Alternative Fakten – Schluss damit: Die Wahrheit über Lithium und Kobalt

Wie viel Wasser verdunstet beim Lithium-Abbau? Wie viel Kobalt steckt in Akkus, welche Entwicklungen sind vorgezeichnet?

Das Elektroauto hat es bei Diskussionen auf Facebook oder Youtube derzeit nicht leicht. Angestachelt von Gegnern der Elektromobilität werden alternative Fakten insbesondere über die Rohstoffe Lithium und Kobalt immer wieder aufgewärmt. Auch der CO2-Rucksack, den ein Elektroauto mitschleppen muss, wird immer wieder auf Basis längst widerlegter Studien vermittelt. Jetzt ist Schluss mit Alternative Fakten: Die Wahrheit über Lithium und Kobalt.

Der Batterieforscher Maximilian Fichtner, Direktor am Helmholtz-Institut für elektrochemische Energiespeicherung in Ulm, hat bemerkenswerte Fakten rund um das Elektroauto und dessen Rohstoffe Lithium und Kobalt recherchiert – und widerlegt alternative Fakten. Nach gängigen Berechnungsmethoden werden für die Kapazität von 64 Kilowattstunden – also eines typischen Elektroautos – 3.840 Liter Wasser beim Lithium-Abbau nach der Sole-Methode verdunstet. Fichtner hat ausgerechnet: Das entspreche dem Wasserverbrauch bei der Produktion von 250 Gramm Rindfleisch, zehn Avocados oder einer halben Jeans.

Laut Fichtner kann das im Idealfall bei 2.000 Be- und Entladezyklen für 900.000 Kilometer reichen. „Im Jahr 2025 werden 3.000 Zyklen normal sein“, so Fichtner gegenüber dem Tagesspiegel Background. Verglichen mit den anderen Produkten ist ein Elektroauto-Akku also sogar nachhaltiger als eine Jeans oder ein Steak. Und: Lithium wird auch in Laptops, Mobiltelefonen und vielen anderen Produkten verwendet, die milliardenfach im Umlauf sind. Hier sehe niemand ein Problem, so Fichtner.

Ein weiteres Thema für alternative Fakten ist Batterie-Recycling: Rohstoffe wie Kobalt und Lithium, die einmal im Umlauf sind, lassen sich bei intelligenter Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, mehrfach verwenden – Unternehmen wie Duesenfeld aus der Nähe von Braunschweig berichten von 96 (!) Prozent Recyclingquote. Einziges Handicap: Es gibt noch nicht genügend Akkus aus alten Elektroautos, weil die zu lange halten…

Duesenfeld recycelt Li-Ionen-Batterien

Kobalt: Akku ohne Kobalt kommt 2025

Auch der Abbau von Kobalt etwa im Kongo muss oft herhalten für alternative Fakten. Klar ist: Es gibt im Kongo Kinderarbeit in illegalen Minen, die unter mehr als fragwürdigen Bedingungen insbesondere von den Chinesen ausgenutzt werden. Aber: Die gab es auch schon vor dem Elektroauto. Die neue Technologie dafür allein verantwortlich zu machen ist pure Heuchelei.

Menschenrechte einzuhalten und Demokratie zu fordern und zu fördern kann nicht die Aufgabe von Herstellern von Elektroautos sein – das ist eine politische Aufgabe, die auch durch die Bundesregierung im Bereich Entwicklungshilfe thematisiert gehört. Aus Sicht der Autoindustrie ist entscheidend, die Zustände nicht weiter zu unterstützen, sondern andere Alternativen zu nutzen.

So hat Tesla den Kobalt-Anteil seiner Akkus auf mindestens 2,8 Prozent reduziert. BMW hat angekündigt, seine Rohstoffe einerseits selbst zu besorgen und andererseits vorwiegend aus Australien zu beziehen – und nicht mehr aus dem Kongo. Und, wie Batterieforscher Fichtner sagt: „2025 werden völlig kobaltfreie Batterien auf dem Markt sein.“

Lesen Sie hier: Lithium für E-Autos: Weißes Gold mit schwarzem Fleck (cleanthinking.de)

Das zeigt: Die Elektroauto-Branche hat, völlig anders als die Kohlebranche oder die Atomenergie, ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein und will – wie beispielsweise VW auch dank der Kooperation mit Northvolt – klimaneutrale Fahrzeuge auf den Markt zu bringen. Ausgerechnet diese Branche zu kritisieren, die die Probleme versteht und ihr aus dem Weg geht, ist aberwitzig.

Wer kümmert sich eigentlich um sonstige Rohstoffe, seltene Erden für Motoren etwa, bei denen China den Weltmarkt dominiert, weil die Rohstoffe im eigenen Land in großem Maße vorhanden sind? Natürlich niemand. Dabei gibt es dort auch durchaus fragwürdige Menschenrechtssituationen.

Vergleich mit Öl: Sytemwechsel jetzt!

Klar, ein Elektroauto ist ein technologisches Produkt, das aus zahlreichen Rohstoffen besteht. Deren Abbau hat immer Konsequenzen. Aber: Wir brauchen den Systemwechsel weg vom Öl jetzt! Und zwar in atemberaubendem Tempo. Ein Grund ist der Endenergieverbrauch: Derzeit habe der Verkehr laut Fichtner einen Endenergieverbrauch von 800 Terawattstunden. Würde die Fahrleistung mit Elektroautos erbracht, würde sich dieser auf 200 Terawattstunden reduzieren.

Und: Die Elektroautos lösen den Verbrenner-Irrsinn ab, der längst überholt ist. Ab 2025 muss mehr als die Hälfte des Öls bereits aus unkonventionellen Quellen gefördert werden – das bedeutet aus Fracking, aus Teersand oder gar der Tiefsee. Schon 2030 sind es 80 Prozent aus unkonventionellen Quellen – mit all den Nachteilen in Sachen Umweltschutz, Transport und Emissionen.

Holt man einen Liter aus Teersand oder Fracking an die deutsche Tankstelle, wird dafür die Energie aus zwei (Fracking) oder gar drei Litern Öl benötigt. Für die Förderung von 17,5 Milliarden Liter Öl pro Tag sind 46 MIlliarden Liter Wasser notwendig. „Und das Wasser für die Ölförderung verdunstet nicht, sondern wird häufig vergiftet“, sagt Fichtner.

Schweden-Studie II: Auch CO2-Emissionen sinken

So wie bei Lithium und Kobalt sich Besserung einstellt, sinken auch die CO2-Emissionen bei einer ganzheitlichen Betrachtung des Elektroautos. Oft wird für die hohen CO2-Emissionswerte die erste Schweden-Studie angeführt. Diese wurde aber missinterpretiert, was sogar die Autoren so sagen. Jetzt kann auch hier das Thema Alternative Fakten zu den Akten gelegt werden.

Die Schweden-Studie II benennt den CO2-Rucksack eindeutig – er ist lediglich halb so hoch wie immer über alternative Fakten kolportiert wurde: „Das Svenska Miljöinstitutet (IVL) hat im Auftrag der schwedischen Energieagentur aktuelle Zahlen zu den CO2-Emissionen bei der Batterieproduktion ermittelt und veröffentlicht“, berichtet electrive.net. „Wurde 2017 noch ein CO2-Äquivalent von 150 bis 200 Kilogramm pro Kilowattstunde Kapazität erhoben, sind es jetzt durchschnittlich noch 61 bis 146 Kilogramm.“

Alternative Fakten rund um Elektroautos

Zu ganz ähnlichen Schlussfolgerungen zum Thema alternative Fakten rund um Elektroautos kommt übrigens auch Stefan Hajek, einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten, die sich seit Jahren mit Elektromobilität befassen. Wollen wir angesichts all dieser Fakten wirklich eine Zukunftstechnologie schlecht reden? Wir sollten es nicht tun, sondern uns an der Wahrheit orientieren. Daher: Schluss für alternative Fakten und Vollstrom voraus für die Elektromobilität!

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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