Akasol aus Darmstadt ist Teil des US-Autozulieferer BorgWarner und beliefert marktführende Mobilitäts-Unternehmen mit Batteriesystemen.
Der Nutzfahrzeugsektor ist in Bewegung: Immer klarer wird der Trend zur Elektrifizierung von LKWs, Bussen oder Baufahrzeugen. Das hat auch der Automobilzulieferer BorgWarner erkannt, der seit einigen Jahren konsequent an einer Zukunft mit emissionsfreier Mobilität arbeitet. Im Februar 2021 kam BorgWarner mit Akasol-Mehrheitsgesellschafter Sven Schulz überein, sämtliche Anteile am Darmstädter Cleantech-Unternehmen zu übernehmen. Ein Jahr später, im Februar 2022 war die Übernahme abgeschlossen, ein neues Management eingesetzt, und die Firmierung in BorgWarner Akasol AG geändert. Doch eines bleibt: Akasol ist ein Hidden Champion, der hohen Qualitätsanforderungen etwa von Daimler genügt.
Mit der Übernahme durch den US-Autozulieferer und die Umfirmierung in BorgWarner Akasol AG hat der Mit-Gründer, Gesellschafter und langjährige Vorstand Sven Schulz das Cleantech-Unternehmen verlassen. Den Vorstand bilden Henk Vanthournout – Manager von BorgWarner -, Jörg Reinhardt und Robert Boyle. An der hervorragenden Marktposition von Akasol hat sich aber nichts geändert.
Akasol macht im Rahmen des Projekts Charging Forward von BorgWarner nach eigenen Angaben zirka 20 bis 25 Prozent des anorganischen Absatzes aus und trägt so rund 600 Millionen US-Dollar zum bis 2025 prognostizierten Gewinn im Segment Elektrofahrzeuge bei, gab das Unternehmen bekannt. Das Projekt Charging Forward wurde im März 2021 vorgestellt und hat zum Ziel, BorgWarners Umsatz mit Elektrofahrzeugen bis 2030 auf rund 45 Prozent des Gesamtumsatzes zu steigern.
Akasol gilt europaweit als führender Hersteller von Batteriesystemen für Nutzfahrzeuge. Dabei bieten die Darmstädter unterschiedlichen Kunden wie Alstom, Daimler oder Volvo speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Batteriesysteme für hohe Leistungen oder hohe Reichweite. Insbesondere mit einer „technologieführenden Position“ bei der Energiedichte seiner Batteriesysteme wirbt das Unternehmen:
Akasol ist auf einem straffen Wachstumspfad, und hat gerade neben dem Produktionsstandort im hessischen Langen auch eine neue Firmenzentrale mit nochmals einer Gigawattstunde Jahreskapazität eröffnet. Lag die Produktionskapazität in 2020 noch bei einer Gigawattstunde, soll sie bis 2022 auf 4,7 Gigawattstunden verfünffacht werden. In den USA entsteht die erste Produktionsstätte außerhalb Deutschlands – im Hazel Park, ebenfalls im US-Bundesstaat Michigan, wo BorgWarner seine Zentrale hat.
Im Geschäftsjahr 2021 kalkulierte Akasol mit einem Umsatz von 125 Millionen Euro, der bis 2024 auf mindestens 400 Millionen Euro wachsen soll.
Zu den AKASOL-Kunden zählen einige der führenden Nutzfahrzeughersteller wie beispielsweise Alstom oder Daimler und Volvo, die ihre Kräfte im LKW-Segment gerade bündeln. Aus Sicht von BorgWarner sind insbesondere das Produkt- und Kunden-Portfolio komplementär zum eigenen Angebot. Genau deshalb macht es aus Sicht der Amerikaner Sinn, den hessischen Spezialisten zu übernehmen.
Da BorgWarner sein Elektrifizierungsportfolio weiter ausbauen und von dem tiefgreifenden Wandel der Branche in Richtung Elektrifizierung profitieren möchte, ist AKASOL eine hervorragende strategische Ergänzung.
Frédéric Lissalde, CEO von BorgWarner
Tochter ABBA BidCo übernimmt Akasol AG
Formal wird die Übernahme durch die Tochtergesellschaft Blitz F21-842 AG (künftig: ABBA BidCo AG erfolgen. Diese Gesellschaft des Automobilzulieferers hat ein Kaufangebot für 120 Euro je Aktie abgegeben, das der größte Gesellschafter, eine von Mitgründer und Vorstandschef Sven Schulz kontrollierte Gesellschaft, angenommen hat. Durch die Zusage weiterer Gründer, hat sich die BorgWarner-Tochter somit mindestens 59 Prozent der Anteile gesichert.
Das Angebot von BorgWarner ist auch für Aktionäre attraktiv: Mit 120 Euro pro Anteilsschein zahlen die Amerikaner einen deutlichen Aufschlag zum durchschnittlichen Aktienkurs der letzten drei Monate. Das zeigt: Obwohl Akasol zuletzt Verluste machte, ist ein sehr lukratives und ernsthaftes Angebot vorgelegt worden.
Trotz der faktischen Übernahme soll Akasol als eigenständig unter der Unternehmensmarke weitergeführt werden – Sven Schulz und der Finanzchef Carsten Bovenschen sowie das weitere Management-Team bleiben an Bord.
Lesen Sie nachfolgend unseren Beitrag zu Akasol vom 27. August 2019
Batteriesysteme aus Darmstadt finden sich u.a. im Elektro-LKW eCitaro und im Wasserstoffzug Coradia iLint.
Der Verbrennungsmotor hat das Ende seines Lebenszyklus erreicht. Mit ihm auch viele Zulieferer der Automobilindustrie, die über Jahrzehnte erfolgreich waren und Arbeitsplätze schufen. Mit dem Umschwung zur Elektromobilität kommen neue, starke Zulieferer hinzu, die auch zu Hidden Champions auf dem Weltmarkt werden können. Großes Potenzial hat die Akasol AG, die sich auf Batteriesysteme für elektrische Nutz- und Schienenfahrzeuge spezialisiert hat.
Alstom, Daimler, Volvo – Akasol beliefert die Weltmarktführer im Mobilitätssektor mit Batteriesystemen. Dabei kaufen die Darmstädter Zellen beispielsweise bei Samsung ein und machen daraus besonders sichere Batteriesysteme, die ganz auf die Anforderungen der Kunden zugeschnitten sind. Mit Erfolg: Der Zulieferer hat im ersten Halbjahr seinen Umsatz auf 19,2 Millionen Euro verdoppelt und dabei sogar einen minimalen Gewinn ausgewiesen.
In Langen im Rhein-Main-Gebiet betreibt Akasol eine der größten Fertigungsstätten für Batteriesysteme für Nutzfahrzeuge in ganz Europa. Konsequent wird dort die Serienfertigung vom Einschicht- auf den Dreischicht-Betrieb ausgebaut. Im benachbarten Darmstadt wird eine neue Firmenzentrale errichtet, die ebenfalls über Produktionskapazitäten verfügen wird. Und erstmals entsteht auch eine Fertigung in den USA, weil europäische Kunden auch ihre amerikanischen Töchter mit Batteriesystemen aus Deutschland beliefern möchten.
Batteriesysteme aus Hessen treiben auch Bergbaufahrzeuge oder Yachten an
Busse, LKW, Bergbaufahrzeuge, Züge oder autonome Shuttle-Busse, Bagger und Hybrid-Yachten – die Produkte der Darmstädter treiben die Anwendungen an, die besonders viel Power einerseits oder besonders viel Ausdauer andererseits benötigen. Dabei sorgt ein über Jahrzehnte perfektioniertes Thermomanagement, das auch eine Flüssigkühlung aller Batteriemodule einschließt, für mehr Leistung oder Ausdauer als Konkurrenzprodukte.
Die intelligente Bauweise der Batteriesysteme ermöglicht es beispielsweise, mehrere Generationen von sich weiterentwickelnden Batteriezellen unterschiedlicher Form im identischen Gehäuse des Batteriesystems unterzubringen. So verhandelt Akasol nach einem Bericht von DIE WELT beispielsweise gerade mit dem schwedischen Nutzfahrzeughersteller Volvo über den Einsatz der dritten Generation der Batteriesysteme in LKWs oder Bussen.
Zum ersten Mal könnte dabei dann zyklische Batteriezellen zum Einsatz kommen, die mehr Reichweite versprechen – und das ohne notwendige Veränderungen an den Fahrzeugen der Schweden. Das zeigt: Akasol hält Augen und Ohren stets offen, ist nicht auf einen Zelltyp festgelegt, sondern fokussiert sich ausschließlich darauf, was für die Anwendungen der Kunden individuell passend ist.
Vielfalt macht Hessen zum Hidden Champion
Es sind die Vielfalt und die klare Kundenorientierung, die Akasol zum Hidden Champion elektrischer Nutz- und Schienenfahrzeuge machen. „Hidden“, also „Verborgen“ deshalb, weil die Marke für den Endnutzer eines LKWs oder Busses gewöhnlich nicht zu erkennen ist. Und „Hidden“ auch deshalb, weil das Unternehmen grundsolide und schnell-wachsend ist, aber nicht durch übertriebene Marktschreierei auffällt.
Sven Schulz, der heutige Vorstandsvorsitzende und indirekt größter Anteilseigner, hat das Cleantech-Unternehmen vom Spinoff der TU Darmstadt zum Hidden Champion mit Börsenkursen jenseits der 40 Euro-Marke geformt. Er ist auf dem besten Wege, die lange berichteten Versprechungen und Zukunftsplanungen beinahe minutiös in die Tat umzusetzen. Schillernd wie Elon Musk ist Sven Schulz ganz sicher nicht, eher ein typisch deutscher, seriöser Gegenentwurf.
(Dieser Beitrag entstand im Februar 2021, wurde im April 2022 um weitere Informationen sowie den alten Beitrag mit dem Firmenporträt von 2019 erweitert.)
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.