Neue Einschätzung des Expertenrats für Klimafragen zeigt deutliche Defizite der Bundesregierung
In einer aktuellen Bewertung bescheinigt der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung klares Versagen im Klimaschutz. Das Sondergutachten des Expertenbeirats kommt zu dem Schluss, dass die bisherigen Maßnahmen nicht ausreichen, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Insbesondere der Verkehrs- und der Gebäudesektor stehen im Fokus der Kritik. Könnte die Hochwasser-Lage ein Momentum für neue Klimaschutzmaßnahmen bringen?
Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats, erklärt, dass die Gesamtemissionen bis 2030 voraussichtlich weniger stark sinken werden als in den Projektionsdaten angegeben. Der Expertenrat ist der Meinung, dass die projizierten Emissionen in den Bereichen Energie, Gebäude, Verkehr und teilweise auch in der Industrie unterschätzt wurden.
Der Expertenrat führt dies auf aktuelle Entwicklungen zurück, die bei der Erstellung der Projektionsdaten nicht berücksichtigt wurden. Dazu gehören insbesondere Kürzungen im Klima- und Transformationsfonds sowie veränderte Markterwartungen für Gaspreise und CO2-Zertifikatspreise im EU-ETS. Zudem können auch methodische Beschränkungen zu möglichen Unterschätzungen führen.
Henning kommt zu dem Schluss, dass die kumulierte Zielerreichung für die Jahre 2021 bis 2030, wie sie in den Projektionsdaten von 2024 dargestellt wird, nicht bestätigt werden kann. Stattdessen geht er davon aus, dass das Ziel nicht erreicht wird.
Der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) hat die Ergebnisse des Sondergutachtens bewertet und fordert von der Ampel-Koalition konsequentere Maßnahmen. Der Vorsitzende des BUND, Olaf Bandt, betont, dass die aktuelle Klimapolitik nicht den notwendigen Beitrag zur Einhaltung der Klimaziele leistet.
Verkehr und Gebäude als Sorgenkinder
Laut dem Expertenrat für Klimafragen sind insbesondere der Verkehrs- und Gebäudesektor weit von ihren Zielen entfernt. Im Verkehrssektor sei keine signifikante Reduktion der Emissionen zu erkennen. Die CO₂-Belastung im Verkehr ist sogar gestiegen. Dies sei vor allem auf die Zunahme des Autoverkehrs und den geringen Ausbau von umweltfreundlichen Alternativen zurückzuführen.
Auch im Gebäudesektor herrscht großer Nachholbedarf. Die energetische Sanierung von Gebäuden verläuft schleppend. Zudem werden nach wie vor fossile Energieträger in großem Umfang genutzt. Hier sieht der Expertenrat dringenden Handlungsbedarf, um die Klimaziele zu erreichen.
Forderungen des BUND
Der BUND fordert von der Bundesregierung, ihre Klimapolitik grundlegend zu überarbeiten. Dazu gehören konkrete und ambitionierte Maßnahmen in den genannten Sektoren. Im Verkehrsbereich sollen vor allem der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Förderung von Elektromobilität vorangetrieben werden. Der Gebäudesektor benötigt deutlich mehr finanzielle Unterstützung für die energetische Sanierung und einen konsequenten Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.
Olaf Bandt hebt hervor, dass die Zeit für wirkungslose Maßnahmen abgelaufen ist. Nur durch entschlossenes Handeln können die Klimaziele noch erreicht werden. Der BUND wird weiterhin Druck auf die Politik ausüben, damit die notwendigen Schritte eingeleitet werden.
Nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz heute im Hochwassergebiet davon sprach, man dürfe die Bekämpfung des Klimawandels nicht vernachlässigen, könnte es ein Momentum für zusätzliche Maßnahmen – gerade im Verkehr – geben. Zwar steht ein Tempolimit nicht im Koalitionsvertrag – trotzdem dürfte es neue Debatten rund um die unterschätzte Klimaschutzmaßnahme Tempolimit darum geben.
Expertenrat sieht auch positive Entwicklungen
Trotz der Kritik gibt es auch positive Entwicklungen zu verzeichnen. Einige Bundesländer und Kommunen gehen mit gutem Beispiel voran und zeigen, wie Klimaschutz erfolgreich umgesetzt werden kann. Vorreiter sind hier oft Städte, die den Ausbau von Radwegen und öffentlichem Nahverkehr aktiv vorantreiben.
Ein Beispiel hierfür ist die Stadt Freiburg, die mit ihrem umfassenden Klimaschutzkonzept als Modell für andere Städte dienen kann. Dort entstand auch Deutschlands erster Solar-Radweg. Auch im Bereich der erneuerbaren Energien gibt es Fortschritte. Der Ausbau von Wind- und Solarenergie geht vielerorts zügig voran, was positive Auswirkungen auf die CO₂-Bilanz hat.
Der Bericht des Expertenrats für Klimafragen ist ein Weckruf an die Bundesregierung. Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Klimaziele 2030 zu erreichen. Insbesondere im Verkehrs- und Gebäudesektor besteht dringender Handlungsbedarf. Der BUND fordert von der Regierung, endlich entschlossen zu handeln und konkrete Maßnahmen umzusetzen.
Gleichzeitig gibt es auch positive Entwicklungen, die zeigen, dass erfolgreicher Klimaschutz möglich ist. Es bedarf nun eines gemeinsamen Kraftakts von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen und den Klimawandel effektiv zu bekämpfen.
Download: Sondergutachten Expertenrat Klimafragen
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.