Sandy Munro entschlüsselt das „Aus einem Guss“-Fahrzeugdesign des deutschen Model Y.
In der Nachbetrachtung des Tesla Battery Day spielt ein Aspekt bislang kaum eine Rolle: Der Technologiekonzern will das Fahrzeugdesign radikal ändern. Dazu sollen die größten Gussteile dienen, die laut Elon Musk jemals gegossen wurden – das „deutsche“ Model Y wird perspektivisch einen Rahmen aus drei Bauteilen haben: Front aus einem Guss, Heck aus einem Guss – und dazwischen das direkt zur Konstruktion passende Batteriepack.
Sandy Munro ist in den USA und darüber hinaus eine Legende. Der Fahrzeugdesigner weiß – laut aktuellem Tweet von Elon Musk – wie Engineering funktioniert. In seinem Video beschreibt der CEO von Munro Associates ziemlich eindrücklich, was Tesla zumindest mit dem deutschen Model Y vor hat.
Elon Musk hatte zuletzt angekündigt, das Fahrzeug aus der Gigafactory 4 in Berlin werde optisch identisch aussehen – aber revolutionär anders hergestellt. Ausgangspunkt dafür sind die Giga Press Maschinen, von denen bereits eine in Fremont läuft und die rückseitigen Bauteile für das amerikanische Model Y produziert.
In Grünheide ist aber nicht Platz für eine, sondern für acht Maschinen aus Italien eingeplant. Einerseits, um mehr Bauteile „aus einem Guss“ fertigen zu können, andererseits um neben dem Heck auch die Front aus einem Guss herstellen zu können.
Die Veränderung im Rahmen einer hoch automatisierten Autofabrik sind gewaltig: Es braucht zum Beispiel viel weniger Roboter, die beispielsweise nur dazu da sind, Schraubverbindungen zu übernehmen. Es braucht nicht unzählige Bauteile, die auch noch alle perfekt zueinander passen müssen. Das Herzstück bilden künftig nur noch die drei Kernteile.
Weniger Bauteile bedeutet weniger Kosten, geringeres Gewicht, wahrscheinlich sogar höhere Stabilität in der Mitte des Fahrzeugs und damit höhere Sicherheit.
Wie das Batteriepack tragend integriert wird
Sandy Munro erklärt auch, wie das Batteriepack zwischen den großen aus einer speziell entwickelten Aluminium-Legierung gegossenen Bauteile integriert werden soll. In Anlehnung an den Flugzeugbau, bei dem die Flügel als Treibstoff-Tanks genutzt werden, soll das Batteriepack mit den neuen 4680er Zellen eine tragende Rolle im Rumpf des Fahrzeugs spielen.
Die Zellen bilden also zusammen mit Abdeck-Platten unten und oben eine Honigwaben-Struktur. Die Unterseite dient beim deutschen Tesla Model Y künftig auch für die Kühlung der Roadrunner-Zellen. Auch hierfür muss viel weniger Aufwand betrieben werden als in der bisherigen Fahrzeugkonstruktion.
Ganz neu sind die Ideen und Ansätze von Tesla in Bezug auf die Rahmenkonstruktion und dazu, dass Batteriesystem zum tragenden Element des Model Y zu machen, freilich nicht: Die Art, wie das Batteriepack integriert wird hat auch Jaguar im i-Pace gezeigt. Und Sandy Munro selbst sagt, er habe vor Jahren bereits OEMs entsprechende Konzepte angeboten – sei bei diesen aber abgeblitzt.
Wird die Musksche Model Y-Innovation gelingen?
Etwas unklar bleibt zunächst, wie schnell die radikale Innovation im Model Y in der Gigafactory Berlin umgesetzt werden kann. Maßgeblich sind dafür die neuen Batteriezellen, die aber wohl erst in einem Jahr in großen Stückzahlen hergestellt werden.
Andererseits hat Musk beim Battery Day auch gesagt, sie hätten schon zigtausend der Zellen in der Pilotlinie hergestellt. Es würde kaum dem Nachhaltigkeits-Anspruch entsprechen, wenn diese Zellen, sollten sie voll funktionstüchtig sein, nicht auch in Fahrzeuge integriert würden. Womöglich lagert Tesla die Zellen in Fremont, um sie dann auf die Produktion des Tesla Semi und des Model Y in Deutschland verteilen zu können.
Neben den Vorteilen Ressourceneffizienz und Kosteneinsparung soll die Giga Press-Produktion auch zur Sicherheit beitragen: Soll werde ein Elektroauto mit Batterie-Mittelteil schon ohne Dach „steifer“ als ein konventionelles Fahrzeug. Genau dort also, wo Stabilität gewünscht ist, helfen die Batterien mit, diese zu schaffen.
Bei der Konstruktion der neuen Batteriezelle hat Tesla vor einem eines bewiesen: Den Mut zu radikalen Veränderungen. Denn die einzelnen Schritte waren weitgehend bekannt. Und auch bei der Rahmenkonstruktion ist es insbesondere der Mut, diesen Weg zu gehen, der Bewunderung verdient.
Wird Tesla also mit dem deutschen Model Y aus einem Guss ein aus Manufacturing-Sicht hoch innovatives Fahrzeug auf den Markt bringen? In einigen Jahren wissen wir, ob das Vorhaben geglückt ist…
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Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.