Achtung Desinformation: BILDs Energie-Politik Kommentar
Wenn man den neuesten Kommentar des BILD-Politikchefs liest, tut es tatsächlich körperlich weh – aber nicht aus den Gründen, die er uns glauben machen will. Unter dem Titel „Diese Energie-Politik tut körperlich fast weh!“ versucht BILD, eine Narrativ zu spinnen, das so abwegig ist, dass man sich fragt, ob hier überhaupt noch der Hauch von seriösem Journalismus im Spiel ist.
Zuerst einmal: Die Behauptung, dass Deutschland „teuren Atomstrom“ aus dem Ausland kauft, um Wasserstoff herzustellen, welcher dann wieder verstromt wird, ist so weit von der Realität entfernt wie BILD von seriösem Journalismus. In der Realität sieht die Situation ganz anders aus. Nehmen wir zum Beispiel das „Aquaductus“-Projekt in der Nordsee, das im Bau befindet und überschüssigen Windstrom nutzen wird, um grünen Wasserstoff zu erzeugen.
Hier wird kein Atomstrom, weder teuer noch billig, verwendet. Stattdessen wird die natürliche Ressource Wind genutzt, was in einem Land wie Deutschland, umgeben von Wasser und Wind, nur logisch ist.
Aber warum diese Desinformation? BILD fährt seit Jahren eine Kampagne gegen Robert Habeck und die Grünen, die mit diesem Kommentar einen neuen Tiefpunkt erreicht. Es ist kein geheimer Plan, keine Enthüllung, sondern eine klare Strategie der Desinformation. Das hat nichts mit Aufklärung, Analyse oder gar Journalismus zu tun. Es ist ein gezielter Angriff auf die Energiepolitik der aktuellen Regierung, verpackt in einer Mischung aus Halbwahrheiten und Verdrehungen.
„Kunststück“ der Regierung?
Der Kommentar spricht von einem „Kunststück“ der Regierung, indem sie angeblich Atomstrom aus Frankreich kauft, um Wasserstoff zu produzieren. Doch das ist eine verdrehte Wahrheit. Frankreich steckt energiepolitisch in einer sündhaft teuren Sackgasse, während Deutschland mit Projekten wie Aquaductus eine nachhaltige Zukunft anstrebt. Die Idee, dass Deutschland Atomstrom kauft, um diesen in Wasserstoff umzuwandeln und dann wieder zu Strom zu machen, ist so absurd, dass sie nur in einem Blatt wie BILD als Fakt präsentiert wird.
Olaf Scholz wird hier als jemand dargestellt, der sich selbst widerspricht, weil er angeblich die Fehler der Vergangenheit nicht offen zugibt. Doch das ist eine Vereinfachung, die das komplexe Thema Energiepolitik auf das Niveau eines Boulevardblattes reduziert. Scholz und die Grünen haben sich für eine Energiezukunft entschieden, die auf Nachhaltigkeit und Erneuerbare Energien setzt – eine Entscheidung, die in einem globalen Kontext betrachtet werden muss, wo Klimawandel und Ressourcenknappheit zunehmend drängende Themen sind.
Rot-grüner Atomausstieg? Unsinn!
Zudem ist die Aussage in Bilds Energie-Politik Kommentar, dass der „rot-grüne Atomausstieg“ Schuld am aktuellen Zustand habe, schlichtweg Unsinn. Es war ein schwarz-gelber Atomausstieg, der im breiten, gesellschaftlichen Konsens verabschiedet wurde. Die Union hat über ein Jahrzehnt versäumt, die Erneuerbaren als Ersatz relevant auszubauen, was die aktuelle Situation erst ermöglicht hat.
Ein weiterer Punkt ist die Behauptung, die zuletzt abgeschalteten AKWs hätten besser für die Verstromung in Flaute-Zeiten genutzt werden können als Spitzenlastkraftwerke auf Basis von Wasserstoff. Das ist ebenfalls kompletter Unsinn, denn AKWs sind nicht flexibel steuerbar und können daher nicht effektiv als Spitzenlast genutzt werden. Schon gar nicht wirtschaftlich.
Im Gegensatz dazu kann Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen gespeichert und dann bei Bedarf schnell in Energie umgewandelt werden, was eine viel flexiblere und umweltfreundlichere Lösung darstellt.
Bilds Energie-Politik Kommentar: Keine vierte Gewalt mehr!
Letztlich zeigt dieser Kommentar, dass BILD seine Rolle als vierte Gewalt im Staate verloren hat. Es ist nicht mehr das Auge, das die Macht kontrolliert, sondern ein Sprachrohr für polemische Angriffe und eine Plattform für Desinformation. Jeder, der sich für eine ehrliche und aufklärende Berichterstattung einsetzt, sollte diesen Kommentar als Mahnmal dafür sehen, wo Journalismus enden kann, wenn die Wahrheit zugunsten einer Agenda verzerrt wird.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.