Mainzer Wissenschaftler produzieren Vanillin durch Elektrolyse von Lignin in Natronlauge.
Das ‚braune Gold‘ Vanille ist eines der teuersten Gewürze überhaupt, zeitweise sogar teurer als Gold oder Silber. Aufgrund des hohen Preises und der Ausbeutung der Bauern auf Madagaskar, den Komoren und La Réunion, hat sich die Nutzung des künstlichen Aromastoffs Vanillin etwa in Lebensmitteln etabliert. Doch dessen Erzeugung basiert auf Erdöl und setzt giftige Substanzen frei. Daher haben sich Mainzer Forscher mit der wirklich nachhaltigen Vanillin-Herstellung befasst – und kürzlich ist ihnen ein geschmackvoller Durchbruch gelungen.
Vanille ist eine Orchideenpflanze, die ausschließlich von Bauern auf Madagaskar, den Komoren und La Réunion, von Napoleon einst als Bourbon-Insel bezeichnet, aufgebaut wird. Doch aufgrund der hohen Preise von ca. 600 Euro pro Kilogramm sind entsprechende Plantagen häufig das Ziel von Dieben. Auch dadurch sinken die Einnahmen der Kleinbauern massiv – trotz der hohen Preise.
Vanille, insbesondere die echte Bourbon-Vanille, ist beliebt, weil sie nicht nur als dezentes Aroma in Eis, Kuchen oder anderen Leckereien genutzt werden kann, sondern auch als Duftstoff in Seifen, Körperlotionen, Shampoos oder Raumdüften. Die Alternative zur Original-Vanille ist synthetische Vanille, als Vanillin bezeichnet. Sie wird gewöhnlich aus Erdöl gewonnen, wobei giftige Abfälle entstehen. Dazu gibt es ein Verfahren auf Basis von Holzresten (Lignin), aber wird Kupfer benötigt, was die Technologie sehr teuer macht.
Die Wissenschaftler der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz haben jetzt eine wirklich nachhaltige Methode entwickelt, um den Aromastoff Vanillin zu gewinnen. Auch auf Basis von Lignin, aber ohne negative Effekte oder teure Rohstoffe. Im Verfahren, das gerade in einer Fachzeitschrift vorgestellt wurde, wird Lignin in Natronlauge gegeben und auf 160 Grad erhitzt.
Lignin-Elektrolyse kann herkömmliche Technologie mit Erdöl ersetzen
Anschließend wird das Gemisch in einer einfachen Elektrolysezelle mit Nickel-Elektroden unter Strom gesetzt. Dadurch wird das Lignin oxidiert und ersetzt – es entsteht nach Angaben der Forscher Vanillin, das so hochwertig ist, dass es als ’natürliches Vanillin‘ vermarktet werden darf.
Diesem Durchbruch war jahrelange Forschung vorausgegangen, wie Prof. Siegfried Waldvogel vom Spitzenforschungsbereich SusUnnoScience betont. „Weil unsere Methode einen Vanillinertrag von rund vier Prozent des eingesetzten Lignins hat, könnte man damit theoretisch sehr leicht den weltweiten Vanillinbedarf decken“, so Waldvogel.
Das künstliche, braune Gold ist global der bedeutendste Aromastoff überhaupt. Jedes Jahr werden mehrere zehntausend Tonnen genutzt, um Lebensmittel zu produzieren oder Kosmetika und Medikamente mit entsprechendem Aroma zu versehen. Lignin fällt jährlich im Umfang von mehr als 100 Millionen Tonnen als Abfall bei der Zellstoffherstellung an und wird dann – bislang – im Wesentlichen verbrannt.
Waldvogel ist sich sicher, eine bedeutsame Alternative für den Markt geschaffen zu haben, die nicht nur geschmacklich funktioniert, sondern auch wirtschaftlich. Gespräche mit Partnern aus der Industrie sind bereits in Gang gekommen. Im Rahmen des EU-Projekts LIBERATE soll das bisher ausschließlich im Labor getestete Verfahren bald in größerem Umfang genutzt werden. Dazu wird derzeit beim norwegischen Forschungsinstitut SINTEF, mit dem die Mainzer eine kooperieren, eine Pilotanlage realisiert.
Noch ein Tipp: Wer nachhaltig Vanille aus Madagaskar möchte, sollte bei diesem kleinen Online-Shop vorbeischauen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.