Hydrogen to Humber Saltend heißt das Projekt, das die Wasserstoffherstellung aus Erdgas mit CCS nutzen soll.
Der Energiekonzern Equinor hat im Jahr 2019 die Initiative Zero Carbon Humber Alliance ins Leben gerufen. Jetzt starten die Norweger mit Hydrogen to Humber Saltend (H2H Saltend) eine der ersten großtechnischen Anlagen des Landes bzw. der Welt, in der blauer Wasserstoff aus Erdgas hergestellt wird – und zwar in Kombination mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung. Es geht dabei also um den sogenannten blauen Wasserstoff, der in Europa durchaus umstritten ist. Das Projekt soll der Anfang sein, das gesamte Industriegebiet in der Region Humber zu dekarbonisieren.
Hydrogen to Humber Saltend unterstützt somit das Ziel der britischen Regierung, bis 2030 mindestens ein kohlenstoffarmes Industriegebiet und bis 2040 das weltweit ersten Netto-Null-Gebietzu schaffen. Das Equinor-Projekt wird im Chemiepark Saltend in der Nähe der Stadt Hull angesiedelt sein und umfasst in seiner ersten Phase einen 600 Megawatt Auto-Thermo-Reformer (ATR) mit Kohlenstoffabscheidung – die weltweit größte Anlage ihrer Art zur Umwandlung von Erdgas in blauen Wasserstoff.
Diese Erdgas-zu-Wasserstoff-Anlage ermöglicht es den Industriekunden im Park, vollständig auf Wasserstoff umzusteigen, und dem Kraftwerk im Park, auf eine 30-prozentige Wasserstoff-Erdgas-Mischung umzustellen. Als Ergebnis werden die Emissionen des Chemieparks Saltend um fast 900.000 Tonnen CO2 pro Jahr reduziert.
„Gemeinsam mit unseren Partnern planen wir, das größten Industriegebiet Großbritanniens in ein grünes, industrielles Cluster zu verwandeln“, sagt Al Cook, Executive Vice President und Equinors Country Manager für UK.
In seinen späteren Phasen soll das Projekt H2H Saltend ausgebaut werden, um anderen industriellen Nutzer im Park und in der gesamten Humber-Region zu versorgen. Alleine im verarbeitenden Gewerbe sind dort 55.000 Menschen beschäftigt. Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, wird ein groß angelegtes Wasserstoffnetz aufgebaut, das sowohl für blauen Wasserstoff als auch für grünen Wasserstoff (hergestellt durch Elektrolyse von Wasser unter Verwendung erneuerbarer Energie) offen ist.
Außerdem entsteht ein Netz für den Transport und die Speicherung der abgeschiedenen CO2-Emissionen. Es wird geschätzt, dass eine Brennstoffumstellung auf Wasserstoff 43.000 neue Arbeitsplätze in energieintensiven Industriesektoren in ganz Großbritannien schaffen könnte.
Die Kohlendioxidemissionen Equinor-Projekt werden abgeschieden und per Pipeline nach Osten zur unterirdischen Offshore-Speicherung im Endurance-Aquifer in der südlichen Nordsee transportiert.
Die Welt braucht weiterhin mehr Energie bei geringeren Emissionen, damit wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen können. Dies erfordert eine substanzielle Dekarbonisierung der Industrie, bei der unserer Meinung nach Kohlenstoffabscheidung und -speicherung und blauer Wasserstoff eine bedeutende Rolle spielen können und müssen. Gemeinsam können wir den Humber und das Vereinigte Königreich zu einem weltweit führenden Beispiel machen, von dem andere lernen können.
Irene Rummelhoff, Executive Vice President für Marketing, Midstream und Verarbeitung bei Equinor
Potenzielle Inbetriebnahme bis 2026
H2H Saltend wird Teil des Antrags der Zero Carbon Humber Alliance auf öffentliche Ko-Finanzierung in der zweiten Phase des Industrial Strategy Challenge Fund sein, der am 23. Juni 2020 ins Leben gerufen wurde. Vorbehaltlich der unterstützenden Politik Großbritanniens werden Equinor und seine Partner das Projekt bis zu einer endgültigen Investitionsentscheidung im Laufe des Jahres 2023 reifen lassen, mit einer potenziellen Erstproduktion bis 2026.
Es ist nicht das einzige Projekte von Equinor, das die Kohlendioxidabscheidung und -speicherung integriert. im Mai fiel die Investitionsentscheidung für das Projekt Northern Lights. Es handelt sich dabei um Europas erstes kommerzielles Projekt zum Transport und zur Speicherung von Kohlenstoff vor der Küste Norwegens. Wenn die norwegische Regierung im Jahr 2020 eine positive endgültige Investitionsentscheidung trifft, wird die erste Phase voraussichtlich 2024 betriebsbereit sein.
Heute hatte die EU auch ihre European Hydrogen Strategy vorgestellt, in der zum Unmut beispielsweise des deutschen Umweltministeriums auch eine Hintertür für blauen Wasserstoff offengehalten wird. Die Gefahr besteht, dass Energie-, Öl- und Gaskonzerne den blauen Wasserstoff als Chance sehen, weiterhin Erdgas zu fördern. Das ist aber in der Regel mit Treibhausgasemissionen verbunden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.