Ist Aufforstung der beste Weg gegen die Klimakrise?

Britisches Cleantech-Startup BioCarbon Engineering will mit Drohnen 100.000 Bäume pro Tag pflanzen. Schweizer Wissenschaft bestätigt Wirksamkeit der Aufforstung.

Netto verliert die Welt jedes Jahr zehn Milliarden Bäume. Dabei helfen Bäume und Wälder natürlich, CO2 zu binden. Jetzt haben Wissenschaftler der ETH Zürich mal ausgerechnet, wie viel Aufforstung weltweit möglich wäre – und welcher Anteil der CO2-Emissionen damit reduziert werden könnte. Ein Cleantech-Startup namens BioCarbon Engineering könnte helfen: Die Briten können mit Drohnen 100.000 Bäume pro Tag pflanzen.

Die Wissenschaftler der ETH haben errechnet, Billionen von Bäumen auf der ganzen Welt zu pflanzen, wäre der bei weitem wirkungsvollste und billigste Weg, um die Klimakrise zu bewältigen. Dazu haben die Forscher untersucht, wie viele Bäume gepflanzt werden könnten, ohne Flächen für Ackerland oder Stadtgebiete nutzen zu müssen.

Die Logik ist einfach: Wenn Bäume wachsen, absorbieren und speichern sie Kohlendioxidemissionen, die die globale Erwärmung antreiben. Die Ergebnisse der Forscher zeigen: Zwei Drittel aller Emissionen, die durch menschliche Aktivitäten in die Atmosphäre gepumpt wurden, könnten beseitigt werden. Die Zahl bezeichnen die Autoren der Studie als „überwältigend“.

Laut der Studie gibt es 1,7 Milliarden Hektar „baumloses“ Land, auf dem 1,2 Billionen Baumsetzlinge natürlich wachsen würden. Diese benötigte Fläche entspricht der Größe von USA und China zusammen. Tropische Gebiete könnten dabei eine 100-prozentige Baumbedeckung erhalten, während andere spärlich bedeckt wären, was bedeutet, dass sich im Durchschnitt etwa die Hälfte der Fläche komplett bewalden ließe.

Diese neue quantitative Bewertung zeigt, dass die Wiederherstellung des Waldes nicht nur eine unserer Lösungen für den Klimawandel ist, sondern vor allem die beste“, sagte „Was mich überwältigt, ist die Waage. Ich dachte, die Wiederherstellung würde in den Top 10 sein, aber sie ist überwältigend leistungsfähiger als alle anderen vorgeschlagenen Lösungen zum Klimawandel.

Prof. Tom Crowther, ETH Zürich, der die Forschung leitete.

Entscheidend sei jetzt, die derzeitigen Trends der steigenden Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe und der Zerstörung von Wäldern umzukehren und auf Null zu senken. Dies sei notwendig, um zu verhindern, dass sich die Klimakrise weiter verschärfen werde. Denn: Die geplante Aufforstung dauert letztlich 50 bis 100 Jahre, bis die volle Wirkung erreicht ist: 200 Milliarden Tonnen Kohlendioxid zu speichern.

Die in der Zeitschrift Science veröffentlichte Studie ermittelt das Potenzial für die Baumpflanzung, geht aber nicht darauf ein, wie ein globales Baumpflanzprogramm bezahlt und umgesetzt werden könnte. Ein Ansatz wären finanzielle Anreize für Landbesitzer, Bäume zu pflanzen. Benötigt würden 300 Milliarden Dollar, die etwa von milliardenschweren Philantrophen und der Öffentlichkeit kommen könnten.

Gesamte verfügbare Fläche, auf der Bäume wachsen könnten (aktueller Waldbestand und für Wiederaufforstung geeignete Fläche). (Bild: Crowther Lab / ETH Zürich)

Aufforstung ja – aber wo?

Baumpflanzungen und Aufforstung könnten auf der ganzen Welt passieren. In Bezug auf die CO2-Speicherung ist die Effizienz in den Tropen am höchsten. Generell sieht Crowther vor allem in den größten Nationen der Welt auch das größte Potenzial für mehr Bäume und Wälder: Russland, Kanada, China, USA, Brasilien und Australien.

Dabei könnten laut Crowther sogar Beweidung und Bewaldung Hand in Hand gehen.

Baumpflanzinitiativen sind indes nicht neu: Die Bonn Challenge wird beispielsweise von 48 Nationen unterstützt und will bis 2030 350 Millionen Hektar Wald erzeugen. Die Studie zeigt jedoch, dass sich viele dieser Länder verpflichtet haben, weniger als die Hälfte der Fläche aufzuforsten, die für neue Wälder genutzt werden könnte.

Brasilien ist beim Thema Regenwald / Wald ein besonders Pflaster: Einerseits sind die Potenziale dort enorm, andererseits droht gerade durch das neue Freihandelsabkommen ein großes Problem: Brasiliens Regierung will offenbar das neue Abkommen nutzen, um Tropenholz in großem Stil auf den europäischen Markt zu bringen. Das wäre nicht nur kontraproduktiv, sondern stünde den Notwendigkeiten diametral entgegen. Die neue EU-Kommission muss hier definitiv einen Riegel vorschieben und diesen Irrsinn verhindern.

Kritiker bezweifeln Potenzial von 200 Milliarden Tonnen

Prof. Simon Lewis vom University College London bezweifelt das errechnete Potenzial der Studie. Demnach ergebe das Szenario des Intergovernmental Panel on Climate Change zum 1,5-Grad-Szenario (IPCC) lediglich ein Speicherpotenzial von 57 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, also nur ein Viertel des erhofften Potenzials. Und diese Berechnung gibt das Potenzial bis Ende des Jahrhunderts an. Bis 2050 ist es also weit geringer.

Derzeit gibt es 3 Billionen Bäume auf der Erde. Das entspricht etwa der Hälfte der Baummenge, die es vor dem Aufstieg der menschlichen Zivilisation gegeben hat. Der Nettoverlust pro Jahr liegt demnach bei 10 Milliarden Bäumen pro Jahr – eine stattliche Zahl, die zunächst mal ausgeglichen werden muss.

BioCarbon Engineering will Aufforstung beschleunigen

Billionen Bäume werden wohl kaum von Menschenhand gepflanzt werden. Daher braucht es Technologien, um die Aufforstung schnell und effizient durchführen zu können. Das britische Cleantech-Startup BioCarbon Engineering arbeitet mit Drohnen an einer Lösung, 100.000 Bäume pro Tag pflanzen zu können.

Wie das Konzept von BioCarbon Engineering funktioniert, beschreibt das Unternehmen hier beim Ecosummit 2019:

BioCarbon Engineering – Technologie zur Aufforstung

Bei der Aufforstung mit Drohnen kommen mehrere der Luftfahrzeuge zum Einsatz: Die erste Drohne scannt das Gebiet ab, in dem später die Bäume gepflanzt werden sollen. Dabei erhebt sie verschiedene Daten, etwa die Beschaffenheit des Bodens, wo Bäume und Pflanzen bereits vorhanden sind und welche Störfaktoren es gibt. Anschließend entsteht ein 3D-Abbild der Region.

Ein Algorithmus bestimmt dann einen Flug- und Bepflanzungsplan für die Drohne. Gebiete, die nicht bepflanzbar sind, überfliegt die Drohne, ohne einen Baumsamen zu verteilen. Auf Grundlage der Analysen zu Feuchtigkeit, Dichte und Beschaffenheit des Bodens wird entschieden, welche Baumsorten die Drohne pflanzen soll. Die Drohne kann dabei verschiedene Samen mit sich tragen und nach einem festgelegten Schema einpflanzen.

Steht der Flugplan durch Berechnung und Analysen, macht sich die zweite Drohne an die Arbeit: Die Baumsamen sind in einer biologisch abbaubaren Kapsel verpackt. Die Drohne schießt die Kapsel im Tiefflug mit Druck in den Boden. Und genau dort entsteht dann ein neuer Baum, der CO2 speichert und der Klimakrise entgegen wirkt.

Mit Sicherheit ist Aufforstung und das Pflanzen von Bäumen, verbunden mit der globalen Verhinderung von Abholzung, ein wichtiger Teil, um die Klimakrise zu bekämpfen. Ein Allheilmittel ist es, angesichts der Tatsache, dass es mehr Waldbrände und Stürme, also Extrem-Wetterereignisse gibt und geben wird, und angesichts des Fakts, dass das Potenzial erst sehr langfristig ausgeschöpft werden kann, sicherlich nicht. Aufgrund der vergleichsweise geringen Kosten, muss aber investiert werden.

Climeworks, Carbon Engineering, Carbonauten

Andere Maßnahmen sollten aber nicht vergessen werden. Beispielsweise ist es möglich, durch CO2-Filterung aus der Umgebungsluft im größeren Stil, erstens Wasser als Nebenprodukt zu produzieren und zweitens in wüstenähnlichen Gebieten durch Wasser und Schatten dafür zu sorgen, dass zusätzliche Regionen bepflanzt werden können. Die sogenannte Direct Air Capture Technologie, wie sie beispielsweise Carbon Engineering entwickelt, kann also auch helfen.

Das Schweizer Cleantech-Unternehmen Climeworks indes bietet bereits an, CO2 in Island sicher unter der Erde zu speichern. Jeder kann somit seine Emissionen von unvermeidbaren Reisen auch physisch ausgleichen. Ob also jemand zur Kompensation die Aufforstung unterstützt oder die Versteinerung von CO2 ist unerheblich, es ist wichtig dass solche Systeme existieren.

Schließlich gibt es eine weitere Technologie, die nicht vernachlässigt werden sollte: Es ist möglich, Biokohlenstoff durch Nutzung etwa von Biomasse-Resten zu erzeugen, die als Dünger dienen kann oder sogar zu Verpackungen weiterverarbeitet werden kann. Das Clenatech-Unternehmen Carbonauten hat sich zur Aufgabe gemacht, bis Ende des Jahres die erste kommerzielle Anlage in Betrieb zu nehmen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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