Neues aus dem Balkonkraftwerk-Dschungel: Vorschriften für Balkon-PV werden deutlich vereinfacht: Steckersolargeräte anschließen ohne Fachkraft.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat den Entwurf einer Photovoltaik-Strategie vorgelegt. Darin geht es u.a. um die Vereinfachung von Mieterstrom-Modellen sowie den Betrieb von Balkon-PV-Anlagen. Neben Balkonkraftwerk 800 Watt erlaubt das Bundeswirtschaftsministerium nach den Plänen auch die Nutzung des Schuko-Steckers und das zeitweise Rückwärtsdrehen des Stromzählers. Oberstes Ziel der Solar-Strategie ist es, dass Bürger Steckersolargeräte eigenhändig anschließen können.
Bislang gibt es eine Reihe von Vorschriften, um solche Anlagen montieren zu können. So muss beispielsweise vor Inbetriebnahme der Anlage der Zähler zu einem Zähler mit Rücklaufsperre getauscht werden. Daneben wird bisher der Schuko-Stecker nicht wirklich akzeptiert – der VDE verlangte lange Zeit eine Festinstallation mit einem Wieland-Stecker. Erst durch ein Papier, das Anfang 2023 veröffentlicht wurde, geht der Weg in Richtung Vereinfachung.
Nun das hat Bundeswirtschaftsministerium mit der Photovoltaik-Strategie ein Entwurfs-Papier vorgelegt, das im Kern den VDE-Punkten zur Vereinfachung entspricht und konkretisiert, an welchen Stellen die einzelnen Verbesserungen festgeschrieben werden. Das Dokument steht hier zum Download bereit.
800 statt 600 Watt
Bislang liegt die Grenze für Mini-Solareräte bei einer maximalen Erzeugung von 600 Watt. Die Photovoltaik-Strategie sieht – gleichlautend mit den VDE-Empfehlungen – vor, diesen Wert auf 800 Watt anzuheben. Die EU-Verordnung „Requirements for Generators“ besagt, dass Erzeugungsanlagen unterhalb von 800 Watt Wechselstromleistung keine Signifikanz haben. Doch in Deutschland sind in der technischen Norm VDE-AR-N 4105 bislang 600 Voltampere (entspricht 600 Watt) als Obergrenze für eine vereinfachte Anmeldung definiert.
Diese Grenze wird fallen und das Solarkraftwerk am Balkon mit bis zu 800 Watt (Wechselrichterleistung) erlaubt werden. Das BMWK hat den Normgeber (VDE/DKE/FNN) „gebeten“, die Grenze auf 800 Voltampere Wechselstromleistung zu erhöhen und somit den Betrieb von Balkonkraftwerken maßgeblich zu vereinfachen.
Also auch hier bewegt sich etwas in Form von Vereinfachung und Verbesserung der Nutzung von Balkonsolar. Bis aber das alles in trockenen Tüchern ist, ist von der voreiligen Installation entsprechender Balkonsolar-Anlagen mit 800 Watt abzuraten.
Die Zulassung von 800 Watt Steckersolargeräten ist sehr positiv, weil sich auch die maximale Leistung von Solarmodulen kontinuierlich weiterentwickelt. Ein 800-Watt-Wechselrichter kann somit prima mit zwei Modulen kombiniert werden, die eine Leistung von 400 bis 450 Watt Peak haben. Diese sind zunehmend auf dem Markt zu vertretbaren Preisen verfügbar.
Mehr Rechte für Mieter beim Balkonsolar
Bislang gibt es rund um Balkonsolar ganz unterschiedliche Urteile von Gerichten. Im thüringischen Ilmenau führte ein Rechtsstreit über eine Balkonsolaranlag sogar dazu, dass eine Familie ausziehen muss. Andere Gerichte wiesen schon vor Jahren Rückbau-Klagen zurück. Bislang hängt die Duldung oder Nicht-Duldung eines Balkonkraftwerks im Mietverhältnis vom Wohlwollen von Nachbarn, Vermietern, Eigentümergemeinschaften oder sogar Gerichten ab.
In der Photovoltaik-Strategie, die das Wirtschaftsministerium als Entwurf vorgelegt hat, ist die Aufnahme von Steckersolargeräten in den Katalog privilegierter Maßnahmen im WEG/BGB vorgesehen: Im Original-Text heißt es: „Der Betrieb eines Steckersolargerätes muss durch Wohnungseigentümergemeinschaften oder den Vermietenden genehmigt werden. Mit Aufnahme
in den Katalog privilegierter Maßnahmen hätten Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer und
Mietende einen Anspruch auf Zustimmung für den Betrieb eines Steckersolargerätes.“
Die Pläne des Ministeriums sind also ganz eindeutig mieterfreundlich, was gerade bei dieser Technologie unabdingbar ist. Nicht jeder will in einer Grauzone sein. Bislang gibt es nach Einschätzung des Ministeriums 250.000 Mini-Solaranlagen in Deutschland – nur etwas weniger als die Hälfte ist im Marktstammdatenregister auch wirklich eingetragen.
Rückwärtsdrehende Zähler
Werden die Pläne des Entwurfs zur Photovoltaik-Strategie so umgesetzt, werden rückwärtsdrehende Stromzähler bei Anmeldung in Zukunft vorübergehend geduldet. Das Net Metering wird also nicht generell zugelassen, sondern nur für den Zeitraum bis es zu einem Zählertausch kommt. Diese Pflicht gibt der Gesetzgeber dem Netzbetreiber somit in Zukunft vor.
Meldepflichten für Solar am Balkon vereinfachen
Der Bürokratieaufwand soll für die Nutzer von Steckersolargeräten so „gering wie möglich“ sein. Derzeit sind diese Anlagen sowohl im Marktstammdatenregister einzutragen als auch dem Netzbetreiber zu melden. Diese „Doppelmeldung“ soll in Zukunft nicht mehr nötig sein. An dieser Stelle ist die Photovoltaik-Strategie von Wirtschaftsminister Robert Habeck nicht besonders konkret.
Ab 2023 erlaubt der Gesetzgeber nun aller Wahrscheinlichkeit nach die klar vereinfachte Nutzung von kleinen Solaranlagen. Eine Genehmigung beim Vermieter und Netzbetreiber wird nicht mehr notwendig sein. Das alles ist eine extrem positive Entwicklung für Mieter, die an der Energiewende partizipieren wollen. Letztlich steckt jede Menge Positives in Habecks Photovoltaik-Strategie. Bleibt nur die Erwartung, das Gesetze, Verordnungen und Normen schnell umgesetzt werden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.