Erstes chinesisches Elektroauto Aiways U5 kommt im August als Leasing-Fahrzeug auf den deutschen Markt.
Es ist eine schwierige Zeit für die deutsche Automobilindustrie, allen voran BMW, Daimler, VW und Audi. Das Konjunktur- und Zukunftspaket der Bundesregierung hat gezeigt, dass vorlaute Lobby-Arbeit nicht (mehr) funktioniert – die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer Verbrenner-Prämie wurde gestrichen. Eine Million Autos steht „auf Halde“ und wartet auf den Abverkauf – und jetzt kommt auch noch die chinesische Konkurrenz mit schicken und ausgesprochen erschwinglichen Elektroautos nach Deutschland: Die ersten 500 Aiways U5 sind aus China auf dem Weg nach Europa.
Im November 2019 berichtete Cleanthinking.de über das Elektro-SUV Aiways U5 aus China unter dem Titel: Aiways U5: E-SUV mit der Lizenz zum Bestseller. Einige Monate später kommt die chinesische Bedrohung für die deutsche Automobilindustrie sekündlich näher – Aiways hat die ersten 500 Aiways U5-Modelle verschifft. In Kürze sollen damit auch in Deutschland bei Partner Euronics Probefahrten möglich werden.
Ab August wird das SUV, das bislang viel Lob aus der deutschen Elektroauto-Szene erfährt, dann zunächst als Leasing-Modell zu den Kunden ausgeliefert werden. Partner im Vertrieb ist der Elektronik-Spezialist Euronics, Partner für Wartung ist das bundesweite Werkstatt-Netz von ATU. An der Entwicklung hat Roland Gumpert, der ehemalige Audi-Ingenieur seine Finger im Spiel.
Gumpert leitet die Ingolstädter Gumpert Aiways Automobile und will die für den Supersportwagen Nathalie entwickelte Methanol-Brennstoffzelle künftig auch in den Aiways-Modellen unterbringen. Lesen Sie hier mehr über Methanol als Energieträger der dritten industriellen Revolution. Neben dem Aiways U5 hat der chinesische Autobauer, an dessen Spitze erfahrene Automanager stehen, bereits das Crossover-Fahrzeug U6 angekündigt.
Leasing-Rate des Aiways-Elektroautos noch unbekannt
Noch sind für den Aiways U5, dem Elektroauto von der Größe des Tesla Model Y, noch nicht alle Preise und Details bekannt. Der Kaufpreis des Wagens wird aber unter 40.000 Euro liegen – eine echte Kampfansage an die deutsche Autoindustrie. Klar ist: Das Elektroauto kommt mit einer Reichweite von mindestens 400 Kilometern nach dem WLTP-Zyklus. Und: Es wird zunächst über Euronics ausschließlich im Leasing angeboten. Die Leasing-Rate für das Aiways-Elektroauto steht aber noch nicht fest bzw. wurde nicht bekanntgegeben.
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Die Produktionskapazitäten für Aiways in China liegen bei 150.000 Fahrzeugen pro Jahr. Wie viele nach Europa kommen in diesem Jahr, hängt wahrscheinlich in erster Linie von der Nachfrage ab. Mit 500 Fahrzeugen, die derzeit auf dem Schiffweg unterwegs sind, gibt es jedenfalls viele Möglichkeiten für Probefahrten in mehreren Ländern Europas. Das Auto wird u.a. in Deutschland, der Schweiz und Norwegen auf den Markt gebracht.
Wie reagiert die deutsche Konkurrenz auf den Angriff aus China?
Logisch: Ein Elektroauto aus China macht noch nicht den Sturz der deutschen Autobauer aus. Aber die Summe der Probleme, die die deutschen Autokonzerne mit sich herum schleppen, wird nicht kleiner. Herbert Diess gibt zu, dass Tesla in Sachen Software sechs bis acht Jahre Vorsprung hat. Und: Neben Aiways stecken mit Byton, Nio, Lucid und vielen weiteren noch weitere Kaliber in den Startblöcken, um neben dem Heimatmarkt auch USA und Europa zu erobern.
Gleichzeitig hat Volkswagen immer noch Probleme, den ID.3 rechtzeitig in die Spur zu bekommen – mitsamt dem Imageschaden durch den Dieselskandal, dem verpatzten Werbespot und den öffentlichen ausgetragenen Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmervertretern und Vorstand, gibt Volkswagen ein verdammt schlechtes Bild ab. Als Resultat für den Rückstand auf Tesla baut der neue Audi-Chef nun in einer eigenständigen Unit ein neues Elektrofahrzeug, das in vier, fünf Jahren auf den Markt kommen soll…
Unterdessen will Daimler ein „Microsoft fürs Auto“ auf den Weg bringen – ein ganz schlechtes Bild für den Versuch, mit Google oder Tesla in Sachen Software mithalten zu können. Daimler hat begriffen, wo Differenzierung im Elektroauto möglich ist – bei der Batterie einerseits und bei der Software andererseits. Aber auch hier ist der Zeithorizont bis mit der eigenen Lösung zu rechnen ist irgendwo zwischen vier und fünf Jahren zu sehen.
Und auch bei BMW ist die Lage düster: Stolz präsentieren die Münchner nun ein Projekt, das sich mit KI im Fahrzeug befasst. Aber anders als Startups, die sich damit befassen oder Konkurrenten ist die Finanzausstattung für solche Projekte doch relativ schlecht. Der BMW-Vorstand hat die Entwicklung zum Elektroauto überdies lange verschleppt – und hinkt mit entsprechendem Angebot nun hinterher.
All diese Aspekte mit der Neuigkeit rund um den Aiways U5 an der Spitze machen deutlich: Der Druck auf BMW, Daimler, Audi und VW wird größer. Auf politische Entscheidungen wie etwa das Aussetzen von schärferen Flottenemissions-Werten durch die Europäische Union oder eine Kaufprämie können sie sich nicht mehr verlassen – jetzt müssen sie endlich von ihrem oft immer noch arroganten, hohen Roß herabsteigen und ernsthaft liefern.
Sonst wird der eine oder andere seinen Nokia-Moment erleben.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.