Verfahren des Cleantech-Unternehmens zur grünen Methanol-Gewinnung soll effizienter und gut skalierbar sein.
Das Berliner Startup C1 Green Chemicals AG will den Schiffstransport mit grünem Methanol dekarbonisieren. Jetzt hat das Cleantech-Unternehmen seine innovative Pilotanlage zur Methanol-Katalyse im Chemiepark Leuna in Betrieb genommen. Hierzu haben die Berliner u.a. einen eigenen Reaktor und einen speziellen, flüssig nutzbaren Katalysator entwickelt. Bislang ist die Methanol-Herstellung fossil, langwierig und energieintensiv, sowie nicht skalierbar. Das Team um den Chemiker Dr. Marek Checinski hat das neue Verfahren auf Basis von Hochleistungs-Computersimulationen entwickelt.
Ein Weg, der auch den ehemaligen BASF-Vorstandschef Dr. Jürgen Hambrecht dazu gebracht hat, sich bei dem Unternehmen zu engagieren. „Der Weg über die Simulationen ist ein großer Vorteil. Die Quantenchemie schlägt hier ein neues Kapitel auf und wird mit zunehmender Rechenleistung immer wichtiger.“ Sie ermögliche es, so Hambrecht, der im Aufsichtsrat der C1 Green Chemicals AG sitzt, chemische Prozesse zu entwickeln, die noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen wären.
Erstes Verfahren: Methanol-Katalyse
Das erste Verfahren, das C1 entwickelt hat, ist eine Methode, um Methanol wesentlich effizienter und nachhaltiger herzustellen. Dazu muss man wissen: Mit 100 Millionen Tonnen Jahresverbrauch ist der Alkohol Methanol eine der wichtigsten Basischemikalien überhaupt – und hat zentrale Vorteile etwa gegenüber Wasserstoff. Daher kann es durchaus der entscheidende Energieträger für die ökologische Transformation sein.
Mit der C1-Technologie kann nicht-fossiles Methanol aus überschüssiger Biomasse, Kunststoffabfällen oder Kohlendioxid und Wasserstoff hergestellt werden. Das Herzstück dabei ist ein besonders wirksamer Katalysator, die die chemischen Reaktionen effizienter macht.
Konkret geht es darum, die bislang weithin genutzte heterogene Methanol-Katalyse durch die neue, homogene Katalyse zu ersetzen. Beim bisherigen Verfahren entstehen unerwünschte Nebenprodukte, die aufwändig aus dem Rohprodukt wieder abgetrennt werden müssen. Bei der homogenen Katalyse der C1 findet die hoch selektive Reaktion in einem Flüssigreaktor statt – und zwar in der homogenen Phase. Bedeutet im Ergebnis: Der Reaktionsdruck und die -temperatur können halbiert werden.
Vorteile des neuen Verfahrens
Und: Unter den genannten Bedingungen kann das Synthesegas beinahe vollständig in Methanol gewandelt werden. Zum Vergleich: Der bisherige Prozess schafft nur zehn Prozent pro Durchgang und führt das übrig bleibende Synthesegas wieder zurück in den Reaktor.
Einen weiteren Vorteil der im Computer simulierten Methode versprechen sich die Unternehmer von der Skalierbarkeit ihres C1-Reaktors: Bisherige Anlagen zur Methanolherstellung müssen sehr groß sein, um wirtschaftlich zu sein. Aufgrund der besseren effizient ist die Technologie des Berliner Cleantech-Unternehmens skalierbar. So wird eine dezentrale Herstellung von grünem Methanol möglich – etwa in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit von Kohlendioxid und Wasserstoff oder entsprechender Abfallstoffe.
Kohlenstoffbasierte Chemieproduktion dekarbonisieren
Doch die Pläne der C1 Green Chemicals AG Berlin gehen noch deutlich weiter als sich nur auf Methanol zu beziehen. Denkbar ist es, auf Basis der entwickelten Technologieplattform, die kohlenstoffbasierte Chemieproduktion zu dekarbonisieren. Alleine das würde mehrere Gigatonnen CO2 einsparen. Logisch, wenn man sich vergegenwertigt, welche große Anzahl an Produkten betroffen sind: Kunst- und Dämmstoffe etwa genauso wie Klebstoffe, Farben, Lacke und Kosmetik. Die Kohlenstoff-Quelle für all diese Produkte könnte Methanol werden.
Die Dekarbonisierung der chemischen Industrie ist für Deutschland eine der größten Herausforderungen im Rahmen der ökologischen Transformation. Werden die Technologien zur Herstellung der wichtigen Basischemikalien wie Ammoniak und Methanol elektrifiziert, braucht allein dieser energieintensive Industriezweig künftig mehr als 600 Terawattstunden elektrische Energie. Dieser Bedarf entspricht in etwa dem gesamten Strombedarf, den Deutschland heute hat.
Hat C1 Green Chemicals die Lösung für die Schifffahrt?
Neben dem Einsatz von Methanol in der Chemieindustrie verfolgt das Berliner Cleantech-Unternehmen eine weitere Idee: Mit Jom Hagemann Snabe verfügt das Unternehmen über einen Unterstützer, der einst als Vorstandsvorsitzender der weltgrößten Reederei Maersk tätig war. Und genau diese Reederei ist die Erste, die durch den Kauf von 12 mit Methanol betriebenen Containerschiffen den Trend in der Branche gesetzt hat: Grünes Methanol als Kraftstoff könnte den Kohlenstoffkreislauf schließen.
Allein die Schifffahrt ist aktuell für den Ausstoß von rund 1,1 Milliarden Tonnen CO₂ (rund drei Prozent der globalen CO2-Emissionen) sowie weiterer gesundheitsschädlicher Luftschadstoffe wie Schwefel- und Stickoxide oder Feinstaub verantwortlich. Durch den Ersatz fossilen Öls durch regenerative Schiffskraftstoffe lässt sich daher jedes Jahr mehr als eine Gigatonne CO2 einsparen. Für Container-Schiffe setzt sich grünes Methanol aktuell als klimaneutrale Treibstoffalternative in der Anwendung durch.
Aber dafür, Schiffsdiesel und Schweröl abzulösen, sind gewaltige Mengen erneuerbares Methanol notwendig. Statt 340 Millionen Tonnen der bisherigen fossilen Kraftstoffe würden 700 Millionen Tonnen synthetisches, klimafreundlicheres Methanol gebraucht. Zum Vergleich: Die bisherige Jahresproduktion für die Chemie liegt bei 100 Millionen Tonnen.
Auch die auf absehbare Zeit auf Verbrennungsmotoren angewiesene Schifffahrt könnten dadurch in weiten Teilen CO2-neutral werden – Methanol kann problemlos in Schiffsdieselmotoren verbrannt werden. „Wenn hier in Zukunft grünes Methanol als Schiffstreibstoff genutzt würde, könnte dies einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten“, ist Vollmann überzeugt. Entsprechende positive Signale und Interesse gibt es bereits aus der Containerschifffahrt.
Plan A Ventures und Maersk investieren
Gegründet wurde C1 Anfang 2022 – wenig später stieg mit der Risikokapitalgesellschaft Planet A Ventures ein Frühphasen-Finanzierer bei den Berlinern ein. Planet A unterstützt Innovationen in vier Schlüsselbereichen: Klima Klimaschutz, Abfallvermeidung, Ressourcenschonung und Schutz der biologischen Vielfalt und stützt sich bei der Auswahl seiner Investments auf ein eigenes wissenschaftliches Team.
Dieses Team hat auch eine Lebenszyklus-Betrachtung der Methanol-Katalyse durchgeführt, die hier eingesehen werden kann.
Einige Monate später gab C1 schließlich den Einstieg von Maersk und ein weiteres Millionen-Investment bekannt. Das stärkt das Cleantech-Unternehmen, die Arbeit an der Methanol-Katalyse für saubere Schiffstreibstoffe fortzusetzen – u.a. im Rahmen des Projekts Leuna100, das den Aufbau einer Pilotanlage im Chemiepark vorsieht. Und zwar dort, wo vor mehr als 100 Jahren die erste Methanol-Synthese überhaupt stattfand.
Traditionsstandort Leuna für Methanol-Synthese
Christian Vollmann (Linkedin), CEO des Cleantech-Unternehmens, hatte das Ziel, mit seinem Team an dem Ort die Pilotanlage in Betrieb zu nehmen, an dem BASF einst die erste kommerzielle Methanolanlage kommerzialisierte. Die Anlage entstand 1923 mit Zinkchromit als Katalysator im ostdeutschen Chemiestandort Leuna.
„Seit zwei Jahrzehnte danach der Kupfer-Zink-Aluminium-Katalysator patentiert wurde, hat sich nichts Maßgebliches mehr an der Technologie verändert“, sagt Marek Checinski. Nach seinen Angaben ist die heterogene Methan-Katalyse „ausoptimiert“.
Leuna100: C1 Green Chemicals nimmt Pilotanlage in Betrieb
Im November 2023 hat C1 einen besonderen Meilenstein erreicht. Das Team um Christian Vollmann hat das eigene Verfahren zur Methanol-Katalyse in Leuna erfolgreich in Betrieb genommen. Im Beisein von Bundesverkehrsminister Volker Wissing konnten die ersten Liter Methanol produziert werden – in den kommenden drei Jahren soll mit Leuna100 bewiesen werden, dass das C1-Verfahren mit geringeren Drücken und Temperaturen klar kommt – und auch in der Lage ist, flexibel auf schwankende Grünstromleitungen zu reagieren.
Ziel ist es, mit einem fundamental neuen Herstellungsverfahren den kosteneffizienten Markthochlauf von grünem Methanol zu ermöglichen und damit der Containerschifffahrt eine klimaneutrale Kraftstoffalternative zu eröffnen.
Synthesegas für die Methanol-Herstellung
Um grünes Methanol herzustellen, wird ein Synthesegas verwendet, das aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff besteht, der durch erneuerbaren Strom erzeugt wird. Im Projekt „Leuna100“ erfolgt die grüne Methanolherstellung in drei Schritten: der Produktion von Synthesegas, der Herstellung von Methanol und der Aufreinigung des Rohmethanols. Die C1-Technologie ermöglicht eine effiziente Produktion von Methanol bei niedrigen Temperaturen und Drücken.
Die zentrale Innovation besteht darin, dass das Leibniz-Institut für Katalyse in Zusammenarbeit mit C1 ein homogenes, Mangan-basiertes Katalysatorsystem entwickelt hat. Dieses System ermöglicht die strombasierte und lastflexible Nutzung der Synthesegaserzeugung, sowie die homogene Katalyse zur Herstellung von Methanol.
Der Vorteil des C1-Verfahrens ist insbesondere, dass es problemlos skalierbar erscheint – ganz im Gegensatz zur aktuellen Gewinnung von Methanol, die energieintensiv, langwierig ist und auf fossilen Energieträgern wie etwa Erdgas basiert. Mit der Neuentwicklung will C1 die technischen Nachteile des bisherigen Verfahrens wie etwa die „ungünstige Geometrie“ geändert haben.
Konkret geh es um „völlig neue Moleküle“, in deren Mitte ein Metallatom, derzeit Mangan sitzt. Außenherum ist ein organisches Molekül, das nicht genauer beschrieben werden darf. Der C1-Kakatalysator lässt sich – ein weiterer Vorteil – in flüssiger Form einsetzen.
Bundesverkehrsministerium fördert Projekt
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) über die nächsten drei Jahre mit insgesamt 10,4 Millionen Euro gefördert. Bundesverkehrsminister Dr. Volker Wissing sagte bei der Eröffnung vor Ort: „In Leuna wird heute Industriegeschichte geschrieben. Das Projekt bedeutet einen Meilenstein für das post-fossile Zeitalter in der Schiff- und Luftfahrt. Mit dem Gesamtkonzept unterstützt das Ministerium die Weiterentwicklung und den Markthochlauf von erneuerbaren Kraftstoffen und damit auch das Erreichen der Klimaziele im Verkehrssektor.”
Die BASF erbaute 1923 die weltweit erste Methanolanlage in Leuna. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Dr. Reiner Haseloff, betonte mit Blick auf diesen historischen Zusammenhang: “Der Chemiestandort Leuna blickt auf eine über hundertjährige Tradition zurück. Er hat sich in dieser Zeit selbstbewusst Herausforderungen gestellt und immer wieder seine Innovationskraft bewiesen. Nun bietet sich die Chance, abermals zum Schauplatz für den Beginn einer neuen Ära zu werden. Das Projekt ‘Leuna100’ leistet einen wichtigen Beitrag für den Einstieg in die zirkuläre Chemieproduktion nicht nur in Sachsen-Anhalt.”
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking.de
Das Vorhaben kann ein entscheidender Schritt für die Dekarbonisierung der Chemieindustrie und speziell der Schifffahrt werden. Das Wasserstoff-Derivat Methanol gewinnt ähnlich wie Ammoniak kontinuierlich an Bedeutung – alleine wegen der überlegenen Transportfähigkeit im Vergleich zu reinem Wasserstoff.
In Leuna wird übrigens nicht nur für die Gewinnung von Schiffstreibstoff an der Methanolherstellung gearbeitet. Das Cleantech-Unternehmen Sunfire hat dort schon im Oktober 2019 eine Elektrolyse zur Herstellung von 500 Tonnen synthetischem Methanol bereitgestellt. Mehr dazu hier: Total startet Pilotprojekt für Methanol ohne Öl
Wie innovativ oder gar disruptiv die Methanol-Katalyse des Cleantech-Unternehmens dann letztlich sein wird, muss die Zukunft zeigen. Die dreijährige Pilot-Phase von Leuna100 wird die passenden Antworten geben. Angesichts der Fülle der Experten, die sich in dem von Chemie-Spezialisten getriebenen Unternehmen zusammengetan haben, weckt Hoffnung, dass C1 bedeutend zur ökologischen Transformation beitragen wird.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.