Seit 2019 verkauft Air Company CO2-negativen Wodka aus Kohlendioxid und Wasser. Jetzt kommt klimafreundlicher Flugzeugtreibstoff Airmade SAF dazu.
Um Wodka zu destillieren, benötigt man Zucker oder Stärke und vor allem Hefe – bei der Vergärung wird Kohlendioxid freigesetzt. Bisher. Das Cleantech-Startup Air Company stellt seine Wodka-Marke auf Basis von Kohlendioxid her – und benötigt keine Hefe mehr. Kern der Innovation ist die Alkoholproduktion, die durch die Natur inspiriert wurde. Zu kaufen gibt es den C02-negativen Wodka schon seit November 2019. Doch jetzt geht das Unternehmen zwei Schritte weiter, und führt mit Airmade SAF besonders klimafreundlichen Flugzeugtreibstoff ein. Erste Kunden gibt es auch schon.
Dass Ingenieure aus Kohlendioxid, Wasser und Ökostrom sowohl Rohölersatz als auch Kraftstoffe oder sogar Clean Food kreieren können, ist bekannt. Neu ist, was das bis November 2019 im Stealth Mode befindliche Cleantech-Startup Air Company macht: Es gewinnt aus den selben Zutaten den Alkohol für die Wodka-Produktion.
Dabei ist die Technologie inspiriert von der Photosynthese in der Natur, wo Pflanzen CO2 zum Wachstum nutzen. Sie nehmen Wasser auf auf, und nutzen Energie in Form von Sonnenlicht, um etwa Zucker und andere höherwertige Kohlenwasserstoffe herzustellen. Einziges Nebenprodukt ist Sauerstoff.
Alkohol als Klimaretter
Vergleichbar ist die Technologie von Air Company zur Gewinnung von Alkohol auf Basis von Kohlendioxid, Wasser und Sonnenlicht. Während die Herstellung einer typischen Flasche Wodka etwa 6,5 Kilogramm Treibhausgas verursacht, ist die Wodka-Herstellung von Air Company CO2-negativ – nutzt also mehr Kohlendioxid als danach wieder freigesetzt wird. Air Company-Wodka ist ein kleiner Klimaretter. Das CO2 stammt aus nahegelegenen Fabriken – ein Großteil pikanterweise aus der herkömmlichen Alkoholproduktion.
Das so gefilterte CO2 wird in der eigenen Destillerie von Air Co, in Brooklyn zur Herstellung des Wodkas verwendet. Zunächst wird aber Wasser per Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff geteilt. Anschließend wird der Wasserstoff mit dem CO2 kombiniert. Das passiert in einem Reaktor in Verbindung mit einem speziellen Katalysator – darin liegt das Geheimnis des Unternehmens, also quasi die Coca-Cola-Formel von Air Company.
Durch die Kombination entstehen Alkohol und Wasser. Durch Destillation wird das Wasser entfernt. Der gesamte Prozess wird natürlich mit Solarenergie durchgeführt, so dass am Ende ein CO2-negatives Produkt entsteht. Der so entstandene Wodka hat einen höheren Reinhaltsgrad als Wodka, der traditionell aus Hefe hergestellt wird. Denn bei der Fermentation kommt es zu Verunreinigungen, die durch Destillation schwer zu entfernen sind.
Luft-Wodka in Sterne-Restaurants und Bars
Wie der Air Co.-Wodka von CEO Gregory Constantine und CTO Staff Sheehan schmeckt, ist nicht bekannt. Untrügliches Zeichen dafür, dass die Qualität gut sein muss, ist die Tatsache, dass das Getränk in Sterne-Restaurants etwa im Eleven Madison Park sowie in den beliebtesten Bars der Stadt aufgenommen wurde. Online ist der Wodka auf der Plattform Drizly und bei weiteren Händlern zu beziehen.
Dabei zeigt sich ein weiterer Vorteil des Kohlendioxid-Alkohols: Der Platzbedarf ist wesentlich geringer als der einer traditionellen Destillerie. So kann der Bedarf im urbanen Umfeld gedeckt werden – ein bißchen mehr Dezentralität also, die perspektivisch Transporte vermeiden könnte. Klar ist aber auch: Air Company nennt sich nicht ohne Grund „Luft-Unternehmen“ (The Air Company): In Zukunft sind viele weitere Produkte aus ähnlichen Zutaten aus dem Hause des Cleantech-Startups zu erwarten.
Übrigens: Wer Appetit bekommen hat – eine Flasche des speziellsten Wodkas der Welt kostet 65 Dollar.
Nächster Schritt: Airmade SAF
Air Company hat Ende September 2022 einen bemerkenswerten, neue Schritt verkündet, der wiederum auf der Basistechnologie, aus der auch der Wodka entsteht, beruht. Allerdings geht es diesmal nicht um die Ethanol-Produktion, sondern die effiziente Wandlung von Kohlendioxid und Wasserstoff in umweltfreundlichen „Sustainable Aviation Fuel“ – bei Air Company als „Airmade SAF“ oder auch „E-Jet“ bezeichnet. Einen unbemannten Erstflug mit dem klimafreundlichen, CO2-neutralen Treibstoff, der 97 Prozent weniger Kohlendioxid freisetzt, hat zuletzt die Luftwaffe absolviert.
Wie groß die Herausforderung ist, den kommerziellen Weltluftverkehr mit „Airmade SAF“ klimafreundlich zu machen, zeigt diese Zahl: 300 Millionen Tonnen Treibstoff verschlingt das Fliegen. Erste Anbieter wie Neste bieten bereits alternative SAF-Treibstoffe auf Basis von Abfällen. Air France-KLM baut ein Werk zur Herstellung nachhaltigen Kerosins – um ab 2023 100.000 Tonnen herzustellen. Aber das, was Air Company präsentiert hat, ist aus Klimagründen mindestens eine Liga besser, denn übliche SAF schaffen nur Emissionsminderungen von maximal 85 Prozent.
Wie groß die Erwartungen sind, dass Air Company nun schnell skalieren kann, zeigt die Anzahl der Kunden, die bereits zugesagt haben, eine Milliarde Gallonen Airmade SAF zu kaufen. Dazu zählen JetBlue, Virgin Atlantic und Boom Supersonic, das Cleantech-Unternehmen, dass das schnellste Verkehrsflugzeug der Welt baut. Die Luftfahrtindustrie gilt als eine besonders schwer zu dekarbonisierende Branche, die für 2-3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist.
Unser Ziel als Unternehmen war es immer, in Branchen zu expandieren, in denen unsere Technologie den größten Einfluss und die größte CO2-Reduktion haben wird. Wir haben im Stillen an dieser Innovation gearbeitet und sind stolz darauf, diese SAF-Technologie und ihre Vermarktung in Partnerschaft mit einigen der einflussreichsten und innovativsten Unternehmen der Welt vorzustellen.
Gregory Constantine, CEO und Mitbegründer von Air Company
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.