Münchener Hersteller von Baumaschinen elektrifiziert Rüttelplatten, Radlader oder Kleinbagger.
Die Cleantech-Revolution ergreift sämtliche Branchen. Dabei geht der Wandel immer dann besonders schnell, wenn zu den Umweltvorteilen etwas des Elektroantriebs noch weitere Vorteile hinzukommen, etwa Lärmreduktion oder lokale Emissionsfreiheit. Durch den Mut und die Innovationskraft von Mittelständlern wie Wacker Neuson ist beispielsweise die emissionsfreie Baustelle keine Utopie mehr.
Auf der bauma 2019, dem Giga-Event der Baubranche, war eines klar zu erkennen: Alle Hersteller etwa von Baumaschinen setzen mehr oder weniger glaubwürdig auf Hybrid- oder Elektroantriebe, um ihre Produktportfolios sauberer zu machen. Neben denen, die eher wie BMW und andere Autobauer mit Prototypen und Studien glänzen, stachen die hervor, die echte Produkte mit Elektroantrieb zu bieten hatten.
Der wichtigste Vorreiter: Wacker Neuson, das Münchener Bauunternehmen, an dem die Gründerfamilien Wacker und und Neunteufel bis heute mit mehr als 50 Prozent beteiligt sind. Seit 2014 elektrifizieren die Bayern ihre Produktpalette an Baumschinen jeglicher Art von unten. Bedingung: Die Leistungsfähigkeit der Rüttelplatten, Radlader oder Kleinbagger muss dem Verbrenner-Pendant ebenbürtig sein. Außerdem sind die Akkus in drei Handgriffen austauschbar – und modular in jedem Produkt nutzbar.
Früher als andere in der Baumaschinen-Branche und wesentlich konsequenter fährt Vorstandschef Martin Lehner seinen Kurs und erklärt die Zero-Emission-Modellreihe zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Dabei kam der eigentliche Impuls zur Veränderung vom Gesetzgeber: Immer schärfere Richtlinien für sogenannte Offroadausrüstung verlangen eine Verringerung des Ausstoße von Feinstaub und Stickstoff – aktuell um 97 Prozent gegenüber 2002.
Aus der Not, noch ein wenig mehr Effizienz aus Verbrennungsmotoren herauskitzeln zu müssen, machte Wacker Neuson eine Tugend. Seit 2014 ist der erste Akkustampfer serienreif, seitdem werden die Kompaktprodukte konsequent elektrifiziert. „Wir können als einziger Hersteller eine komplette Baustelle in der Stadt völlig ohne Feinstaub- und Stickoxidbelastung bearbeiten“, sagt Lehner gegenüber dem manager-magazin. Werden die Maschinen über Nacht mit Ökostrom geladen, sind die Geräte klimaneutral.
Wacker Neuson: Emissionfreie Baustelle in der Fußgängerzone
Im Januar 2020 realisierte Wacker Neuson eine innerstädtische Baustelle für die Verlegung von Kabeln in Kopenhagen, bei der Lärm-Messungen aus Mangel an Lärm abgeblasen wurden. Mit dabei: Bagger, Dumper, Radlader, Akkustampfer und Akkuplatten. Der wesentliche Teil der Bauarbeiten konnte in der Fußgängerzone mit den Akkumaschinen in deWr Nacht geräuscharm und emissionsfrei bewältigt werden.
Selbstverständlich sind heutzutage nicht sämtliche Maschinen aus dem Portfolio von Wacker Neuson elektrifizierbar. Bei den großen Maschinen, die immer noch den größten Anteil des Umsatzes von 1,9 Milliarden Euro ausmachen, wird mit dem klassischen Geschäft gemacht. Doch auch hierbei werden Aktivitäten angeschoben, um sauberer zu werden: Beispielsweise gibt es Tests mit alternativen Kraftstoffen.
Dennoch: Seit 2015 steigt der Umsatz mit den Baugeräten aus dem Zero-Emission-Portfolio beim bayerischen Unternehmen pro Jahr um 110 Prozent. Mittlerweile laufen zwölf unterschiedliche Maschinen mit Strom – vom Bagger bis zum Betonrüttler. Die Geräte werden größer, die Optionen für Käufer oder Mieter vielfältiger.
Denn die Käufer müssen bei der Anschaffung elektrifizierter Baumaschinen zunächst tiefer in die Tasche greifen- sie kosten 50 Prozent mehr als konventionelle Maschinen. Aber: Sie sind nahezu wartungsfrei und benötigen günstigen Strom im Vergleich zu teurem Diesel. Insgesamt sind die Betriebskosten 70 Prozent niedriger – was zu einer Amortisationszeit von maximal drei Jahren führt.
Mutige Unternehmer brauchen Standvermögen
Das Beispiel Wacker Neuson zeigt, wie mutige Unternehmer zu Pionieren ihrer Branche werden können, wenn sie Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellen. Und zwar genau dann, wenn es neben dem reinen Umweltnutzen auch weiteren Mehrwert bei den Kunden gibt – beispielsweise flexibleres Arbeiten durch Lärmreduzierung oder emissionsfreies Arbeiten in Tunneln oder Minen.
Doch trotz der positiven Wahrnehmung des Wandels bei Wacker Neuson: Im Januar musste das Unternehmen eine Gewinnwarnung herausgeben. Seit 2018 gibt es immer wieder Probleme mit der zuverlässigen Belieferung durch Zulieferer. Umso wichtiger ist es, dass ein Unternehmen wie Wacker Neuson, wenn es sich auf den Weg in Richtung Cleantech gemacht hat, auch stabil bleibt und die Schwierigkeiten überwindet.
Während es bei Volkswagen immer wieder Kritik hinter vorgehaltener Hand am Kurs von Chef Herbert Diess gibt, sind die stabilen Verhältnisse bei Wacker Neuson vorhanden. Die Eigentümer stehen zum grünen Kurs ihres Vorstandschefs, beweisen Standvermögen. Und dieser wird seinen Weg konsequent weitergehen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.