Mit Gesamtinvestitionen von 2,7 Billionen Euro kann das verarbeitende Gewerbe bis 2050 mehr als 90 Prozent der Emissionen vermeiden.
Um eine Tonne jährliche CO2-Emissionen in der Industrie zu vermeiden, sind nach Berechnungen einer Studie von Allianz Trade Invest im Schnitt Investitionen von 790 Euro notwendig. Bedeutet: Mit Gesamtinvestitionen von 2,7 Billionen Euro könnte das verarbeitende Gewerbe bis zum Jahr 2050 mehr als 90 Prozent der Emissionen vermeiden. Zum Einfangen und Lagern der restlichen CO2-Emissionen sind weitere Investitionen von etwa 2,8 Billionen Euro notwendig. Zu diesem Schluss kommt die Studie des Kreditversicherers Allianz Trade.
Fast drei Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen entfallen auf die Eisen- und Stahlindustrie, die Chemiebranche sowie auf die Produktion von Zement und anderen nicht-metallischen Mineralien. Mit kumulierten Investitionen von 2,7 Billionen Euro könnte das verarbeitende Gewerbe bis zum Jahr 2050 deutlich über 90 Prozent dieser Emissionen vermeiden.
Notwendig ist dazu ein ganzes Maßnahmenpaket:
- Energieeffizienz muss erhöht werden
- Wasserstoff und Biomasse ersetzt Kohle, Öl und Gas als Brennstoff
- Elektrische Erzeugung von Wärme, etwa durch Großwärmepumpen
- Technologien zur Kohlendioxidabscheidung und dauerhaften Lagerung müssen eingeführt werden
Energiekrise als Chance: Gute Aussichten für grüne Industrie-Revolution
Jede Krise ist auch eine Chance: Wenn Industrie und Politik die aktuelle Energiekrise als Chance ansehen und jetzt entsprechende Maßnahmen einleiten, stehen die Aussichten für eine grüne Industrie-Revolution sehr gut. Die Kohlendioxidemissionen des gesamten Sektors können mit verbesserten Prozessen, nachhaltigen Brennstoffen und Elektrifizierung bis 2050 auf nahezu Null reduziert werden. Erforderlich sind dafür kumulierte Investitionen in Höhe von 2,7 Billionen Euro.
Markus Zimmer, Senior Volkswirt bei Allianz Trade
Von diesen benötigten weltweiten Investitionen entfallen etwa 8 Prozent auf die Europäische Union (EU), so die Studie von Allianz Trade Invest – das sind umgerechnet 210 Milliarden Euro. Die Hälfte davon allein sind für Investitionen in die Elektrifizierung notwendig. Der Rest verteilt sich zu fast gleichen Teilen auf die Nutzung von Wasserstoff, innovative Produktionsverfahren und neue Technologien.
„Hinzu kommen dann noch zusätzliche Investitionen von 330 Milliarden Euro in der EU, um die Restemission einzufangen und dauerhaft zu lagern. Das ist insgesamt also wesentlich teurer. Im direkten Vergleich ist es also sinnvoll, zunächst so viele Emissionen wie möglich zu vermeiden“, sagt Zimmer.
Um den Finanzierungsbedarf für die Vermeidung von Emissionen zu decken, müssen die EU28-Länder zwischen 2020 und 2030 pro Jahr drei Milliarden Euro (Deutschland: 0,7 Milliarden Euro) und von 2030 bis 2050, wenn die Technologien für den großtechnischen Einsatz bereit sind, neun Milliarden Euro pro Jahr investieren (Deutschland: 2,3 Milliarden Euro). Hinzu kommen auch hier die Zusatzkosten für die Bindung und Lagerung der Restemissionen.
Deutschland: 52,4 Mrd. EUR an Investitionen für „Net Zero“ im verarbeitenden Gewerbe
„Das verarbeitende Gewerbe ist in Deutschland eine wichtige Stellschraube für eine letztlich erfolgreiche Energiewende und die Einhaltung der Klimaziele“, sagt Zimmer. „Die Dekarbonisierung hat zwar ihren Preis, könnte der hiesigen Industrie aber zu einer deutlich verbesserten Planungssicherheit verhelfen und zeitgleich den Weg in eine erfolgreiche Zukunft ebnen. In Deutschland sind dafür bis 2050 kumulierte Investitionen von 52,4 Milliarden Euro notwendig, den Löwenanteil in der Eisen- und Stahlindustrie (16,7 Milliarden Euro), in der Zellstoff- und Papierindustrie (16,3 Milliarden Euro) sowie in der Chemiebranche (9,51 Milliarden Euro).“
Für die Industrie könnten sich diese Investitionen angesichts der höheren Effizienzen und der erwarteten Amortisierung von Investitionssummen durchaus lohnen: „Durch die Investitionen würden die industriellen CO2-Emissionen in der EU um 265 Mega-Tonnen gesenkt, das entspricht 92 Prozent der aktuellen Emissionen“, sagt Zimmer von Allianz Trade Invest. „Um eine Tonne CO2 pro Jahr zu vermeiden sind also durchschnittlich Investitionen von 790 Euro notwendig. Bei dem aktuellen CO2-Preis würde sich die Investitionssumme also nach acht Jahren amortisieren.“
Die Studie von Allianz Trade Invest zeigt, wie viel billiger es ist, Emissionen zu vermeiden, bevor sie entstanden sind. Die Investition in Klimaschutz rentiert sich für die Industrie innerhalb von acht Jahren, so die Studie von Allianz Trade Invest. Das ist im Hinblick auf die Dekarbonisierung des Industriesektors ein No-Brainer. Und es zeigt auch: Sich nur auf Direct Air Capture oder CCS-Technologien zu verlassen, ist mehr als töricht. Das hatte unter anderem der CDU-Bundesvorsitzende Friedrich Merz öffentlich gefordert.
Die englischsprachige Studie von Allianz Trade Invest steht hier zum Download zur Verfügung.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.