Elektroautos mit Wasserstoff-Brennstoffzelle haben wenige Vorteile, aber heute (noch) viele Nachteile – Cleanthinking mit dem Überblick.
Die Bundesregierung räumt dem Elektroauto mit Brennstoffzelle in ihrer im Juni 2020 präsentierten Wasserstoffstrategie nur geringe Bedeutung ein. Und das, bwohl Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, Verbände wie der VDI, der Hersteller Hyundai oder die Tageszeitung DIE WELT laut vernehmlich einen schweren Fehler für die deutschen Autokonzerne in dieser Entscheidung wittern. Dieser Beitrag beleuchtet die Argumente und dient als Entscheidungshilfe, ob es sich lohnt, auf einen Brennstoffzellen-PKW zu warten oder es besser ist, auf ein klassisches Elektroauto zu setzen.
Asiatische Hersteller, insbesondere Toyota und Vorreiter Hyundai, haben in den vergangenen Jahrzehnten Milliarden in den Brennstoffzellen-PKW investiert. Hyundai beispielsweise hat sich an Zulieferern wie GRZ Technologies, H2Pro oder Impact Coatings beteiligt, um die PEM-Brennstoffzelle fit für Elektro-PKW und Nutzfahrzeuge zu machen.
Ein Grund: Aufgrund geringer Stückzahlen ist es nach Einschätzung von Hyundai kaum möglich, Zulieferer zur Entwicklung und Produktion entsprechender Bauteile zu bewegen – integriert in den Automobilkonzern ist das einfacher. Hyundai sieht sich jetzt mittlerweile soweit, diese Zulieferkette aufgebaut zu haben – durch konsequentes Handeln über fast zwei Jahrzehnte. Dadurch haben sich die Koreaner einen Vorsprung gegenüber anderen Herstellern erarbeitet.
Europäische Hersteller wie Daimler oder Volkswagen hingegen, haben sich zuletzt vom Brennstoffzellen-PKW verabschiedet. Daimler hat seine Entwicklungen im PKW-Sektor in ein Joint Venture für Nutzfahrzeuge mit Volvo eingebracht, Volkswagen-CEO Diess sieht seit zwei Jahren keine Perspektive für den Brennstoffzellen-PKW in diesem Jahrzehnt („Das ist einfach Unsinn“). Ganz anders Hyundai: Die Koreaner glauben, den Brennstoffzellen-PKW bereits bis 2030 etablieren zu können – nicht nur in Südkorea oder Japan.
Vorteile des Brennstoffzellen-PKW
Die generellen Vorteile des Brennstoffzellen-PKW, die von Herstellern wie Hyundai und Toyota in den Mittelpunkt gerückt werden, sind:
- Rasches Tanken von gasförmigem Wasserstoff: Ein Tankvorgang bei üblicher Tangröße von ca. 6 Kilogramm dauert wenige Minuten.
- Gute Reichweite: Der Hyundai Nexo wird mit einer alltagstauglichen Reichweite von 666 Kilometern beworben, im ADAC-Test im September 2019 schaffte der Brennstoffzellen-PKW 540 Kilometer. Damit kann der Nexo mit allen am Markt erhältlichen Elektroautos mithalten, ebenso mit Plugin-Hybriden.
- Höhere Geschwindigkeit: Mit der Brennstoffzelle an Bord kann das Auto 180 Kilometer pro Stunde problemlos leisten. Beim klassischen, batterieelektrischen Auto hingegen, geht die Reichweite dann rasch verloren.
- Gewicht: Das geringere Gewicht, weil ein Brennstoffzellen-PKW keine große Batterie braucht, ist ebenfalls als Vorteil zu betrachten. Allerdings spielt dieser Vorteil in Nutzfahrzeugen, beispielsweise LKW, eine viel maßgeblichere Rolle. Ein Beispiel: Der Hyundai Nexo hat ein Leergewicht von ca. 1,8 Tonnen, das wirklich große Tesla Model X wiegt (mindestens) 2,39 Tonnen.
- Rohstoffe: Auch ein Brennstoffzellen-PKW ist ein Elektroauto, weil es einen Elektromotor hat. Der Hyundai Nexo hat aber nur eine sehr kleine Pufferbatterie für Beschleunigung und Rekuperation. Daher benötigt ein solches Fahrzeug weniger Lithium und Kobalt. Beide Rohstoffe werden (teilweise!) wenig nachhaltig gewonnen. Allerdings benötigt die Brennstoffzelle andere Rohstoffe (siehe Nachteile).
Nachteile der Autos mit Wasserstoff-Brennstoffzelle
Der größte Nachteil der Brennstoffzelle im Elektroauto ist die schlechte Gesamteffizienz des eingesetzten Wasserstoffs bis hin zur Nutzung im Automobil. Aufgrund der schlechten Bilanz sprechen Experten wie Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW davon, dass Wasserstoff der Champagner unter den Energieträgern sei – und dementsprechend aus volkswirtschaftlicher Perspektive nur dort eingesetzt werden sollte, wo es keine Alternative etwa durch direkte Elektrifizierung gibt.
Einen Überblick zum Thema Effizienz liefert diese Grafik:
Weitere Nachteile der Brennstoffzellen-LKW zusammengefasst:
- Die Ladeinfrastruktur ist schlecht ausgebaut: In Deutschland gibt es laut H2 Mobility derzeit 84 Wasserstoff-Tankstellen – Hyundai hatte bis Ende 2019 100 angekündigt. Dabei ist Deutschland noch vergleichsweise gut aufgestellt: Schaut man nach Osteuropa, Südeuropa oder etwa nach Spanien und Portugal, gibt es keine Möglichkeit mehr, ein Wasserstoffauto aufzutanken.
- Material: Der Hyundai Nexo braucht für die Membran der Brennstoffzelle alleine ca. 40 Gramm Platin. Der Rohstoff wird vorwiegend in Südafrika unter extrem fragwürdigen Bedingungen abgebaut (vgl. Das Dokument von Brot und die Welt im Rechercheordner). Es gibt Bestrebungen für PEM-Brennstoffzellen oder alternative Technologien mit weniger Platin-Bedarf. Im Gegensatz zur kobalt-freien Lithium-Ionen-Batterie sind diese aber bislang nicht marktreif.
- Preis: Der Preis des Hyundai Nexo beginnt bei 79.000 Euro. Ziel von Hyundai ist es, den Preis durch Skalierung der Produktionsmenge zu reduzieren. Heute, so gibt Hyundai zu, ist das Fahrzeug teurer als vergleichbare Elektroautos nur mit Batterien wie das Model Y oder der erwartete VW ID.4.
Entgegen einer Aussage in einem aktuellen WELT-Artikel, ist der Nexo Teil der BAFA-Förderung für moderne Autos. - Wartung: Einer der großen Vorteile jedes Elektroautos ist die banale Technik. Wenn verschiedene Hersteller wie GM oder Tesla mit der 1,6-Millionen-Kilometer-Batterie kommen (was sie 2021 tun), dann haben sie die wichtigste und teuerste Komponente eines reinen Elektroautos so weit entwickelt, dass wenig Verschleiß zu erwarten ist.
Die PEM-Brennstoffzellen-Technik von Hyundai ist definitiv komplexer. An die Brennstoffzelle, die auf unterschiedliche Bedingungen reagieren soll, also nicht dauerhaft wie im Coradia iLint am Optimum betrieben wird, werden durchaus hohe Anforderungen gestellt. Die regelmäßige Wartung ist daher unerlässlich. - Verfügbarkeit: Wie schlecht die Verfügbarkeit des Hyundai Nexo ist, zeigt sich an folgenden Zahlen: Der Hersteller plant 2020 mit 19.000 Fahrzeugen, 2022 mit 40.000 Einheiten und bis 2030 mit ca. 500.000 Autos vom Typ Nexo. Da für Hyundai der Heimatmarkt Südkorea und der japanische und chinesische Markt besonders naheliegend ist, ist es nicht verwunderlich, dass der Nexo Stand heute in Europa schwer zu bekommen ist.
- Lebensdauer: Experten gehen davon aus, dass der Hyundai Nexo eine Lebensdauer von 150.000 Kilometern hat. Das ist vergleichbar mit einem Verbrenner, aber schlechter als ein reines Elektroauto.
- Betriebskosten: Der Hyundai Nexo braucht für 100 Kilometer ca. 1 Kilogramm Wasserstoff. Eine Tankfüllung kostet derzeit ca. 60 Euro, also vergleichbar mit einem Benzin-Fahrzeug. Die Betriebskosten des Elektroautos sind – je nach Auflademöglichkeit – deutlich niedriger.
Um es deutlich zu sagen: Der Hyundai Nexo ist ein faszinierendes, tolles Auto. Er dient hier als Beispiel für PKW mit Brennstoffzelle, weil das Fahrzeug am ehesten verfügbar erscheint. Der Toyota Mirai, eines der weiteren, wenigen Angebote auf dem europäischen Markt, wird 2020 in einer Neuauflage erwatet, ist also derzeit nicht zu kaufen. Hyundai hingegen spricht davon, dass der Nexo „ab Werk“ nicht erhältlich ist, man aber bei Kaufinteresse bei Händlern nachfragen soll.
Fazit: Dieser Beitrag ist noch nicht vollständig, wird um weitere Aspekte ergänzt. Aber aus heutiger Sicht ist es nach unserer Einschätzung nicht rational, auf den Brennstoffzellen-PKW zu warten, weil die Batterie-Elektroautos Nachteile haben, die sukzessive kleiner werden. Wer heute ein neues Auto braucht, sollte eher auf das für seine Bedürfnisse passende Elektroauto warten. Dem grünen Wasserstoff gehört definitiv dieses Jahrzehnt – aber nicht im PKW.
Zu diesem Artikel rund um Brennstoffzellen-PKW gibt es einen frei zugänglichen Rechercheordner mit vielen Quellen, Links und Hintergrundinformationen. Dieser ist hier zugänglich. Über Kritik, Anregungen, weitere Quellen freuen wir uns in den Kommentaren oder direkt via Mail an den Autor unter mj@cleanthinking.de.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.