Battery Day: Musks Trümpfe für Teslas Zukunft

Tesla lädt am 22. September zum Battery Day und wird dort eigene Batteriezellen und Teslas künftige Rolle als Energieversorger vorstellen.

Eigentlich ist es relativ einfach: Die Mission von Tesla ist es, den weltweiten Übergang zu Erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Das schafft Elon Musk durch die Verschmelzung von Auto- und Energiebranche – beide Sektoren befinden sich in einer gewaltigen Disruption. Zum Battery Day, der gerade auf Juni verschoben wurde, will Musk die Energiewelt überraschen – mit einem Frontalangriff auf die Geschäftsmodelle heutiger, überwiegend fossiler Energieversorger und Netzbetreiber.

Elon Musk hält beim Battery Day 2020 sechs Trümpfe in der Hand, die er mit Tesla in den kommenden Jahren ausspielen wird. Er wird damit die alte Autoindustrie, aber auch heutige Elektroauto-Hersteller sowie Energieversorger mit fossilem Geschäftsmodell gnadenlos ausstechen. Kaum ein anderer Mensch auf dem Planeten hat eindeutiger bewiesen, was er besonders gut kann: Märkte umkrempeln. Mit seinen sechs Trümpfen im Ärmel wird Musk nun zu seinem Lebenswerk ausholen.

Der Battery Day 2020 sollte ursprünglich im März 2020 stattfinden, verzögert sich jetzt aber in Richtung Juni. Am vergangenen Wochenende twitterte Elon Musk: “We’re going to have to push out the date or attendance will be very low. Maybe do in two parts: webcast next month & in-person event a few months later?”

Seit Wochen bereits zeigt sich Musk beeindruckt von den Fortschritten („Blows my mind“), die es zu vermelden gibt – angesichts der immer klarer werdenden Aussichten, keine reine Marketingaussage. Tesla verändert mit den neuen Batterietechnologien die komplette Mathematik der Auto- und Energiewelt. Damit werden neue Geschäftsmodelle möglich und lukrativ, die die Tesla-Aktie in ungeahnte Höhen treiben dürften.

Denkbar ist, dass Tesla beim Battery Day sowohl eine Pilotlinie für neu entwickelte Elektroauto-Batterien vorstellen wie auch ein mit den Akkus ausgestattetes Model S zeigen wird. Da Musk immer wieder darauf hinweist, dass er gerne viele Menschen dabei haben möchte, ist es unwahrscheinlich, dass eine reine Video-Präsentation ausreichend wäre. Er möchte, dass die neuen Technologien erfahrbar bzw. sichtbar sind.

Battery Day 2020: Elon Musks sechs Trümpfe

Tesla will mit aller Macht ökonomische Vorteile im Vergleich zu anderen E-Auto-Herstellern realisieren. Die Idee, perspektivisch selbst Flottenbetreiber zu sein und die Autos gar nicht mehr zu verkaufen, ist möglicherweise eher das Endszenario, das Elon Musk und sein Team sich ausgedacht haben. Kurzfristig werden eher andere Geschäftsmodelle realistisch. Möglich macht es die Konvergenz der Technologietrümpfe, die Musk derzeit in der Hand hält.

Erster Trumpf: Materialien

Tesla wird am Battery Day 2020 aller Voraussicht nach zahlreiche Entwicklungen im Bereich Batteriezellen verkünden, die vor allem mit Materialien zusammenhängen. Bekannt ist bereits, dass CATL Tesla eine Lithium-Eisenphosphat-Zelle bietet, die ohne die teuerste Komponente Kobalt auskommen wird. Gleichzeitig arbeitet CATL an NMC-Batteriezellen, die 50 Prozent Nickel und nur noch 20 Prozent Kobalt benötigen soll. Neben diesen künftigen Zelltypen setzt Tesla bislang auch auf NCA-Zellen von Panasonic in der Gigafactory in Nevada und kauft NMC-Zellen von LG Chem.

Darüber hinaus hat Tesla in den vergangenen Monaten immer wieder Patente angemeldet, die aus dem Labor des Wissenschaftlers Jeffrey Dahn hervorgegangen sind. Dessen Team an der Dalhousie-Universität im kanadischen Halifax arbeitet seit 2016 für Tesla – und beendete damals eine über zwei Jahrzehnte währende Zusammenarbeit mit 3M.

Die Patente und wissenschaftlichen Paper, die Dahn in jüngster Vergangenheit publizierte, beschäftigen sich auffallend häufig mit Trocken-Elektroden, die beim Produktionsverfahren vielfältige Vorteile versprechen. In Bezug auf Materialien ist eine andere Bauform (prismatische Zellen statt Rundzellen) denkbar, die insgesamt weniger Material zur Verbindung der Zellen miteinander bedeuten würden.

Hierzu passen auch die Übernahmen von Tesla in jüngerer Vergangenheit: Einerseits vom Ultrakondensator-Spezialist Maxwell Technologies, der eine Trocken-Elektroden-Technologie mit 300 Wattstunden pro Kilogramm auf Pack-Ebene verkündete. Mit der Perspektive, die Energiedichte bis Mitte des Jahrzehnts auf 500 Wattstunden pro Kilogramm steigern zu können. Ebenfalls übernommen hat Tesla Hibar Systems, ein Unternehmen, das spezielle Teile der Produktion spezialisiert ist.

Zweiter Trumpf: Produktionsverfahren

Aus dem Trumpf Materialien ergeben sich Vorteile bei Produktionsverfahren. Es ist zu erwarten, dass Elon Musk beim Battery Day eine Pilot-Produktionslinie für die aus der Zusammenarbeit mit Dahn hervorgegangenen Batteriezellen mit Trocken-Elektrode vorstellen wird. Experten zufolge haben die Trocken-Elektroden vor allem einen Vorteil: Sie müssen nicht im Produktionsverfahren energieintensiv und zeitaufwändig getrocknet werden.

Für eine entsprechende Produktion hat Tesla beim Mischkonzern Hanwha Produktions- und Qualitätssicherungs-Anlagen für die Fabrik im kalifornischen Fremont bestellt. Außerdem gibt es entsprechende Ausschreibungen für Personal.

Erklärte Weiterentwicklung von Tesla ist, dass künftige Batteriefabriken nicht mehr Gigafactory, sondern Terafactory genannt werden sollen. Mit den Fortschritten im Hinterkopf, erscheint das sinnvoll.

Mehr dazu gibt es in diesem, hoch interessanten Video:

Dritter Trumpf: Software

Nehmen wir an, die Entwicklungen in Sachen Material und Produktionsverfahren ermöglichen die Produktion von Batteriesystemen, die die Lebensdauer eines Model S auf 1,5 Millionen Meilen ausweiten. Das würde bedeuten, ein solches Fahrzeug würde ohne merkliche Degradation der Batterien 4.000 Zyklen überstehen. Bei einer Reichweite von 400 Meilen pro Zyklus ein Wert, den ein Normalsterblicher mit dem Auto nicht erreichen kann.

Aber: Die Akkus sollen in Zukunft als Energiespeicher genutzt werden und Geld verdienen, wenn das Auto nicht fährt, sondern beispielsweise auf dem Parkplatz des Arbeitgebers oder über Nacht Zuhause angeschlossen ist. Durch die verbesserte Lebensdauer werden Tesla-Fahrer plötzlich damit einverstanden sein, das Auto für netzdienliche Speicherung freizugeben – zumindest dann, wenn sie nicht fahren möchten.

Dazu passend hat Tesla mit Autobidder die passende Software entwickelt. Diese steuert Energieanlagen wie etwa Energiespeicher, heute beispielsweise schon in Australien bei der Riesenbatterie Hornsdale Power Reserve. Tesla selbst beschreibt die Software Autobidder folgendermaßen:

Autobidder bietet unabhängigen Stromerzeugern, Versorgungsunternehmen und Kapitalpartnern die Möglichkeit, Batterieressourcen autonom zu monetarisieren. Autobidder ist eine Echtzeit-Handels- und Steuerungsplattform, die ein wertbasiertes Asset Management und eine Portfoliooptimierung bietet und es Eigentümern und Betreibern ermöglicht, Betriebsstrategien zu konfigurieren, die den Ertrag gemäß ihren Geschäftszielen und Risikopräferenzen maximieren.

Tesla über die Autobidder-Software auf eigener Homepage
Autobidder Software von Tesla

Die Software soll neben Preis und Bedarf auch die erzeugte Mengen Strom prognostizieren, die Verteilung der verfügbaren Energiereserven selbstständig optimieren und Strom in einem Prozess namens „Smart Bidding“ zu bestimmten Konditionen kaufen und verkaufen können.

Damit kann Tesla nun aus der globalen Elektroauto-Flotte in der Theorie einen virtuellen 75-Gigawatt-Stromspeicher machen (Virtuelles Kraftwerk auf Basis von Vehicle-to-Grid-Technologie) und mit der Zwischenspeicherung der Energie gezielt Geld verdienen. Denn nicht nur in Deutschland gibt es aufgrund des Umbaus der Energieversorgung zu Erneuerbaren Energien zeitweise negative Strompreise.

Auch Großbritannien kennt dieses Phänomen – und genau dort hat Tesla gerade nach Angaben der Zeitung The Telegraph eine Lizenz als Energieversorger beantragt. Der britische Stromanbieter-Markt ist einfacher zu adressieren als beispielsweise der Deutsche mit vielen Hundert Anbietern. Außerdem ist die Nachfrage nach Tesla-Fahrzeugen im Vereinigten Königreich groß. Möglicherweise gibt es dort auch Interesse an größeren Batteriespeichern (Megapacks), wie sie Tesla in Australien und den USA erfolgreich betreibt.

Mit Autobidder kann Tesla aber nicht nur eigene Assets oder die Assets der typischen Tesla-Kunden einbinden, sondern auch andere Speicher- oder Erzeugungstechnologien. Tesla korrigiert hiermit eine Schwäche, die die klassischen Energieversorger bislang nicht in den Griff bekommen haben. Mit dem Ausbau und Vorrang fluktuierender erneuerbarer Energien braucht es Flexibilität bei der Erzeugung. Diese bieten Kohlekraftwerke oder Atomkraftwerke kaum.

Um diese Kraftwerke flexibel zu machen, müssen sie virtuell integriert werden – und mit Energiespeichern gekoppelt. Genau das will Tesla mit Autobidder ermöglichen. Haken an der Sache: Bislang hat natürlich kein Tesla-Fahrzeug die entsprechend lange haltbare Batterie an Bord – und der reziproke Austausch zwischen Netz und Batterie ist bislang nur mit dem Chademo-Steckerstandard möglich, nicht aber mit CCS. Hier muss Tesla also eine Zusatztechnologie anbieten, die mit Sicherheit bereits entwickelt wurde.

Mehr zum Thema Autobidder gibt es hier:

Vierte Trumpf: Zusätzliche Geschäftsmodelle

Wie bei Software angedeutet: Das Neoen Hornsdale Power Reserve-Projekt in Australien hat dem Eigentümer in einem Jahr 50 Millionen Dollar Umsatz beschert. Mehr zu der Technologie gibt es hier:

Lastspitzen glätten, Energie günstig ein- und teuer verkaufen ist ein lukratives Geschäft derzeit. Genau hier will Tesla rein. Und es gibt gute Gründe dafür, dass die Kunden mitmachen werden. Denn mit der 1-Million-Battery im Fahrzeug ist es für sie ausgesprochen lukrativ, die teuer gekaufte Batterie Geld verdienen zu lassen. Tesla kann – als Geschäftsmodell – sogar den Kaufpreis für die Batterie quasi auf 0 setzen und verdient trotzdem Geld daran.

Tesla hat ein Interesse daran, ältere Tesla-Fahrzeuge mit der neuen Batterie auszustatten – und gleichzeitig die alten Fahrzeugbatterien als Pufferspeicher an Supercharger-Standorten einzusetzen. So erhalten selbst die älteren Panasonic-Batterien ein zweites Leben und erzeugen Mehrwert. Gleichzeitig erhält der treue Tesla-Kunde durch den Batteriewechsel ein Auto, das wieder auf dem Stand der Technik ist, mehr Reichweite als jemals zuvor hat und noch dazu Geld verdient.

Fünfter Trumpf: Skaleneffekte durch Massenproduktion

Elon Musk wird gerne mit folgendem Satz zitiert: „Wir müssen die Batterieproduktion auf ein verrücktes Niveau skalieren, das die Menschen sich heute nicht einmal vorstellen können.“ Einerseits, um den globalen Bedarf zu decken, andererseits aber auch, um die Kosten für die Batterieherstellung zu senken. Konkret sollen aus den Gigafactories Terafactories werden, die ungefähr 30 Mal so groß sein könnten als die bisherige Batteriefabrik im Bundesstaat Nevada, in der Tesla gemeinsam mit Panasonic Batteriezellen und Batteriepacks herstellt.

In China kooperiert Tesla bei der Batteriefertigung mit CATL – und dürfte hier ebenfalls an einer Terafactory arbeiten.

Sechster Trumpf: Recycling teurer Materialien

JB Straubel war einst Chief Technology Officer von Tesla eher er sich mit einem sich im Stealth Mode befindlichen Cleantech-Unternehmen namens Redwood Materials selbständig machte. Straubel hat sich schon zu Tesla-Zeiten – er schied 2019 bei Tesla aus – mit Recyclingverfahren befasst. Zwar wird eine direkte Zusammenarbeit zwischen Tesla und Redwood bislang abgestritten – vermutlich deswegen, weil sich Redwood übergreifend als Recycler aller Batterietechnologien sieht.

Es bleibt interessant, zu beobachten, ob Tesla bereits heute Materialien aus recycelten Batterien für die Produktion neuer Zellen verwenden wird. Möglicherweise in Zusammenarbeit mit JB Straubels neuem Unternehmen. Experten gehen davon aus, dass das Ziel, Batteriepacks mit Gesamtkosten von weniger als 100 Dollar pro Kilowattstunde nur unter Einbeziehung recycelter Materialien möglich sind. Wird die entsprechende Batterie zum Battery Day vorgestellt?

Sticht Elon Musk mit seinen sechs Trümpfen in der Hand nun die Konkurrenz aus? Setzt Tesla die angedeuteten Lösungen und Geschäftsmodelle wie vermutet um und erreicht Kosten von wenig als 100 Dollar pro Wattstunde, ist der Konzern in der Lage, die Bereiche Elektrifizierung, Sharing, Autonomes Fahren und erneuerbare Energieerzeugung bzw. Speicherung gleichsam zu disrupieren.

Volkswagen setzt mit seiner Stromhandels-Tochter Elli und der engen Zusammenarbeit mit Northvolt auf eine ganz ähnliche Strategie. Allerdings hat Herbert Diess nicht erst vor wenigen Monaten damit begonnen – und weiterhin mit Software-Problemen zu kämpfen. Musk kann auf hoch spezialisierte Ressourcen zugreifen oder diese gezielt aufbauen – Diess hingegen muss Rücksicht nehmen auf das bisherige Geschäft und auf langjährige Mitarbeiter. Das ist ein gewaltiger Unterschied der Ausgangslage.

Wie Stanford-Professor Tony Seba sagt: „It’s the convergence!“ Er meint: im Zusammenspiel dieser disruptiven Entwicklungen liegt der unschlagbare ökonomische Vorteil, der Energieversorgern, Netzbetreibern, klassischen Autobauern und Herstellern von Stromspeichern das Geschäftsmodell quasi unter den Füssen wegziehen wird. Mit insbesondere einem Profiteur im Zentrum: Tesla.

Update 11. Juli 2020

Nachdem lange nicht klar war, wann der durch die Corona-Krise verschobene Tesla Battery Day stattfinden soll, gibt es nun ein neues Datum: Das Event steigt zusammen mit der Aktionärversammlung am 22. September 2020 in Fremont, Kalifornien. Erwartet wird, dass dort Rundgänge durch die neu aufgebaute Pilotanlage zur Zellfertigung von Tesla-Batterien möglich wird.

Hinweis: Ich gebe mit diesem Artikel keine Aktienempfehlung ab, sondern äußere meine eigene Meinung zu den Entwicklungen rund um Tesla und zum Battery Day. Als Kleinaktionär bin ich im Besitz von Tesla-Aktien.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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