Busse in Augsburg, Oldenburg und Gießen fahren mit Bio-Methan
Bio-Methan wird beispielsweise auf Basis von Agrar-Reststoffen wie Stroh hergestellt und gilt als klimafreundlich
Während Spiegel Online heute titelt, „Stroh im Tank: Warum das Erdgasauto besser ist als das E-Mobil“ hat Deutschlands dritte Stadt ihre Busflotte auf Bio-Methan umgestellt. Eine Tochter der Stadtwerke Gießen hat seit 2006 sukzessive 54 Wagen auf Bio-Erdgas umgestellt. Vorteil: Die Busse von MAN fahren jetzt fast CO2-neutral durch die mittelhessische Studentenstadt.
Die Stadtwerke Gießen wollten damit schon vor 13 Jahren einen nachhaltigen Personennahverkehr in der Stadt ermöglichen – weit vor Diesel-Krise und Debatten über saubere Luft in den Innenstädten. Zuletzt hat die Tochtergesellschaft Mit.Bus drei Gelenkzüge und sieben Solowagen hinzubekommen – allein damit waren Investitionen von 3,4 Millionen Euro verbunden.
Im Vergleich zu Dieselbussen sind die komfortabel ausgestatteten Erdgasbusse etwas teurer in der Anschaffung. Aber in Sachen Schadstoffemissionen sind die neuen Busse natürlich deutlich besser – und solche Emissionen kosten auf lange Sicht viel Geld, das für Gießen nun keine Rolle mehr spielt.
Neben Augsburg und Oldenburg ist Gießen deutschlandweit erst die dritte Stadt, die auf Bio-Methan für die eigene Busflotte setzt. In Gießen kommt das Bio-Methan per Leitungsnetz an – alle Busse werden ausschließlich damit betankt, so die Stadtwerke. Ein normaler Tankvorgang ist in zehn Minuten abgeschlossen. Aufgrund des niedrigen Schadstoffausstoßes erfüllt Gießen im Hinblick auf seine Stadtbusse schon jetzt die CO2-Ziele, die das Pariser Klimaschutz-Abkommen für 2050 vorgegeben hat.
Ich kann Sie zu dieser Entscheidung nur beglückwünschen. Mit Bio-Erdgas liegen Sie ökologisch unschlagbar vorne.
Prof. Ralph Pütz, Hochschule Landshut, Geschäftsführer des Instituts für angewandte Nutzfahrzeugforschung und Abgasanalytik
Unterschiede zwischen Erdgas und Bio-Methan
Bio-Erdgas, wissenschaftlich korrekt als Bio-Methan bezeichnet, ist im Gegensatz zum herkämmlichen Erdgas nicht fossilen Ursprungs – also durch Jahrtausende währende geologische Prozesse im Erdboden entstanden -, sondern wird durch die Vergärung nachwachsender Rohstoffe hergestellt. Beispielsweise von der Leipziger Verbio AG, die Stroh zum entsprechenden Kraftstoff verbiogas verarbeitet.
Das Cleantech-Unternehmen hatte zuletzt auch Deutschlands erste CO2-neutrale LKW-Flotte in Betrieb genommen. Doch während Bio-Methan unter Experten als umweltfreundliche und kostengünstigere Alternative im Vergleich zu reinem Elektroantrieb gilt, wird Bio-Methan als Kraftstoff konsequent von der Politik ausgebremst. Verbio schätzt, allein in Deutschland seien acht bis zwölf Millionen Tonnen Stroh verfügbar – jedes Jahr. Damit könnten vier Millionen Autos betankt werden.
Biomethan aus Reststoffen könnte längst die erste Geige spielen, denn es ist effizient, nachhaltig und günstig. Man müsste ihm nur Gehör schenken. Und zwar mit beiden Ohren.
Claus Sauter, Vorstand der Verbio AG
Dieses Ausbremsen geht soweit, dass aufgrund der Clean Vehicle-Regulierung der EU möglicherweise die Augsburger Busflotte in Zukunft nicht mehr mit Bio-Methan betrieben werden könnte. Elektrobusse werden derzeit mit hohen Summen (bis zu 320.000 Euro) vom Bund gefördert – für Erdgasbusse erhalten die städtischen Betriebe lediglich eine Unterstützung von 10.000 Euro.
Darüber berichtete zuletzt auch Report München:
Verbio wandert mit Stroh-Bio-Methan-Technologie aus
Claus Sauter hat mit Verbio inzwischen übrigens Konsequenzen gezogen: Statt in Deutschland oder EU-weit weiter in die eigene Stroh-Bio-Methan-Technologie zu investieren, strebt das Leipziger Cleantech-Unternehmen nun in die USA und nach Asien. In beiden Regionen wird das Bio-Methan der Leipziger als Biokraftstoff der zweiten Generation ohne Auswirkungen auf Flächenverbrauch für Nahrungsmittelproduktion anerkannt. In Deutschland und Europa seltsamerweise nicht (vgl. Pressemitteilung Verbio).
Die Ergebnisse unserer Studien zeigen, dass Bio-Erdgas mittelfristig die sauberste und wirtschaftlich sinnvollste Lösung ist. Über die nächste Dekade hinaus bleibt der Einsatz von Biogas in Euro-VI-Erdgasmotoren die mit Abstand ökologisch verträglichste und darüber hinaus bezahlbare Option. Die Technikdiktatur, die sich aktuell in der Novelle der EU Clean Vehicles Directive offenbart, erschreckt mich als Wissenschaftler. Daher fordere ich die Politik zur unverzüglichen Rückkehr zu einer Technologieneutralität auf der Basis von Wirkvorschriften auf.
Prof. Dr. Ralph Pütz
Erdgas-Tankstellen: Netz wächst auf 2.000 in Europa
Derzeit gibt es in Europa ein Tankstellennetz für Erdgas von 850. Dieses soll in den kommenden Jahren auf 2.000 Tankstellen ausgebaut werden – damit der Anteil der Erdgasfahrzeuge von 100.000 auf eine Million bis 2025 steigen kann. Im PKW-Bereich setzt beispielsweise Audi auf ökologisch hergestelltes Gas – das sogenannte Audi e-Gas. Die Marke VW bietet neben dem Polo auch den Golf und andere Fahrzeuge mit Erdgasantrieb an.
Ein Projekt in Großbritannien – über das die Sonnenseite berichtet – zeigt indes, dass Bio-Methan, hergestellt aus Lebensmittelresten, auch für die Energieversorgung von Haushalten eine Alternative sein kann. So hat der Biogasanlagenhersteller Weltec Biopower im Winter 2019 in Pontefract in der englischen Grafschaft West Yorkshire mit dem Bau einer großen Bio-Methan-Anlage begonnen. Auftraggeber und Betreiber ist Lanes Farm Energy, an der der Projektentwickler Aqua Consultants beteiligt ist.
Die Anlage wird Ende 2019 in Betrieb gehen und jährlich rund 7,3 Millionen Kubikmeter Biomethan in das britische Gasverteilungsnetz einspeisen. Mit der Menge des umweltfreundlichen Erdgasäquivalents werden rund 9.600 Haushalte nachhaltig mit Energie versorgt. Im Waste-to-Energy-Projekt von Weltec kommt zumindest zur Hälfte aus Lebensmittelabfall. Zusätzlich werden Rinder- und Hühnermist, aber auch Gras- und Grünroggensilage verwertet.
Bio-Methan und Elektromobilität sind die Lösung
Bio-Methan kann eine ausgesprochen umweltfreundliche Lösung für Fahrzeuge sein, das ist definitiv ein Fakt. Die alleinige Fokussierung auf Elektromobilität, zumal batterieelektrische Mobilität, wird wahrscheinlich in den kommenden Jahren an Grenzen stoßen. Denn die Verbesserung des Strommixes durch Zubau erneuerbarer Energien wird an vielen Stellen durch unnötige Hürden ausgebremst.
Konsequent mit Bio-Methan betankte Fahrzeugflotten beispielsweise können auch deshalb eine wichtige Alternative darstellen, damit der Verkehrssektor endlich mehr zur Erreichung der Dekarbonisierungs-Ziele beiträgt als bislang. Um es klar zu sagen: Erdgasfahrzeuge, die mit Bio-Methan betrieben werden, haben genauso ihre Berechtigung wie reine Elektroautos, die mit Ökostrom betankt werden.
Es geht nicht darum, diese Zukunftstechnologien gegeneinander auszuspielen. Aber es wäre wünschenswert, dass die Bundesregierung und die EU nicht die Augen verschließen würden von den Alternativen, die vorhanden sind.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.