Grünes Acetat aus H2 und CO2: Wie Again die grüne BASF werden will
Bietet das Cleantech-Startup Again die weltweit günstigste und flexibelste Lösung für Carbon Capture?
Das Cleantech-Startup Again, ein Spinoff der TU Dänemark, strebt danach, in der nachhaltigen Chemieindustrie als eine Art „grüne BASF“ zu agieren. Das Unternehmen nutzt eine saubere Technologie, die auf natürlichen gasverzehrenden Bakterien basiert, um Kohlendioxid aus Industrieprozessen in Kombination mit Wasserstoff in grüne Basischemikalien wie grünes Acetat umzuwandeln. Vor kurzem hat das Unternehmen erfolgreich frisches Kapital aufgenommen und plant den Bau seiner ersten Anlage.
Again entstand im Jahr 2021 als Ausgründung aus der Technischen Universität Dänemarks, nachdem zuvor zehn Jahre lang an dem Prozess für die Gewinnung grüner Basischemikalien geforscht wurde. CEO ist heute der Co-Gründer und Mikrobiologe Torbjørn Ølshøj Jensen.
Co-Gründer ist auch der Deutsche Maximilian Kufner, der als Management-Consultant arbeitete und zuletzt beim Berliner Venture Capitalist Atlantic Labs wirkte. Dritter im Bunde ist der zweite Wissenschaftler Alex Nielsen, der das Verfahren zusammen mit Jensen entwickelte, das nun die industrielle Reife erreicht haben könnte.
Kufner ist COO des Cleantech-Unternehmens, das Wasserstoff und Kohlendioxid kombiniert und in einem Bioreaktor so einsetzt, dass spezielle Bakterien daraus die Basischemikalie grünes Acetat machen. Kann das Verfahren in industriellen Maßstab skaliert werden, besteht das Potenzial, etwa die Herstellung von Kleidung, Klebstoffe oder Brillengestellen umzukrempeln – denn all diese und viele weitere Produkte sind auf Acetate angewiesen. Als solche werden laut Wikipedia die Salze und Ester der Essigsäure bezeichnet.
Nachhaltige Chemieindustrie als Hoffnungsträger
Die nachhaltige Chemieindustrie ist einer der absoluten Hoffnungsträger für die erfolgreiche Transformation sowie die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Industrie. Oft wird dabei das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid in Kombination mit grünem Wasserstoff verwendet. Die Besonderheit an dem Again-Verfahren liegt darin, dass innerhalb des Prozesses besonders günstig und effektiv CO2 aus Industrieabgasen herausgefiltert wird.
Again setzt direkt am Abgasrohr auf dem Werksgelände von Chemieunternehmen an – und gibt an, es sei nicht erforderlich, „eine separate CO2-Abscheidung vorzuschalten.“ Durch den Again-Prozess entstünden den Unternehmen keine laufenden Kosten – daher sei die Technologie die „weltweit günstigste und flexibelste Lösung für Carbon Capture.“
Weltweit ist die Industrieproduktion laut Internationaler Energie-Agentur IEA für etwa ein Viertel der direkten CO₂-Emissionen des Energiesystems verantwortlich. Die breite Nutzung dieser Emissionen als Rohstoff für Chemikalien scheiterte bisher aber an der Energie- und Kostenintensität der verfügbaren Technologien.
Agains Biomanufacturing-Prozess stellt einen Paradigmenwechsel dar, indem er die energie- und kostenintensive Extraktion und Reinigung des CO₂ überflüssig macht.
Again-Gesamtfinanzierung bei mehr als 54 Millionen Euro
Ende November 2023 gab das Cleantech-Startup Again eine weitere Finanzierungsrunde bekannt. Daran beteiligt waren, neben dem Geldgeber von Co-Gründer Kufner, Atlantic Labs, auch Google Ventures und Acme Capital, ein Frühphasenfinanzierer. Diese Runde brachte mehr als 12 Millionen Euro ein, so dass sich das insgesamt eingeworbene Kapital auf mehr als 54 Millionen Euro erhöht hat.
„ACME, GV und Atlantic Labs haben das Potenzial von Biomanufacturing im Kampf gegen den Klimawandel erkannt. Sie sind starke Partner auf unserem Weg zu einem Geschäftsmodel, das gleichzeitig profitabel ist und das Klima schützt“, so Kufner.
Zusätzlich zur VC-Finanzierung hat Again auch öffentliche Fördermittel erhalten, einschließlich der €43 Millionen des auf Agains Technologie aufbauenden PyroCO₂-Projekts aus dem Horizon-Programm der Europäischen Union.
Fakten im Überblick:
- Cleantech-Startup Again gibt Finanzierungsrunde bekannt
- Beteiligte: Atlantic Labs, Google Ventures und Acme Capital
- Eingeworbene Summe: über 12 Millionen Euro
- Insgesamt eingeworbenes Kapital: über 54 Millionen Euro
Kürzlich kündigte das Unternehmen den offiziellen Start seiner ersten Kohlendioxidverwertungsanlage in der dänischen Hauptstadt Kopenhagen an. Mit der Anlage fängt Again bis zu eine Tonne CO2 jeden Tag ab und wandelt dieses Treibhausgas in Acetat und Essigsäure um. Wichtig dabei: Pro Tonne Produkt werden so bis zu drei Tonnen Kohlendioxid vermieden. Letztlich entstehen so CO2-negative Chemikalien.
Das zeigt: Die Prozesse, um grünes Acetat herzustellen, sind ausgereift und die Hauptaufgabe besteht nun darin, diese auf industrielle Maßstäbe zu skalieren.
Die ersten kommerziellen Anlagen wird Again mit dem frischen Kapital auf dem Bankkonto wahrscheinlich in den USA errichten, wo Joe Biden mit Steuergutschriften seines Inflation Reduction Act lockt. „Leider gibt es in der Europäischen Union keine vergleichbare Regulierung“, so Kufner gegenüber dem Handelsblatt.
Grüne BASF: Impact einer sauberen Chemieindustrie
Die Chemieindustrie hat im Jahr 2022 935 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Der Prozess des Jung-Unternehmens hat das Potenzial, reichlich zu einer sauberen Chemieindustrie beizutragen. Besonders die Verknüpfung ist hervorzuheben: Ohne negative Umweltauswirkungen entstehen nachhaltige Chemikalien wie grünes Acetat.
Die Vorstellung der Technologie könnte der Beginn einer Phase sein, in der die biologische Herstellung von Chemikalien auf Basis von Kohlendioxid erheblich an Bedeutung gewinnt. So könnten Wertschöpfungsketten von fossilen Rohstoffen entkoppelt werden.
Einschätzung von Martin Jendrischik, Cleanthinking-Gründer
Again ist ein hoch innovatives Cleantech-Startup, das die besten Eigenschaften von Clean Thinking in eine Branche bringt, die schwer zu dekarbonisieren ist. Jeder Prozess, der auf solche Weise umgestellt werden kann, hat richtig Impact und bringt die Industrie voran. Die Köpfe hinter dem Jung-Unternehmen sind erfahren und spezialisiert – eine großartige Mischung, um das zarte Pflänzchen gebührend wachsen zu lassen.
Grünes Acetat für Europa und Nordamerika – diese wichtige Basischemikalie könnte tatsächlich bald sauber werden – und zahlreiche Produktionsketten ebenfalls klimafreundlicher machen. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern hilft auch der Emissionsbilanz von Unternehmen, Ländern und des gesamten Erdballs. Die Vision ist stark – jetzt gilt es, die richtig gestellten Weichen auszubauen. Das werde ich persönlich sehr eng verfolgen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.