig Verschattung: Kombination mit Photovoltaik möglich
Als Erklärung für die wundersame Technologie wird unter anderem die besondere Aerodynamik angeführt, die den Tragflächen eines Rennwagens oder Flugzeugs ähneln soll. Doch anders als beim Rennwagen soll damit nicht der Luftwiderstand verringert werden, sondern der Luftstrom soll eingefangen und verstärkt werden. Steht die Anlage auf einem Dach, nutzt sie die aerodynamische Wirkung der darunter liegenden Wand. Das Gebäude verstärkt so nach Angaben vom Unternehmen die Windgeschwindigkeit. Der Wind wird zwischen zwei Tragflächen eingezogen.
Trifft der Wind auf diese Tragflächen, entsteht den Angaben zufolge ein Unterdruck, der den Wind durch einen internen Propeller an die Unterseite des Kastens saugt und von unten nach oben durch die Anlage bewegt. Es sind keine von außen sichtbaren Propeller zu sehen, es sei denn man steht nahe unterhalb der Anlage. Hierdurch wird quasi die Energieerzeugung direkt mit dem Gebäude verbunden. Die Turbine der Aeromine Windkraftanlage wandelt die Bewegungsenergie der Luft in elektrische Energie für das Gebäude um.
Der „Kopf“ hinter der Technologie ist David Asarnow, seit April 2020 der CEO (Geschäftsführer). Er sagt: Die Aeromine-Technologie sei entscheidend für die Vor-Ort-Stromerzeugung der Zukunft, denn sie minimiere die Einschränkungen, die es durch drehende Windturbinen und weniger effiziente Solarzellen gebe.
Asarnows Co-Gründer ist u.a. der dänische Marketingspezialist Claus Loenborg und Martin Manniche. Manniche verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Skalierung innovativer Technologien in den Bereichen fortschrittliche Fertigung, Netzwerke und Unternehmenssoftware.
Der Windkraftexperte im Team und vierte Mitgründer ist Dr. Carsten H. Westergaard, der als Technikchef agiert. Er hat jahrzehntelange Erfahrung bei Windkraftunternehmen wie Vestas vorzuweisen. Im Laufe seiner Karriere hat er an innovativen Projekten zum Bau und zur Erprobung kleiner und großer Windenergieanlagen mit führenden Unternehmen sowie an Forschungsprojekten mit Organisationen wie der Dänischen Technischen Universität und den Sandia National Laboratories teilgenommen.
Westergaard formulierte die patentierte Technologie der Aeromine Technologies während seiner Zeit als Professor an der Texas Tech University, wo er Windenergietechnik auf Graduiertenebene lehrte.
BASF Corporation: Test der Windturbine der Aeromine Technologies
Die BASF Corporation testet das System der Aeromine Technologies auf den Gebäuden einer Produktionsanlage in Wyndotte im US-Bundesstaat Michigan. Weitere Einsatzgebiete zu Beginn dürften Lagerhallen sein, in der eine große Zahl der besonderen Windkraftanlagen platziert werden können. Später sind auch Mehrfamilienhäuser denkbar – auch und gerade, um den wachsenden Energiebedarf durch die Elektrifizierung mit Wärmepumpen oder Elektroautos abzufedern.
Um das Versprechen einzuhalten, bei identischen Kosten 50 Prozent mehr Energieertrag zu bringen, müssen die Windkraftanlagen aber in großem Maßstab hergestellt und somit günstiger werden. Das Cleantech- Unternehmen plant, die Windturbine bis Ende des Jahres 2022 auf den Markt zu bringen.
AEC Angels unterstützen Technologie mit Risikokapital
Die Risikokapital-Investitionsplattform AEC Angels hat im Januar 2023 in das Unternehmen hinter der blattlosen kleinen Windkraftanlage investiert. Die Höhe der Finanzierung ist nicht bekannt. Aeromine Thornton Tomasetti ist über sein Investmentvehikel TTWiiN IP eingestiegen, um der blattlosen kleinen Windkraftanlage für Gebäude in den Markt zu verhelfen.
Kapital von der dänischen Energieagentur
Im November 2023 gab das Cleantech-Unternehmen bekannt, 1,1 Millionen US-Dollar aus einem Programm der dänischen Energieagentur erhalten zu haben. Damit sollen Leistungstests an verschiedenen Gebäuden durchgeführt werden. Prof. Christian Bak, Leiter der Abteilung für Tragflächen- und Rotordesign an der Technischen Universität Dänemark, erklärt. „DTU Wind wird eine Strömungsmodellierung für verschiedene Gebäudetypen durchführen und die Leistung der Aeromine messen, um verbesserte Algorithmen zur Abschätzung der Energieproduktion und der optimalen Dachplatzierung abzuleiten.“
Mittlerweile, Stand November 2023, hat Aeromine mehrere Pilotanlagen produziert und installiert. 2024 soll dann die kommerzielle Windkraftanlage für Gebäude in Serie produziert werden. Die Unternehmensinhaber berichten von großem Interesse an der Technologie, die ein Teil der Lösung des Klimaproblems sein soll.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de
Vertikalachsige und kleine, geräuscharme Windturbinen konnten sich bislang im Markt nicht durchsetzen. Doch immer wieder versuchen Unternehmen, neue, vermeintlich einfachere Lösungen auf den Markt zu bringen – wie etwa World Wide Wind. Dabei sind heutige Windkraftanlagen das Ergebnis jahrelanger Erforschung in Windkanälen und von den klügsten Ingenieuren der Welt.
Die Informationen zur Technologie von Aeromine Technologies sind äußerst dürftig. Oft ist dies ein Zeichen dafür, dass eine neue Lösung den Versprechen nicht standhält. Dennoch ist ein medialer Hype um die Technologie ausgebrochen – doch auch das muss nichts heißen. Entscheidend wird, ob BASF Corporation und andere Unternehmen mit den Energieerträgen zufrieden sein werden. Ist das der Fall, könnte uns die Technologie sehr überraschen. Besonders wahrscheinlich ist es allerdings nicht.
Dieser Artikel entstand am 22. Oktober 2022 und ist seitdem mehrfach aktualisiert worden, zuletzt im November 2023.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.