Schweizer Cleantech-Unternehmen Sun-Ways arbeitet an einem Pilotprojekt einer abnehmbaren Solaranlage.
Die Idee, Solarmodule in Bahntrassen zu integrieren, ist nicht neu. Aber das, was das Schweizer Cleantech-Startup Sun-Ways vor hat, könnte trotzdem bahnbrechend sein: Im Mai 2023 startet ein Pilotprojekt, bei dem Solarmodule mit einem Spezialzug wie ein Teppich zwischen Bahngleisen verlegt werden sollen. Im ersten Schritt sollen 50 Solarmodule auf einer Strecke von 100 Metern eingehakt werden. Kann das Vorhaben gelingen?
Die Solarmodule, die wie ein Teppich ausgerollt werden, sind miteinander verbunden, wie ein Video von Sun-Ways zeigt. Sobald sie liegen, werden sie über einen einfachen Mechanismus, den der Spezialzug auslöst, eingeklemmt. Das Besondere: Für Wartungsvorgänge, wie etwa das Schleifen der Schienen, wird die Solarbahn wieder entfernt. Darin sieht der Unternehmer und Mitgründer Baptiste Danichert einen der Vorteile seines Konzepts gegenüber anderen Lösungen.
Denn nicht nur in der Schweiz ist das Anbringen von Solarmodulen in den Bahngleisen ein Thema: Die Deutsche Bahn testet in Ostdeutschland eine andere Lösung des Unternehmens Bankset Energy, worüber Cleanthinking schon im Oktober 2018 berichtete. Im Sommer 2022 berichtete u.a. Netzwelt über die aktuellen Entwicklungen rund um das Vorhaben, bei dem deutlich kleinere Solarmodule zum Einsatz kommen, die einzeln eingeklickt werden, wie das nebenstehende Foto zeigt.
Pilotprojekt im Mai 2023
Sun-Ways wiederum plant ein erstes Pilotprojekt einer abnehmbaren Solaranlage im Mai 2023. Auf einem Gleisabschnitt von 100 Metern sollen zunächst Solarmodule installiert werden – insgesamt 50. Die Kosten sollen bei etwa zehn Cent pro Kilowattstunde liegen.
Im Gegensatz zu Bankset Energy nutzt Sun-Ways Solarmodule in Standardgröße (1 Meter mal 1,70 Meter). Inwiefern Standardmodule im harten Bahnalltag entsprechende Vibrationen und etwa aufgewirbelte Steine vertragen, muss sich im Alltagstest erst noch zeigen.
Am Projekt, das rund 400.000 Euro kosten soll, ist eine Reihe von Unternehmen wie transN, Scheuchzer oder Romande Energie beteiligt. Zur Finanzierung hat der Vitale Innovation Fund von SIG Services Industriels de Genève beigetragen. Bei der mechanischen Konstruktion wirkte die EPFL mit, unterstützt von innosuisse, dem Verein Alliance und Venturelab.
Das Forschungsinstitut CSEM soll dann auf dem ersten Testabschnitt in Neuchatel die Analysen durchführen, um die Widerstandsfähigkeit der Solarmodule in dieser neuen Umgebung zu bewerten.
Um die Solarmodule in den Bahngleisen leistungsfähig zu halten, ist eine spezielle Reinigungsvorrichtung in Arbeit. Ebenfalls eine Lösung gibt es für den Fall von Schneefall. Der erzeugte Strom soll entweder direkt in die Oberleitung gehen oder ins Stromnetz eingespeist werden.
Wie groß ist das Potenzial?
Falls die Technologie von Sun-Ways oder Bankset Energy die Alltagshürden überwinden kann, ist das Potenzial durchaus vorhanden. Alleine schweizweit stehen 7.000 Kilometer zwischen den Gleisen der Bahnen für entsprechende Solarkraftwerke bereit. Vergleichbar wäre das mit 350.000 Hausdächern, die mit Solarmodulen ausgestattet werden.
In Europa ist ein Netz von 260.000 Kilometern verfügbar, global mehr als eine Million Kilometer. Nach eigenen Angaben hat Sun-Ways bereits Kontakte zu Investoren in Europa und den USA aufgenommen, um die Innovation im industriellen Maßstab voranbringen zu können.
Vorausgesetzt, das Pilotprojekt ab Mai 2023 wird zum Erfolg.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de:
Die Idee ist bahnbrechend: Solarmodule entlang von Bahnstrecken installieren, um die elektrischen Züge mit Strom zu versorgen. Neben diesem Projekt plant die Schweiz auch gezielt klassische Solaranlagen entlang von Bahntrassen. Bei Sun-Ways überzeugt vor allem die Idee des einfachen Ausrollens der Technologie. Extrem komplex ist es aber, die Solarmodule dort für einige Stunden zu entfernen, wo Wartungsarbeiten stattfinden. Alleine der Koordinierungsaufwand ist enorm.
Ob aus der bahnbrechenden Idee also ein modernes Solarkraftwerk wird, das den Energiebedarf der Bahnunternehmen teilweise decken kann, muss sich in der Zukunft zeigen. Gut, dass schon bald das angekündigte Pilotprojekt starten wird – so werden sich viele Fragen rund um Verschmutzung, Vibrationen klären lassen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.