Biokohle aus Miscanthus als saubere Alternative für Kohle?

Finanzier Taaleri setzt auf Torrefizierungs-Technologie von Nextfuel in Kraftwerks-Projekten.

Anfang Dezember 2018 berichteten wir erstmals über das schwedische Cleantech-Startup NextFuel, das einen „sauberen Nachfolger“ für Kohle auf Basis von Miscanthus entdeckt haben will. Seit der Vorstellung auf der damaligen Klimakonferenz war es lange ziemlich ruhig um NextFuel. Jetzt kommt öffentlich wieder ein bißchen Bewegung rein: Der finnische Finanzinvestor Taaleri, der im Dezember 2020 ein Biokohle-Kraftwerk ankündigte, will dafür die Torrefizierungs-Technologie von NextFuel einsetzen. Das Projekt entsteht aber im finnischen Joensuu, NextFuel partizipiert über eine Lizenzgebühr.

Konkret geht es um ein Projekt der finnischen Finanz- und Investmentgruppe Taaleri Oyj und des kommunalen Energieunternehmens Savon Voima Oyj, einer Tochtergesellschaft von Savon Energiaholding Oy, einem kommunalen Energieversorger. Sie planen die Errichtung einer großtechnischen Biokohleanlage am Standort des Heizkraftwerks Iiksenvaara von Savon Voima im ostfinnischen Joensuu. Die Kapazität der Anlage, die schon 2022 in Betrieb gehen könnte, liegt bei 60.000 Tonnen pro Jahr.

Das Vorhaben baut auf Finnlands Kohleausstieg auf: Ab 2029 ist dort der Einsatz von Kohle zur Energieerzeugung verboten. Viele Unternehmen oder Kommunen wollen entsprechend bis 2030 klimaneutral werden, während mehrere Energieversorger deutlich früher – schon 2025 – den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung angekündigt haben.

Torrefizierte Biomasse gewinnt an Bedeutung

Torrefizierte Biomasse etwa aus Miscanthus (Elefantengras) soll Kohle nun nicht nur verstärkt in der Energieerzeugung, sondern auch in der Eisen- und Stahlindustrie ersetzen. Die Verbrennung von Biokohle gilt in Finnland als kohlenstoffneutral, weil die Treibhausgasemissionen der Biokohle-Wertschöpfungskette mitsamt Logistik sehr klein sind im Vergleich zur Nutzung von Kohle.

Durch die Nutzung der Torrefizierungs-Technologie von NextFuel glauben wir, dass wir dadurch einen klaren Wettbewerbsvorteil in der Biomasse-Industrie haben. Diese Vereinbarung wird unser Projekt noch weiter stärken.

Taaleri CEO Robin Lindahl

Das ebenfalls am Standort befindliche Heizkraftwerk wird mit Biomasse und Torf befeuert – und wurde von Savon Voima Anfang 2020 von Fortum Power and Heat übernommen. Die neue Anlage soll eine Kapazität von 60.000 Tonnen pro Jahr haben, und rund 15 Millionen Euro kosten.

Einen Teil der benötigten Biomasse könnte NextFuel mit seiner Torrefizierungstechnologie liefern. Diese ermöglicht in einem Verfahren, das 30 Minuten dauert, Kohle aus Biomasse herzustellen. Dabei meint Biomasse, das ist wichtig, gerade NICHT nur Holz, sondern neben fortswirtschaftlichen Rückständen auch schnell wachsende Energiepflanzen wie Elefantengras (Miscanthus) oder Bagasse.

Der Nachteil an der Nutzung von Miscanthus für die Herstellung von Biokohle ist, dass das auch als China-Schilf bezeichnete, sehr hochwachsende Gras, gezielt angebaut werden muss. Allerdings gibt es dabei im Unterschied zum Anbau anderer Energiepflanzen keine Nutzungskonkurrenz der Flächen mit der Nahrungsmittelproduktion. Denn beispielsweise Elefantengras kann auf Grenznutzungsflächen wie etwa Brachflächen angebaut werden.

Der Vorteil der Miscanthus-Biokohle wiederum ist, dass der Energiegehalt mit dem von Kohle vergleichbar ist (22 bis 28 GigaJoule pro Tonne), und die Briketts in existierender Energieinfrastruktur verwendet werden kann. Das ist wichtig, das es überall in Europa gerade einen Hype gibt, Kohlekraftwerke auf die Verfeuerung von Holz-Biomasse umzurüsten – doch die Umbaukosten dafür sind hoch, das Potenzial von Energieholz stark begrenzt – und aus Umweltgesichtspunkten mehr als fragwürdig.

Miscanthus-Wurzeln bleiben im Boden

Miscanthus hat eine weitere Eigenart: Für die Herstellung von Biokohle mit der Technologie von NextFuel, ist lediglich der Schilfteil des Grases nutzbar. Die Wurzeln, die CO2 oder beispielsweise auch Schadstoffe binden, verbleiben im Boden – bis zu 20 Jahre entstehen so neue Energiepflanzen.

Geerntet wird Miscanthus im Frühjahr des Jahres. So verhindert es, dass bei Herbststürmen wertvoller Boden abgetragen wird – und fördert gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit.

Der Energiegehalt ist ähnlich wie bei Kohle (22-28 GJ/t) und die Briketts können in der bestehenden Energieinfrastruktur verwendet werden, wodurch es möglich ist, Kohle schnell und kostengünstig durch eine saubere Alternative abzulösen. Der Brennstoff ist kohlenstoffneutral und kann sogar kohlenstoffnegativ sein, abhängig von der Art der verwendeten Pflanzen und den lokalen Bedingungen.

Wissenschaftler rufen Landwirte zum Miscanthus-Anbau auf

Neben NextFuel selbst gibt es in der EU eine Reihe von Wissenschaftlern, die sich mit der Energiepflanze Miscanthus beschäftigen. Eine davon ist Prof. Iris Lewandowski, die auch in dem im Dezember 2020 ins Leben gerufenen Deutschen Bioökonomie-Rat sitzt, und an der Universität Hohenheim als Chief Bioeconomy Officer fungiert. Sie gehörte zu den Wissenschaftlern des Horizon2020-Projekts namens MAGIC, das sich mit dem Anbau von Energiepflanzen auf Grenzertragsflächen beschäftigte.

Sie erforscht die Eigenschaften von Miscanthus, die allerdings weit über die energetische Nutzung hinausgehen. Beispielsweise sind die Gräser geeignet, um daraus Kunststoffe für die Autoindustrie (Naturverstärkte Kunststoffe, NFK), Baumaterialien oder Chemikalien zu machen. Besonders im Automobilbau kommt eine wichtige Eigenschaft dazu: Kunststoffe auf Basis von Miscanthus sind leichter als Kunststoffe, die aus Erdöl hergestellt werden.

Bild: Uni Hohenheim

Bislang gibt es trotz vieler positiver Eigenschaften nur wenige Landwirte in Deutschland oder der EU, die sich auf Miscanthus konzentrieren. Ein Grund ist, dass die Anbaukosten zunächst im Vergleich zu Mais höhere sind – allerdings entfällt das jährliche säen, weil das Gras über 20 Jahre immer wieder nachwächst.

Mittlerweile fördert auch die EU die Pflanze, und zielt besonders darauf ab, dafür verseuchte und ausgelaugte Böden zu nutzen. Alleine solche Flächen machen in der EU vier Millionen Hektar aus – das entspricht etwa einem Zehntel der Landesfläche Deutschlands oder der Hälfte der Fläche Bayerns. Brachland könnte so wieder zu grünen und sinnvoll genutzten Landschaften werden.

Lösung für die Klimaneutralität von China, Indien oder Indonesien?

Aktuelle Studien zeigen, dass die Welt so schnell wie möglich aus der Verbrennung von Kohle aussteigen muss. China aber beispielsweise baut – ähnlich wie Indonesien oder Indien – nach wie vor neue Kohlekraftwerke. Ein Analyse-Artikel von Cleanthinking zuletzt zeigte, dass es einen satten wirtschaftlichen Gewinn für China bedeuten würde, bis 2030 etwa 600 Kohlekraftwerke abzuschalten.

Doch diese Abschaltung hängt stark davon ab, wie schnell Erneuerbare Energien die Kohlekraft ersetzen können. Das Potenzial für den Anbau von Energiepflanzen auf Grenzertragsflächen ist jedenfalls nicht klein in China: Laut NextFuel könnte Miscanthus auf solchen Flächen 31,6 ExaJoule pro Jahr liefern – und damit 39 Prozent der genutzten Kohle ersetzen.

Derzeit testen mehrere NextFuel-Kunden die torrefizierte Biokohle. Stimmen die Ergebnisse, könnte Miscanthus schnell an Bedeutung gewinnen – und eine saubere Alternative zur Kohle werden.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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