Seit Ende 2022 produziert Carbonauten Biokohlenstoffe im brandenburgischen Eberswalde.
Moderne Pyrolyse-Technologien können entscheidend zur Speicherung und Vermeidung von CO2-Emissionen und damit zur Bekämpfung der Klimakrise beitragen. Mit der Inbetriebnahme des ersten Standortes im brandenburgischen Eberswalde zeigt das Cleantech-Startup Carbonauten, dass die eigene Karbonisierungs-Technologie funktioniert – und vielfältiges Potenzial zur Dekarbonisierung von Industrie und Landwirtschaft bietet.
In der „Minus CO2-Factory 001“ in Eberswalde nutzt das in Giengen in Baden-Württemberg ansässige Cleantech-Unternehmen Carbonauten Biomasse-Abfälle, um daraus in einem innovativen Prozess Biokohlenstoff, hochwertige Öle und thermische, erneuerbare Energien zu gewinnen. Als Input-Stoff kommt dabei insbesondere Alt- und Schadholz zum Einsatz, das das gespeicherte Kohlendioxid bei Verrottung oder Verbrennung wieder freisetzen würde.
Durch das exotherme Karbonisierungs-Verfahren bleibt das Kohlendioxid dagegen in der entstehenden Biokohle gebunden. So bindet eine Tonne dieses Materials bis zu 3,3 Tonnen CO2. Dieser Biokohlenstoff kann anschließend beispielsweise direkt in Böden eingebracht werden, um den bekannten Terra Preta-Effekt auszulösen, und es Pflanzen zu erleichtern, an Nährstoffe heranzukommen. Auch dabei bleibt das Kohlendioxid über Jahrzehnte im Boden gebunden.
Eine andere Lösung ist es, das Biogranulat aus der Karbonisierungs-Anlage anteilig für die Kunststoff- oder Beton-Produktion zu verwenden. Kunststoffe erhalten dadurch sogar teilweise bessere Produkteigenschaften wie zum Beispiel höhere Härtegrade oder eine bessere UV-Beständigkeit. Ein interessantes Produkt ist eine abbaubare Baufolie. Diese wird zunächst zur Abdeckung auf einer Baustelle genutzt, anschließend verkleinert und mitsamt des in ihr gespeicherten Kohlenstoffs in den Boden eingebracht. Aus einer Baustelle wird eine CO2-Senke.
Carbonauten Technologie in der Papierfabrik?
Letztlich erzeugt Carbonauten mit diesem Ansatz sogar Negativemissionen. Das Potenzial weitergedacht ist gewaltig, solange es genügend Inputstoffe und Investoren gibt, die bereit sind, vier Millionen Euro für die kleinstmögliche dieser Fabriken auszugeben. Idealer Partner von Carbonauten kann beispielsweise eine Papierfabrik sein: Diese hat in der Regel ausreichend Abfallstoffe – mit einer Großfabrik mit 20 Pyrolyse-Modulen können aber nicht nur große Mengen Biokohlenstoff und Öl hergestellt werden, sondern überdies 160 Gigawattstunden thermische, erneuerbare Wärme pro Jahr.
Die Demonstrationsanlage in Eberswalde besteht zunächst aus 2 Pyrolyse-Modulen. Gemeinsam erbringen diese einen Output von 3.000 Tonnen technischer Biokohlenstoffe (60 Prozent). Daneben entsteht zu 30 Prozent Synthesegas und zu jeweils fünf Prozent Öl und Abwärme. Carbonauten setzt auf ein von Co-Gründer Christoph Hiemer über Jahre entwickeltes einfaches, langlebiges und kontinuierliches Verfahren. Die zerkleinerte Biomasse wird ohne Sauerstoff bei 400 bis 650 Grad Celsius behandelt. Aus 4.800 Tonnen Biomasseresten entstehen so 1.600 Tonnen Biokohlenstoffe.
Carbonauten arbeitet mit einer Vielzahl von Unternehmen zusammen, um Produkte auf Basis des Biokohlenstoffs herzustellen: So entstanden bereits Fußmatten mit Mercedes-Benz, es gibt eine Zusammenarbeit für die Griffe von Gartengeräten mit Gardena und eine Kooperation mit Nestlé. Zeitgleich ist das mittlerweile 50-köpfige Team dabei, etwa in Afrika oder Südamerika Projekte mit Landwirten beispielsweise zu realisieren.
Bedeutung für Bekämpfung der Klimakrise
Pro Standort will Carbonauten mindestens drei Pyrolyse-Module aufstellen und betreiben. 100 Standorte könnten es bis 2030 werden – dann würde Kohlendioxid im Gigatonnen-Maßstab gespeichert oder vermieden.
Die Nutzung von Biokohle wie sie Carbonauten herstellt, ist laut Mercator Institut definitiv eine Technologie zur Erzeugung negativer Emissionen. „Unsere Tests zeigen, dass unsere Biokohle sehr robust ist und sich nicht einfach wie die, die nach dem HTC-Verfahren produziert wird, nach kurzer Zeit zerfällt und das CO2 wieder freisetzt. Dieses Kern-Bedenken der Autoren des Mercator-Berichts können wir guten Gewissens aus der Welt räumen“, sagt Co-Gründer Torsten Becker.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Gründer von Cleanthinking.de:
Pyrolyse-Technologien sind mittlerweile zuverlässiger Standard und werden vielfältig eingesetzt. Frühere Negativ-Erfahrungen mit Unternehmen, die entsprechende Anlagen versprachen, diese aber nie lieferten, dürften der Vergangenheit angehören. Umso interessanter ist es daher, dass Carbonauten nun tatsächlich mit dem ersten Standort in Brandenburg aktiv sind, und dort die Qualität ihrer Produkte und die Zuverlässigkeit ihres Verfahrens demonstrieren können.
Die Technologie muss aus meiner Sicht definitiv viel stärker auf die Agenda von Politik und Unternehmen sowie Kommunen, denn die zum Prozess gehörende, üppige Wärmebereitstellung ist gerade für Kommunen attraktiv, die Fernwärme-Konzepte entwickeln. Aber auch für die Industrie, die sich etwa durch Abwärmenutzung und andere Lösungen nun ernsthaft mit der Dekarbonisierung beschäftigt, ist die Carbonauten-Technologie ein offenbar hoch attraktives Paket.
(Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 18. Juni 2019. Die letzte Überarbeitung gab es am 22. Dezember 2022.)
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.