„Besser innovieren ist der einzige Weg nach vorn!“
BDI-Präsident Siegfried Russwurm diskutierte in Kreuztal bei Siegen mit Vertretern von Wirtschaft und Forschung über Auswege aus der Stagnation und forderte u.a. eine „Willkommenskultur für Innovationen“.
Die deutsche Wirtschaft stagniert. Das sogenannte Potenzialwachstum des Landes ist zu gering, wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck immer wieder betont. Zwar geht es vielen Unternehmen aus Deutschland noch gut – aber die Geschäfte machen etwa die Maschinenbauer im Kern im Ausland. Multiple Krisen von demographischem Wandel, über geopolitische Verwerfungen bis zu den Erfordernissen der Dekarbonisierung rütteln am deutschen Wohlstand. Wie kommt Deutschland aus dieser Schwächephase heraus, und welche Rolle spielt Innovation dabei?
Russwurm wirbt für „Willkommenskultur für Innovationen“
Für BDI-Präsident Siegfried Russwurm sind Innovationen der Schlüssel für mehr Potenzialwachstum. Daher plädiert der Mann, der sich selbst als „Klassensprecher der Industrieunternehmen“ bezeichnet, für eine „Willkommenskultur für Innovationen.“ Denn evolutionäre oder disruptive Innovationen können – wenn die Rahmenbedingungen insgesamt stimmen – dazu führen, die aktuelle Investitionszurückhaltung aufzulösen.
„Die Unternehmen sagen mir, sie machen den Großteil ihres Umsatzes im Ausland – deswegen geht es vielen noch gut“, so der Manager. Schließlich sei Deutschland nicht nur ein Innovationsland, sondern auch ein Industrie- und insbesondere Exportland. „Wir leben von der Symbiose aus exzellenten Forschungseinrichtungen und Universitäten mit hoch qualifizierten Ingenieuren und Fachkräften.“ Angesichts der vielen Krisen stehe der deutsche Wohlstand aber von „innen“ und „außen“ gewaltig unter Druck.
„Besser innovieren ist der einzige Weg nach vorn“, sagt Russwurm während einer Keynote Ende August beim „SDFS Impulsforum“ am Campus Buschhütten der Universität Siegen. Deutschland verliere zunehmend Weltmarktanteile an USA und China – und müsse sich mit Geschwindigkeit, Know-How und Klasse im knallharten globalen Wettbewerb behaupten. Dazu fehle es derzeit aber auch an den passenden Rahmenbedingungen (Steuerlast, Bürokratie) und generell an der Verlässlichkeit der Politik.
Achenbach Buschhütten: Ein Traditionsunternehmen meistert den Wandel
Wie das Behaupten und regelmäßige Neuerfinden gelingen kann, beweist das in Siegen-Kreuztal ansässige Unternehmen Achenbach Buschhütten seit Generationen. „Wir haben sehr lange Kundenbeziehungen“, berichtete Geschäftsführer Sebastian Groos beim Impulsforum. „Die stellen uns als Spezialist für Walz- und Folienschneidtechnik zur Herstellung von Aluminium-Flachwalzprodukten ständig vor neue Herausforderungen.“ Ein Baustein, um diesem Druck gerecht zu werden, sei dabei die enge Zusammenarbeit mit der Uni Siegen.
So entstand vor sieben Jahren der „Campus Buschhütten“, dessen Herzstück eine smarte Demonstrationsfabrik bildet. Dort ist unter anderem ein Lehrstuhl für internationales Produktionsmanagement beherbergt. In der großen Halle dreht sich alles um die „Digital Factory“ der Zukunft – hier wird im Zusammenspiel von Industrie und Forschung die Produktion der Zukunft erprobt. Daraus entstehen Innovationen und Investitionen, die den Standort Südwestfalen stärken.
Smarte Demonstrationsfabrik: Verzahnung zwischen Forschung und Industrie
Für Prof. Peter Burggräf (Linkedin), der den Lehrstuhl leitet, ist die „smarte Demonstrationsfabrik Siegen“ daher der Ort, an dem Verzahnung und Vernetzung zwischen Forschung und Industrie im Zentrum steht. Hier in einer alten Fabrikhalle geht es um eine KI-gesteuerte Schweißanlage ebenso wie um Vertical Farming oder die Nutzung „Digitaler Zwillinge“. Dabei können die Innovationen durchaus auch in alten Fabrikhallen untergebracht werden. „Wir denken Fabrikplanung radikal neu: agil, schnell und mehrwertorientiert“, sagt Prof. Burggräf. „Die Zukunft der deutschen Industrie entscheidet sich an Orten wie unserem Campus in Siegen“, ist er sich sicher.
Während des ersten Impulsforums, das Ende August 2024 genau dort stattfand, gab der umtriebige Hochschullehrer schon das nächste Projekt in der Nachbarhalle bekannt: Dort entsteht eine Green Factory. Diese kann die Grundlage sein für konsequent gedachte Kreislaufwirtschaft. Denn bislang ist die große Rohstoffabhängigkeit von China ein gewaltiges Problem – Ressourcen, die aber konsequent wiederverwertet werden, helfen, wettbewerbsfähig zu bleiben.
Green Factory und die „Ideale Fabrik“
Um diese grüne Fabrik der Zukunft Realität werden zu lassen, haben sich die Initiatoren auch mit dem jungen Innovationscluster Südwestfalen verbündet. Aus der regionalen Vernetzung von Branchen, aber auch nebeneinander her laufenden Initiativen soll durch das Cluster eine neue Orchestrierung entstehen, die es möglichst vielen Unternehmen der Region – aus den Bereichen Maschinenbau und Automotive etwa – ermöglichen soll, mit den digitalen, demographischen und Herausforderungen rund um den Klimawandel zurechtzukommen.
Für Matthias Dannapfel, Geschäftsführer des Fabrikplanungsbüros Onefactory, ist regionale Vernetzung und Zusammenarbeit einer der entscheidenden Bausteine auf dem Weg zur „Idealen Fabrik“, die Produktivitätszuwachs ermöglicht und auf die Herausforderungen bei Energieversorgung oder Logistik angepasst ist.
Deutschland muss ein erfolgreicher Innovationsstandort bleiben – davon ist nicht nur BDI-Präsident Russwurm überzeugt: „Das ist – ich mag das Wort nicht, aber hier passt es: Alternativlos.“ Das Beispiel aus dem Siegerland zeigt, dass es heute wichtiger denn je ist, mit anderen Unternehmen und Institutionen zusammenzuarbeiten, um die schwierigen Herausforderung rund um Digitalisierung, Demographie und Klimawandel zu meistern.
Der Einblick rund um die Initiative von Achenbach Buschhütten, Uni Siegen und vielen anderen Akteuren zeigt aber auch, dass sich in Deutschland viel mehr bewegt und verändert, als das öffentlich gemeinhin wahrgenommen wird. Bei solchen Events ist regelrechte Aufbruchstimmung zu erkennen, weil sich Ingenieure, Unternehmer oder Forscher dem Wettbewerb mit China oder den USA stellen wollen – und sich stetig verbessern möchten.
Ein paar Wachstumsimpulse wird die Bundesregierung mit ihrem Maßnahmenpaket voraussichtlich im Oktober verabschieden. Aber, nach Ansicht der Siegener Protagonisten reicht dies noch nicht aus für „Besser innovieren“, mehr Innovationen und Investitionen. Aber der Standort ist letztlich viel besser, als er in der veröffentlichten Meinung dargestellt wird. Die nächste Innovation kommt bestimmt – beispielsweise aus Kreuztal bei Siegen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.