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Wie Climeworks den Klimawandel durch Direct Air Capture umkehren will

Christoph Gebald und Jan Wurzbacher filtern Kohlendioxid aus der Umgebungsluft und versteinern es. Kommt es zum Climeworks Börsengang?

Climeworks ist darauf spezialisiert, CO₂ besonders effizient aus der Luft zu filtern und zusammen mit CarbFix unter der Erde zu speichern – damit bietet es Unternehmen an, unvermeidbare Emissionen rückgängig zu machen. Die CO2 Filter aus der Umgebungsluft nennt sich Direct Air Capture and Storage. Gründer sind die beiden Deutschen Christoph Gebald und Jan Wurzbacher, die neben den ersten kommerziellen DACS Anlagen auch mehrere Hundert Millionen Dollar Venture Capital eingeworben haben.

Einen Baum pflanzen oder zur Kompensation von Flugreisen einen Preis bezahlen, ist bereits möglich. Aber das, was Gebald und Wurzbacher seit 2019 jedem bieten, ist weltweit einzigartig. Was macht Climeworks genau? Das Unternehmen bietet den wirklich physikalischen Entzug von CO₂ aus der Atmosphäre gegen Geld. Eine Chance, zum Kampf gegen den Klimawandel entscheidend beizutragen?

Das Cleantech-Unternehmen hat den ersten Schritt entwickelt und baut passende Anlagen, um Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu ziehen: Die direkte Luftabscheidung funktioniert über ein Filtersystem. Was heute als Direct Air Capture bezeichnet wird, ist mittlerweile in kommerziellen Dimensionen vorhanden. Mit dem Projekt Orca gelang 2021 ein entscheidender Durchbruch. Derzeit läuft der Bau der nächstgrößeren Anlage Mammoth, ebenfalls auf Island.

Mit CarbFix zu Climeworks Direct Air Capture and Storage

Den zweiten Schritt macht das auf Island ansässige CarbFix. Das Unternehmen übernimmt das CO2 nach der Luftabscheidung von einer DAC-Anlage und bringt es kombiniert mit Wasser in tiefe Gesteinsschichten. Dort versteinert das Gemisch innerhalb kurzer Zeit vollständig. Aus Direct Air Capture wird so Direct Air Capture and Storage, also eine Anlage, die CO2 nicht nur aus der Umgebungsluft filtert, sondern auch unterirdisch speichert.

Das Prinzip ist wissenschaftlich erforscht und praktisch nachgewiesen – auf Basis entsprechender Demonstrationsprojekte entstand 2021 das erste kommerzielle Projekt zum Entzug von Kohlendioxid mit anschließender Speicherung unter der Erde.

CO2 versteinert an Basaltstein
Basaltstein mit Kohlendioxid: Das sind die weißen Punkte.

Orca – erste kommerzielle DAC-Lösung

Christoph Gebald und Jan Wurzbacher hatten sich 2009 zum Ziel gesetzt, eine Lösung zu entwickeln, die bis 2050 Kohlendioxid (CO2) im Gigatonnen-Maßstab filtern kann.

4.000 Tonnen Kohlendioxid werden mit der Direct Air Capture and Storage-Anlage Orca pro Jahr aus der isländischen Atmosphäre geholt. Dazu nutzt der Spezialist für Kohlenstoffabscheidung den zweistufigen Prozess der CO2-Filterung: Zunächst wird Luft mit großen Ventilatoren durch die Anlage hindurch geblasen. Dabei bleibt das CO2 an einem speziellen Filter in der Mitte des Container hängen.

Climeworks DAC-Anlage Orca Island

Ist dieses Filtermaterial gesättigt, beginnt der zweite Teil des Prozesses: Der Kasten wird geschlossen und erhitzt. Bei 100 Grad Celsius löst sich das Gas wieder vom Filtermaterial und kann in hochkonzentrierter Form abgesaugt werden. Für die Anlage kommt zur Durchführung des Prozesses klimafreundliche Geothermie zum Einsatz – Orca wurde in unmittelbarer Nähe zum großen Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi errichtet.

Mit einer Kapazität von 4.000 Tonnen CO2 pro Jahr machen die beiden Partner einen gewaltigen Skalierungsschritt – die erste Kleinanlage zur Demonstration des Kohlendioxid-Entzugs mit gleichzeitiger, unterirdischer Speicherung, schaffte lediglich 50 Tonnen pro Jahr.

Emissionen im Vergleich: Noch viel zu tun

4.000 Tonnen CO2 sind verglichen mit der bisherigen Menge Kohlendioxid, das direkt aus der Luft abgeschieden wird, ein großer Anteil: Rechnet man diese Menge dazu, liegt die Größe derzeit bei 13.000 Tonnen global. An der Abscheidung arbeiten u.a. auch Cleantech-Unternehmen wie Carbon Engineering aus Kanada. Die Ingenieure dort planen 2023 den Spatenstich für viel größere Standorte.

Der Weltklimarat IPCC schätzt, dass die Welt bis Ende des Jahrhunderts 100 Milliarden bis eine Billion Tonnen Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen muss, um die schlimmsten Auswirkungen der globalen Erwärmung umkehren zu können.

Mammoth: Modulare DACS-Anlage

Am 28. Juni 2022 gab Climeworks den Bau einer weiteren, deutlich größeren Anlage bekannt. Für Mammoth ist der Grundstein gelegt. Die Anlage ist für eine CO2-Abscheidungskapazität von 36.000 Tonnen pro Jahr ausgelegt. Der Bau wird 18 bis 24 Monate dauern. Das Geothermie-Kraftwerk Hellisheidi wird die Anlage und die Injektionsstellen von CarbFix mit erneuerbarer Energie versorgen.

Climeworks Mammoth Island Rendering

Mammoth soll in Betrieb genügend Erkenntnisse bringen, um in der nächsten Größenordnung 10-fache Scale-up-Schritte unternehmen zu können. Der Bau wurde möglich, weil die Schweizer Firma Climeworks 1 kurz davor 600 Millionen Dollar Venture Capital einwerben konnte. Gleichzeitig entwickeln sich die Kohlendioxid-Preise entsprechend.

Finanzierungsrunde 2020 – Börsengang denkbar

Wem gehört Climeworks? Das Unternehmen „gehört“ den beiden Gründern sowie den Investoren. Perspektivisch ist ein Börsengang angedacht, aber bislang nicht angekündigt. Eine Aktie gibt es dementsprechend bislang nicht.

  • Am 3. Juni 2020 schloss man eine Finanzierungsrunde in Höhe von 68 Millionen Euro ab. Daran beteiligten sich private Investoren und Family Offices aus der Schweiz und den deutschsprachigen Nachbarländern.
  • Am 5. April 2022 gab man die bislang größte Finanzierungsrunde bekannt: 600 Millionen Euro bekam das Cleantech-Unternehmen. Daran beteiligten sich zahlreiche Geldgeber wie GIC, Baillie Gifford oder Carbon Removal Partners und John Doerr.

Mit dem Kapital soll die nächste Wachstumsphase finanziert werden. Mit neuen Direct Air Capture Großanlagen soll sich Kohlenstoffabscheidung zu einem Billionen-Dollar-Markt entwickeln. Es entsteht eine Art eigene Industrie. Mit dem frischen Kapital strebt das Unternehmen beispielsweise die Expansion in die USA und nach Kenia an. Um auch dort Kohlendioxid aus der Atmosphäre beziehungsweise aus der Luft zu fischen.

Microsoft setzt auf Carbon Dioxide Removal

Besonders relevant für das Geschäftsmodell ist es, die „Negativemissionen“ zu verkaufen. Das passiert mittlerweile im Jahr 2022 in deutlich größer werdendem Stil: So hat das Cleantech-Unternehmen Climeworks im Juli 2022 verkündet, einen 10-Jahres-Vertrag mit Microsoft geschlossen zu haben. Der Software-Gigant nimmt in diesem Rahmen des zweiten Vertrages zwischen den Unternehmen 10.000 Tonnen CO2ab, das dauerhaft der Atmosphäre entzogen wird.

Dieser Artikel entstand am 13. Juni 2019, wurde mehrfach ergänzt und erweitert. Zuletzt am 12. Februar 2023.

Hinweis: Martin Jendrischik war bis November 2018 für das Unternehmen als Kommunikationsberater tätig. Seitdem bestehen keine Geschäftsbeziehungen.

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  1. Ralf sagt

    Mir hat es auch sehr geholfen einen Überblick zu bekommen. Außerdem finde ich es gut, dass andere Lösungen diskutiert werden.

  2. Marco sagt

    Toller Artikel und natürlich eine interessante Technik! Aber € 100-200.- pro Tonne CO² nach entsprechender Skalierung!? Ein mit Plant for the Planet gepflanzter Baum holt in 80 Jahren 2 Tonnen CO² aus der Atmosphäre. Und das für € 0,50 pro Tonne. Mit einer Nutzung dieser Bäume zum z.B. Bauen hole ich dieses CO² auch nahezu dauerhaft aus der Atmosphäre. Ich weiß nicht, warum wir einfach nicht in der Lage sind, die einfachen heute schon verfügbaren Lösungen massiv zu nutzen. Aber vermutlich muss man erst einen Billionen-Dollar-Markt daraus machen, um Politiker zu überzeugen. Wenn’s dem Klima hilft, solls mir recht sein. Wir pflanzen weiter Bäume.

    1. Martin Jendrischik sagt

      Es gibt zwei klare Gründe:

      1. Die gigantischen Mengen CO2, die wir aus der Atmosphäre holen müssen, lassen sich mit dem für Bäume geeigneten Boden schlicht nicht herausholen. Das Aufforsten und die Schaffung oder der Erhalt von Wäldern macht Sinn, weil es wichtige Ökosysteme sind. Unseren Bedarf an CO2-Senken werden sie aber nicht decken. Übrigens: Moore sind effizientere CO2-Senken als Bäume.

      2. Die Auswirkungen des Klimawandels führen vermehrt zu Dürren, zu Stürmen, Hochwasser und machen etwa den Befall durch Schädlinge einfacher und Waldbrände schlimmer. Bäume und Wälder robust gegen all diese Naturkatastrophen zu schützen, wird uns nicht gelingen. Auch deshalb wäre es fahrlässig, sich nur auf Bäume zu verlassen.

    2. Marco sagt

      Zu 1.) Eine Studie der ETH Zürich kommt zu einem anderen Ergebnis: 0,9 Mrd. Hektar könnten ohne Konkurrenz zur Nutzung durch den Menschen wieder aufgeforstet werden. Damit können 205 Mrd. Tonnen CO² gespeichert werden, das sind 2/3 aller seit der industriellen Revolution verursachten CO²-Emissionen. Moore sind tatsächlich noch effizienter, doch das Potential ist um Dimensionen kleiner. Dennoch sollte man das natürlich nutzen.

      zu 2.) Wälder haben eine sehr gute Wirkung gegen Dürren, Hochwasser usw.. Wenn wir es nicht schaffen, unsere Wälder und Bäume zu schützen, dann braucht es noch einen Billionen-Dollar Markt. Um Sauerstoff zum Atmen zu produzieren.

      Wir sollten einfach die naheliegenden schon vorhandenen Lösungen nutzen und nicht immer auf eine noch bessere (technische) Lösung irgendwann in der Zukunft warten.

      Bäume pflanzen und Solar, Wind und Speicher bauen. Jetzt!
      Und dann von mir aus auch DACS.

    3. Gido sagt

      Die ETH Studie wurde von zahlreichen Wissenschaftlern massiv kritisiert, siehe die veröffentlichten Responses. Die berechnete Fläche ist zu hoch gegriffen, die 205 GtC (nicht CO2) haben den bereits auf dem Land vorhandenen Kohlenstoff nicht berücksichtigt und entsprechen außerdem nur 1/3 der historischen CO2-Emissionen (Verwechslung Emissionen und dem Anteil der Emissionen der in der Atmosphäre verbleibt).

      Beim Rest geben ich Ihnen aber recht.

  3. Christian sagt

    Kann man diese Technologie auch gleichzeitig einer Verbrennungsanlage nachschalten? Da stünde hochkonzentrierte CO2-belastete Luft und Energie zur Verfügung. Für das Thema Recycling wäre das ggf. eine gute Lösung, gerade in Gebieten, wo unerlaubt Müllberge angezündet werden.

    1. Martin Jendrischik sagt

      Nein. Kohlendioxid aus solchen Strömen zu filtern, ist eine andere Technologie.

      Viele Grüße,
      Martin

  4. gina sagt

    Super geschrieben und sehr informativ!!!

    1. Martin Jendrischik sagt

      Danke, Gina. Heute gab es wieder ein Update.

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