
CO₂-Preis-Schock droht: Warum Deutschland auf die Klima-Krise im Heizkeller nicht vorbereitet ist
„Vier verlorene Jahre für den Klimaschutz“ – Lisa Badum über die Risiken des Koalitionsvertrags
Droht den Verbraucher*innen ein CO₂-Preis-Schock? Die Heizkosten in Deutschland stehen vor einer Zeitenwende. Mit der Ausweitung des EU-Emissionshandels (ETS 2) auf Gebäude und Verkehr ab 2027 werden fossile Energieträger wie Gas und Heizöl deutlich teurer. Doch wie eine repräsentative Umfrage des schwedischen CleanTech-Unternehmens Aira zeigt, sind die meisten Deutschen weder ausreichend informiert noch vorbereitet auf die finanziellen Folgen. Nur fünf Prozent der Befragten schätzen die möglichen Mehrkosten von bis zu 1.400 Euro jährlich für ein Einfamilienhaus mit Gasheizung realistisch ein.
„Viele unterschätzen, was der CO₂-Preis für das eigene Zuhause bedeutet“, warnt Daniel Särefjord, CEO von Aira Deutschland. Während die künftige Bundesregierung unter Friedrich Merz auf marktwirtschaftliche Steuerung setzt, warnen Kritiker wie Lisa Badum vor einem drohenden Stillstand der Wärmewende und einer neuen Klima-Krise auf dem Heizmarkt.
Die Aira-Umfrage: Ein Weckruf für Deutschland
Im März 2025 befragte Aira in Zusammenarbeit mit Appinio 1.000 Menschen in Deutschland, Durchschnittsalter 41,5 Jahre, zu ihren Erwartungen und ihrem Wissen über den CO₂-Preis. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur fünf Prozent schätzen die potenziellen Mehrkosten bei einem CO₂-Preis von 200 bis 300 Euro pro Tonne im Jahr 2030 korrekt ein. Dabei basiert das Szenario auf Modellierungen des Mercator Research Institute (MCC, 2023), die bewusst die oberen Prognosen wählen, um die Risiken eines ausbleibenden Klimaschutzes aufzuzeigen.
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23 Prozent der Befragten erwarten weniger als 500 Euro Mehrkosten trotz CO₂-Preis-Schock, 33 Prozent liegen zwischen 500 und 800 Euro, und knapp 20 Prozent trauen sich keine Schätzung zu – ein klares Zeichen für mangelndes Detailwissen.
Noch alarmierender ist die soziale Dimension: Rund ein Drittel (32 Prozent) der Befragten möchte zwar handeln, fühlt sich aber durch finanzielle, praktische oder soziale Hürden blockiert. Besonders Menschen mit geringerem Einkommen zeigen zwar Bereitschaft, Maßnahmen wie einen Heizungstausch oder eine Sanierung umzusetzen, scheitern aber oft an den Kosten oder weil sie zur Miete wohnen.
„Rund ein Drittel möchte handeln, hat aber das Gefühl, es nicht zu können – ein Hinweis auf praktische, soziale oder finanzielle Hürden“, fasst die Aira-Studie zusammen. Gleichzeitig haben 35 Prozent keine Details zur Neuausrichtung des CO₂-Preises und 23 Prozent noch nie davon gehört. „Die mangelnde Vertrautheit mit diesem System könnte es den Haushalten erschweren, sich auf absehbare Mehrkosten individuell vorzubereiten“, warnt Aira.
Daniel Särefjord unterstreicht die Dringlichkeit: „Wer heute noch mit Öl oder Gas heizt, muss sich auf dauerhaft steigende Belastungen einstellen. Jetzt ist der Moment, die Weichen neu zu stellen – mit der Wärmepumpe als Schlüssel zu Unabhängigkeit und planbaren Heizkosten.“
Aira positioniert sich dabei als Lösungsanbieter: Das Unternehmen bietet ein Rundum-Paket für Wärmepumpen, inklusive Energieanalyse, Förderberatung, Installation durch lokale Teams, 15 Jahre Garantie und monatlicher Ratenfinanzierung. „Bei Aira wollen wir diesen Umstieg so einfach und bezahlbar wie möglich machen“, so Särefjord.
Politische Reaktionen auf den CO₂-Preis-Schock: Hoffnung oder Rückschritt?
Die Umfrageergebnisse fallen in eine Zeit, in der die künftige Bundesregierung unter Friedrich Merz (CDU) den Emissionshandel als zentrales Instrument der Klimapolitik sieht. Merz selbst machte kürzlich deutlich: „Wenn uns der Umwelt- und Klimaschutz etwas wert ist, dann wird es teurer“, sagte er im TV-Gespräch mit Caren Miosga. Die Kosten für Heizen und Tanken sollen steigen, „damit die Bürger einen Anreiz haben, damit sparsamer umzugehen.“
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Doch konkrete Pläne, wie die Bürger entlastet werden, bleiben vage. Auf die Frage nach einem Klimageld erklärte Merz, die Einnahmen des Zertifikatehandels sollten „auch den Bürgern zugutekommen“, doch wann und wie sei „noch zu besprechen.“
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) sieht im ETS 2 ein bewährtes Instrument. „Hohe Kohlendioxidemissionen sind der Hauptverursacher des menschengemachten Klimawandels. Der Europäische Emissionshandel führt seit 2005 für CO₂-Emissionen in der Industrie und Energiewirtschaft daher erstmals einen Preis ein“, erklärt BMWK-Sprecher Stephan Gabriel Haufe auf Cleanthinking-Anfrage. Ab 2027 werde der Preis nicht mehr staatlich festgelegt, sondern durch Angebot und Nachfrage am Markt bestimmt.
„Ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere der beschleunigte Umstieg auf Elektromobilität und klimafreundliche Wärme, könnten die Preise dämpfen“, so Haufe. Die Einnahmen aus dem ETS 2 sollen in einen EU-Klimasozialfonds fließen, um „Haushalte beim Umstieg auf klimafreundliche Alternativen zu unterstützen und soziale Härten abzufedern.“
Doch während das BMWK auf marktwirtschaftliche Steuerung und soziale Ausgleichsmechanismen setzt, wächst die Kritik am Kurs der künftigen Koalition aus CDU, CSU und SPD. Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen, sieht im Koalitionsvertrag auf Anfrage von Cleanthinking.de eklatante Schwächen: „Trotz der Lippenbekenntnisse zur Klimaneutralität 2045 fehlt es dem schwarz-roten Koalitionsvertrag an wirksamen neuen Maßnahmen.“
Besonders problematisch sei die Strategie der Union, „die wachsende Klimaschutz-Lücke mit CO₂-Zertifikaten aus dem Ausland zu stopfen.“ Badum warnt: „Nach geltendem Recht müssen die Emissionen bei uns in Deutschland eingespart werden. Eine Zielverfehlung könnte EU-Strafzahlungen in Milliardenhöhe nach sich ziehen.“

Noch brisanter ist ihre Warnung vor einem möglichen Aus für den ETS 2: „Die Zukunft des ETS2 ist ungewiss – hier hoffen Einige in der Union augenscheinlich darauf, dass ihre Verbündeten in Osteuropa die Einführung auf EU-Ebene in letzter Minute stoppen.“
Verstärkt wird diese Sorge durch Berichte, dass Medien wie die Bild-Zeitung bereits Stimmung gegen den ETS 2 machen, was die Akzeptanz in der Bevölkerung weiter untergräbt.
Badum kritisiert zudem die geplante Abschwächung des Gebäudeenergiegesetzes: „Ohne ein klares Bekenntnis zu Wärmepumpen und Fernwärme werden viele Hausbesitzer weiter Öl- und Gasheizungen einbauen und sich auf Jahrzehnte an fossile Lieferungen binden.“
Ihr Fazit ist düster: „Wenn CDU, CSU und SPD ihren Koalitionsvertrag vollständig umsetzen, wird Deutschland seine nationalen und europäischen Klimaziele verfehlen. Das bedeutet neue Verfassungsklagen, hohe EU-Strafzahlungen und vier verlorene Jahre für den Klimaschutz.“
Die drohende Klima-Krise auf dem Heizmarkt
Die Aira-Umfrage zeigt nicht nur Wissenslücken, sondern auch die Dringlichkeit, die Wärmewende entschlossen voranzutreiben. Der CO₂-Preis soll als Lenkungsinstrument den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, doch die hohen Kosten drohen, Millionen Haushalte zu überfordern – insbesondere einkommensschwache.
„Die mangelnde Vertrautheit mit diesem System könnte es den Haushalten erschweren, sich auf absehbare Mehrkosten individuell vorzubereiten“, heißt es in der Aira-Studie. Gleichzeitig zeigt die Umfrage, dass nur neun Prozent der Befragten bereits Maßnahmen wie einen Heizungstausch oder eine Sanierung umgesetzt haben, während 19 Prozent dies in den nächsten Jahren planen.
Die Politik steht vor einer Mammutaufgabe: Sie muss die Bevölkerung besser informieren, soziale Härten abfedern und gleichzeitig die Klimaziele einhalten. Doch die Unklarheiten rund um Entlastungen wie das Klimageld oder sozial gestaffelte Ausgleichsmodelle sowie die drohende Abschwächung des ETS 2 durch politischen Druck – auch durch Medienkampagnen – lassen Zweifel an einer erfolgreichen Umsetzung aufkommen.
Lösungen am Horizont: Wärmepumpen und politische Weichenstellungen
Aira sieht in Wärmepumpen eine zukunftsfähige Lösung: „Sie machen unabhängig von fossilen Energien – und damit auch vom CO₂-Preis“, erklärt Särefjord. In Kombination mit verbrauchsoptimierten Ökostromtarifen könnten Wärmepumpen nicht nur klimafreundlich, sondern auch kostensparend betrieben werden. Doch der Umstieg erfordert Investitionen, die viele Haushalte nicht stemmen können – insbesondere ohne verlässliche Förderungen.
Hier ist die Politik gefragt. „Gleichzeitig ist die Politik gefragt, Kurs zu halten: mit verlässlichen Förderungen und sozialen Leitplanken für alle, die noch nicht umsteigen können“, fordert Särefjord.
Badum ergänzt: „Was es wirklich braucht, sind klare Effizienzvorgaben am Einzelgebäude und Maßnahmen, damit vorrangig und schnell die energetisch schlechtesten Gebäude saniert werden, um besonders für finanziell vulnerable Haushalte das meiste Einsparpotenzial rauszuholen.“
Fazit: Ein Scheideweg für die Wärmewende
Die Aira-Umfrage ist ein Weckruf: Die Wissenslücken und die mangelnde Vorbereitung der Bevölkerung auf den CO₂-Preis drohen, die Wärmewende zu bremsen. Während die künftige Bundesregierung auf den Emissionshandel setzt, warnen Kritiker vor einem Rückfall in fossile Abhängigkeiten und verfehlten Klimazielen.
Die Gefahr, dass der ETS 2 durch politischen Druck, CO₂-Preis-Schock oder Medienkampagnen ausgehöhlt wird, ist real. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Deutschland die Wärmewende entschlossen vorantreibt oder ob soziale Schieflagen und politische Kompromisse eine neue Klima-Krise auf dem Heizmarkt auslösen.
Klar ist: Ohne verlässliche Förderungen, transparente Kommunikation und einen klaren Fokus auf klimafreundliche Technologien wie Wärmepumpen steht die Klimaneutralität 2045 auf dem Spiel – und es könnte tatsächlich zu einem CO₂-Preis-Schock kommen.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.
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