Transport System Bögl TSB soll nicht nur für den Personennahverkehr, sondern nun auch für den Cargo-Transport demonstriert werden.
Städte und Länder tüfteln an alternativen Lösungen für den Personen- und Container-Transport. Während in den Niederlanden eine Cargo-Transportstrecke zwischen Amsterdam und Rotterdam (Hyperloop) entsteht, haben sich Las Vegas und Miami zur Entlastung von Straßen für ein unterirdisches Tunnelsystem von Elon Musks The Boring Company entschieden. Jetzt rückt mit dem Transrapid 2.0 – dem Transport System Bögl TSB – auch ein deutsches System in den Fokus.
Der Baukonzern Max Bögl aus Sengenthal bei Neumarkt in der Oberpfalz arbeitet seit zehn Jahren an einer Magnetschwebebahn, sozusagen dem Transrapid 2.0. Doch anders als die Technologie von Siemens und ThyssenKrupp soll das Transport System Bögl nicht für den sehr schnellen Langstreckentransport genutzt werden, sondern für Geschwindigkeiten von 160 Kilometer pro Stunde für Strecken zwischen 5 und 50 Kilometern. Güterverkehr soll mit bis zu 120 Kilometer pro Stunde möglich sein.
Der Transrapid als Magnetschwebebahn-Technologie scheiterte für eine Strecke in München vor allem an den Baukosten: Ende März 2008 wurde das Projekt beerdigt als klar wurde, dass die Baukosten mehr als drei Milliarden Euro verschlingen würden. Da half auch Edmund Stoibers berühmte Rede mit der er das Einsteigen ins Flugzeug am Hauptbahnhof schmackhaft machen wollte, nichts. Eine Studie war zuvor von Kosten von 1,85 Milliarden Euro ausgegangen.
Seitdem war das Thema in Deutschland tot – in Shanghai entstand unterdessen eine Transrapid-Strecke, aber bislang ebenfalls ohne großes Potenzial zur weiteren Verbreitung. Ein Grund für die hohen Kosten: Das System basierte auf einer Reihe teurer Spezialanfertigungen – und machte den Transrapid trotz mancher Vorteile im Betrieb letztlich unwirtschaftlich.
2010 entstand dann beim Baukonzern Max Bögl eine neue, viel einfachere und günstigere Technologie. Das Transport System Bögl, also die TSB-Magnetschwebebahn, Lange Zeit unbeobachtet von der Öffentlichkeit entstand in Sengenthal eine 820 Meter lange Testrecke für das innovative Verkehrsmittel – seit Jahren werden hier die Grenzen der TSB-Magnetschwebebahn ausgelotet.
Technologisch unterscheidet sich das TSB entscheidend vom Transrapid: Der Kurzstator-Linearmotor und die eigentliche Schwebetechnik sind im Fahrzeug untergebracht, nicht im Fahrweg. Dazu greift die Technik nicht um die Fahrbahn herum, sondern ist in einen Aggregateträger in Form eines umgedrehten T untergebracht. Dieser greift in eine hohle Fahrbahn durch einen Schlitz von oben.
Und noch einen massiven Unterschied gibt es: Während ein Transrapid-Zug mit zehn Sektionen maximal 150 Tonnen Nutzlast laden kann, und wegen seines Profils lediglich kleinere Einheiten (LD-Container) transportieren kann, ist ein TSB-Zug auf Container und Sattelauflieger ausgelegt.
Diese Unterschiede sorgen für einen nahezu lautlosen Betrieb, bei gleichzeitiger Nutzung des Vorteils der Wartungsfreiheit. Dazu ist TSB robust im Umgang mit Schnee und Eis. Neben Personenbahnen können aber auch andere Aufbauten über die Strecke fahren.
Preislich soll das System bei den Investitionskosten ebenbürtig sein im Vergleich zu heutigen Straßen- oder U-Bahnen. Höhere Taktfrequenz, geringerer Wartungsaufwand durch berührungsloses Fahren und die Möglichkeit des fahrerlosen Betriebs sind dagegen Vorteile, die bei künftigen Stadtverkehrsprojekten bedacht werden dürften. Der Stromverbrauch ist vergleichbar mit dem einer Straßenbahn.
TSB-Magnetschwebebahn: Transport in Flugzeug nach China
So richtig Bewegung in die Pläne zur Vermarktung des Transportsystems kam aber erst in den vergangenen Jahren: Seit Sommer 2020 verkehrt eine Bahn im chinesischen Chengdu auf einer 3,5 Kilometer langen Demonstrationsstrecke.
Der Transport eines Doppelwagens nach China verlief indes spektakulär: Mit einem Großraumflugzeug vom Typ Antonov. Wie groß das Interesse der Chinesen an der Technologie aus Deutschland ist, ist aber bislang nicht bekannt. Ein Vorteil gegenüber dem Transrapid wäre aber, dass Max Bögl alles aus einer Hand liefern würde: Die Fahrzeuge, den Streckenbau und sogar den Betrieb der TSB-Magnetschwebebahn.
Partner von Max Bögl in China ist das Unternehmen Chengdu Xinzhu Road & Bridge Machinery Co. Ltd, das sich die Exklusiv-Rechte für die Magnetschwebebahn-Technologie im Land gesichert hat. Im kommenden Fünf-Jahres-Plan plant die Regierung Chinas Nahverkehrsprojekte mit einer Gesamtlänge von 3.000 Kilometern. Reichlich Potenzial also, dass sich die deutsche Technologie hierbei durchsetzen kann.
Cargo Maglev Demonstrator GmbH gegründet
In diesem Jahr nun könnte noch deutlich mehr Bewegung in die Vermarktung der TSB kommen. Denn: Im Februar gründete der Baukonzern Max Bögl gemeinsam mit Gesellschafter Prof. Eberhard Grossert eine Cargo Maglev Demonstrator GmbH mit Sitz in Braunschweig.
Vielen Dank an startupdetector.de für den Hinweis auf die Neugründung der Cargo Maglev Demonstrator GmbH.
Der Gegenstand des Unternehmens, das vom Max Bögl Projektmanager Dr. Bernd Zamzow geleitet wird:
Entwicklung, Planung, Bau, Transport sowie für den Betrieb erforderliche Leistungen, Materialien und sonstige Aufwendungen für die Erzielung der Demonstrationserprobung eines neu entwickelten Containertransportsystems basierend auf Magnetschwebetechnologie . Dazu zählen unter anderem auch der Bau und Abbau einer Demonstrationsanlage und aller erforderlichen Betriebsmittel für eine temporäre Demonstration am ITS World Congress 2021 in Hamburg sowie anschließende Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten mit dem Ziel, System zur Markt- und Serienreife weiterzuentwickeln. Ein weiterer Gegenstand des Unternehmens ist die Erstellung von Studien und Untersuchungen zu Anwendungsfällen der neu entwickelten Technologie.
Gegenstand der Cargo Maglev Demonstrator GmbH
Noch in diesem Jahr will der Baukonzern also eine temporäre Cargo-TSB-Strecke in Hamburg errichten, um so im Rahmen der Schau für smarte Transportsysteme, ITS World Congress 2021, die Vision von den schwebenden Containern vorzustellen. Stichtag ist der 11. Oktober – dann beginnt die fünftägige Veranstaltung, falls Corona nicht weiterhin jeden Messebetrieb unmöglich macht.
Eine denkbare Anwendung im Hamburger Hafen betrifft die Verteilung von Ladung zwischen den stark frequentierten Container-Hubs der Hafenterminals. Außerdem kann ein TSB Cargo auch eingesetzt werden, um diese Terminals an Verteilzentrem im Umland anzubinden. Dort können die Container von der Magnetschwebebahn auf LKW oder andere, konventionelle Bahnsysteme umgeladen werden. Denkbar wäre hier auch eine Kopplung mit dem System des Leipziger Cleantech-Unternehmens Cargobeamer.
Laut norderlesen.de hat der Bund für das Vorhaben sechs Millionen Euro zur Verfügung gestellt.
Nach Ansicht von Bögl ist das TSB Cargo besonders für Anwendungen geeignet, wo einzelne Container über kurze Distanzen verteilt und möglichst rasch von A nach B gebracht werden müssen. Ein Beispiel könnte der Containerumschlag in Seehäfen sein. Beim fahrerlosen TSB ist keine Zugbildung notwendig – der Takt zwischen den Einheiten kann 20 Sekunden betragen. So könnten 4.000 Container pro Tag bewegt werden. Schon in fünf Jahren, also in 2025 will Bögl erste Anwendungen realisiert haben.
Neben München hat auch Berlin Interesse an einer TSB-Magnetschwebebahn signalisiert. Möglicherweise beginnt bald die Stunde des Transrapid 2.0 für den kleinteiligen Personen- oder Cargo-Transport in Häfen, Flughäfen oder innerstädtisch. Mit der Gründung der Cargo Maglev Demonstrator GmbH ist jetzt ein weiterer, wichtiger Meilenstein erreicht worden – ob es klappt, bis Oktober eine Teststrecke in Hamburg zu realisieren?
Meilensteine Transport System Bögl
- 17. Februar 2020: Kommt es bald zu einer Magnetschwebebahn TSB in München? Es wäre sozusagen die Vision des Transrapid 2.0 nach der berühmten Stoiber-Rede. Im Februar 2020 wurde ein Gutachten zur Machbarkeit einer Strecke am Münchener Flughafen beauftragt. Denkbar ein ovaler Rundkurs, der einzelne Teile des Flughafens miteinander verbindet.
- 10. Juni 2020: Das erste, serienreife Zwei-Sektionen-Fahrzeug des Transport System Bögl TSB ist auf dem Weg nach China. Dort soll es auf der Demonstrationsstrecke in Chengdu zum Einsatz kommen. Diese ist 3,5 Kilometer lang.
- 19. August 2020: Das Eisenbahn-Bundesamt hat wesentlichen Teilen von Fahrzeug und Fahrweg bescheinigt, die Anforderungen zu erfüllen, und somit zulassungsfähig zu sein. Die Aussage des Eisenbahn-Bundesamtes ist ein wichtiges Signal für den kommerziellen Einsatu der TSB-Magnetbahntechnik im Personen- und Cargo-Transport-Verkehr.
- Februar 2021: Neben dem Personennahverkehr steht das TSB auch für den Cargo-Transport zur Verfügung. Jetzt wurde die Cargo Maglev Demonstrator GmbH ins Leben gerufen, um eine Teststrecke in Hamburg zu bauen.
- Oktober 2021: Gelingt der Bau in Hamburg, könnte das TSB Cargo ab Mitte Oktober 2021 der Weltöffentlichkeit vorgestellt werden.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.