Klimaschutzprogramm bringt CO2-Bepreisung ohne Lenkungswirkung – Gretas wichtigster Rat bleibt unbefolgt.
„Unite behind the science“ – Hört auf die Wissenschaft fordert Greta Thunberg, die weltweit gefeierte Klimaaktivistin mit Recht. Aber, obwohl Bundeskanzlerin Angela Merkel diesen Satz in der Pressekonferenz zum Klimaschutzprogramm 2030 zitiert, hat die Regierungschefin diesen beim wichtigsten Teil ihres Pakets ignoriert. Die Regierung hat bei der CO2-Bepreisung auf der ganzen Linie versagt – und betreibt nichts weiter als Symbolpolitik.
Wieso dürften sich die Wirtschaftsweisen und die Köpfe der vier führenden Wirtschaftsinstitute heute gefragt haben, haben wir eigentlich Gutachten zur CO2-Bepreisung erstellt, wenn diese am Ende doch nur die Basis für reine Symbolpolitik sind? Die Bundesregierung jedenfalls hat es nicht geschafft, die Erkenntnisse der Wissenschaft in politisches Handeln umzusetzen. Die einen nennen es „Politikversagen“, andere sagen gleich „Gute Nacht, Deutschland.“
Der Grund für die harsche Kritik: Bei der Kompromisssuche zwischen CO2-Steuer und CO2-Emissionsrechtehandel haben sich die Koalitionäre soweit behakt, dass am Ende reiner Murks herausgekommen ist. Ein für fünf Jahre festgelegter CO2-Preis, der ab 2021 greifen soll. Anfangen soll dieser Preis für die Sektoren Gebäude und Verkehr bei lediglich 10 Euro je Tonne – alle Wissenschaftler hatten zuvor mindestens 35 Euro pro Tonne als Einstiegspreis gefordert.
Über fünf Jahre, also bis 2026 soll der CO2-Preis dann auf 35 Euro je Tonne steigen – also ungefähr den geforderten minimalen Einstiegspreis aus Sicht der Wissenschaft erreichen. Anschließend soll das System in ein Aktionsmodell gewandelt werden mit einem heute schon festgelegten Mindest- und Maximalpreis von 60 Euro je Tonne CO2. Zum Vergleich: Bis 2030 fordert die Wissenschaft einen Preis in Richtung oder von mehr als 100 Euro pro Tonne CO2.
Im Ergebnis wird diese CO2-Bepreisung der Regierung zwar Einnahmen generieren, weil Benzin etwa zunächst drei Cent, dann 10 Cent teurer werden wird. Ein Anreiz, weniger zu fahren oder gar ein umweltschonenderes Auto anzuschaffen, ist das ganz sicher nicht. Dazu kommt: Die Pendlerpauschale wird von 30 auf 35 Cent angehoben. Damit werden selbst kleinste Effekte zunichte gemacht.
Es ist erschreckend: Deutschland führt den CO2-Preis ein und keiner wird es in den nächsten fünf Jahren merken. Das Klimakabinett schlägt einen Einstiegspreis vor, der so niedrig ist, dass von ihm keine Lenkungswirkung für Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen ausgehen wird. Doch die Enttäuschung dominiert: Der Vorschlag wird keine signifikanten Treibhausgasminderungen erzielen. Stattdessen lässt er die Investitionsbereitschaft von Bürgern und Unternehmen in CO2-freie Technologien und Energieträger verpuffen.
bne-Geschäftsführer Robert Busch
CO2-Bepreisung hat nur Alibi-Funktion
Im Endeffekt bedeutet diese CO2-Bepreisung, dass Deutschland die Klimaziele 2030 im Verkehrssektor nicht erreichen wird. Denn durch die schon beschlossene Obergrenze im Auktionsmodell wird ein Nachholen der zu niedrigen Einstiegspreise verhindert. Ohne konsequentes Nachjustieren kann diese Rechnung nicht aufgehen. „Die CO2-Bepreisung hat nur eine Alibi-Funktion“, kommentiert Klimaforscher Ottmar Edenhofer mit Recht.
Die Bundesregierung zeigt mit diesem Klimaschutzprogramm, dass sie aus Angst vor dem Fehler oder im Zwist untereinander nicht zu mutigerem Verhalten in der Lage ist. Das ist ernüchternd, denn es zeigt einmal mehr, dass Parteitaktik Vorrang gegenüber der Rettung des Planeten gegeben wird. Kurz gesagt: Wahlgeschenke verteilen mit einer neuen Steuer im Rücken, die eine ist, aber erstmal nicht so heißt, soll beim Wähler gut ankommen – und was beim Klima dabei rauskommt: Ist egal.
Die Klimaproteste, die heute 1,4 Millionen Menschen auf die Straßen getrieben haben, werden mit noch mehr Dynamik weitergehen. Die Regierung darf mit diesem Alibi-Paket nicht durchkommen. Der Druck der Straße muss noch wesentlich spürbarer werden. Es wird ein zäher Kampf. Entweder die Regierung bessert erheblich nach oder sie wird gestürzt.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.