CO2-Steuer: Vorteile und Nachteile einer verbraucherfreundlichen CO2-Abgabe

Vorteil der CO2-Steuer: Sie kann aufkommensneutral ausgestaltet werden und entfaltet trotzdem eine Lenkungswirkung.

In Deutschland und Europa wird spätestens seit der Forderung von Fridays for Future erstmals ernsthaft über die Einführung einer CO2-Steuer debattiert, wenngleich die Konzepte alles Andere als neu sind. Im April sprachen sich 22 Finanzminister weltweit für die Etablierung eines solchen, lenkenden CO2-Preises aus – darunter auch der deutsche Finanzminister Olaf Scholz. Die Logik hinter der CO2-Abgabe ist einfach: Güter wie etwa fossile Kraftstoffe oder Heizöl werden teurer – im Gegenzug werden Verbraucher über die Senkung von Einkommensteuern entlastet.

Ex-Notenbankchef Alan Greenspan, Nobelpreisträger Robert Solow oder der ehemalige US-Finanzminister Lawrence Summers oder der US-Ökonom Gilbert E. Metcalf plädieren für eine solche Abgabe, die 70 Prozent der Einnahmen an die Bürger zurückgibt. Das hat Metcalf auch in seinem Buch Paying for Pollution (Amazon) niedergeschrieben.

In der Volkswirtschaftslehre ist eine CO2-Steuer definiert als ein Instrument zur Internalisierung externer Kosten. Das heißt: Kosten, wie etwa die Verbrennung fossiler Brennstoffe, sind unzureichend im Marktpreis für die fossilen Brennstoffzelle eingepreist. Daher erhebt der Staat eine Steuer, um den fossilem Brennstoff oder Kraftstoff zu verteuern. Gleichzeitig gibt man den überwiegenden Teil der Einnahmen beispielsweise über eine Senkung der Einkommensteuer an die Verbraucher zurück – um möglichst keine sozialen Ungerechtigkeiten zu schaffen.

Konkret würde eine CO2-Abgabe in Höhe von 40 Euro je Tonne CO2, wie sie etwa Regierungsberater Prof. Andreas Löschel fordert, zu einer Verteuerung von Benzin und Diesel von 12 bis 13 Cent führen – und beispielsweise zu einem Strompreisanstieg von zwei Cent.

CO2-Steuer am Beispiel Schweden

Schweden hat im Jahr 1991 eine CO2-Steuer eingeführt. Der Preis dafür, eine Tonne CO2 in die Luft pusten zu dürfen, liegen im nordeuropäischen Land inzwischen bei 115 Euro pro Tonne. Schweden möchte CO2-Neutralität bis 2045 erreichen. Besonders stark besteuert wird der private Konsum, Groß- und Einzelhandel, der öffentliche Sektor und Dienstleistungen.

Trotzdem wird die Steuer in Schweden von den Menschen akzeptiert – Gelbwesten-Proteste wie in Frankreich gibt es keine. Hintergrund ist, dass unpopuläre Steuern im Gegenzug abgeschafft wurden: So etwa Steuern auf Vermögen, Kapital und Ertrag. Darüber hinaus werden mit den Einnahmen auch soziale Projekte finanziert. Die Einführung der Steuer war eingebettet in eine große Steuerreform.

Die Steuer in Schweden wurde mit einem Preis von 30 Euro je Tonne eingeführt – Haushalte hatten Zeit, sich auf die sukzessive Erhöhung einzustellen. Schweden ist nicht 1:1 mit Deutschland zu vergleichen: Es gibt dort keine nennenswerten Kohle- und Gasvorkommen. Durch lange Winter ist die Gesellschaft sensibilisiert für effizienten Umgang mit Ressourcen – anders als teilweise hierzulande.

Dennoch: Das Beispiel CO2-Steuer in Schweden zeigt, dass das Instrument einerseits eine gewünschte Lenkungswirkung entfalten kann und andererseits den Menschen auch erklärbar ist. Insbesondere dann, wenn die Erhebung der CO2-Steuer keine Einzelmaßnahme darstellt, sondern eingebettet in einen Maßnahmenkatalog ist, der faire Entlastungen enthält. Daher wird in Deutschland auch immer wieder über die Senkung der Stromsteuer diskutiert.

Verbraucher können CO2-Steuer durch Verhaltensänderung aus dem Weg gehen

Die Verbraucher haben dann mehrere Chancen, zu reagieren: Sie können die höheren Preise für fossile Brennstoffe umgehen, in dem sie beispielsweise ihre Öl-Heizung durch eine Wärmepumpe ersetzen oder ihren Benziner gegen ein Elektroauto austauschen. Dann erhalten sie nicht nur die staatliche Ausgleichszahlung, sondern umgehen auch noch die höhere Steuer, soweit sie es können.

Letztlich kann eine CO2-Steuer dann darauf hinauslaufen, dass Reiche, die mehrere Autos fahren, mehr Energie verbrauchen oder öfters fliegen, intensiver von der Steuer betroffen sind – weil sie es sich leisten können. Sozial Schwächere hingegen, werden durch die Verteuerung von Alltagsprodukten betroffen sein und weniger Ausweichmöglichkeiten haben. Alllerdings ist ihr CO2-Fußabdruck geringer – und sie profitieren vom staatlichen Ausgleich.

Nachteil: CO2-Steuer aus Sicht der Industrie

Ein Argument, das oft gegen eine CO2-Steuer ins Feld geführt wird, ist die Behauptung, Treibhausgasemissionen würden lediglich ins Ausland verlagert. Das betrifft insbesondere die CO2-Steuer aus Sicht der Industrie. Schweden hat das Problem abgepackt: Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, zahlen einen geringeren CO2-Steuersatz – teilweise bis zu 60 Prozent weniger, etwa auf verwendete Energie in Produktionsprozessen. Industrieanlagen, die Teil des Europäischen Emissionshandels sind, sind ganz von der Steuer ausgenommen.

Nachteil: Soziale Ungerechtigkeiten

Durch eine CO2-Steuer mit sozialer Kompensation würden nicht alle Menschen fair behandelt. Die Auszubildende, die darauf angewiesen ist, vom Land zum Arbeitsplatz in die Stadt mit dem Auto zu fahren, würde von den höheren Spritpreisen zunächst voll belastet. Diejenigen, die am Ende des Monats über jeden Euro froh sind, werden zunächst von der Steuer betroffen sein und am Ende des Jahres wahrscheinlich einen fairen Ausgleich bekommen.

Wichtig bei diesen Härtefällen wäre, dass a) die Kompensation tatsächlich die Mehrkosten übersteigt und b) ein sozial Schwächerer trotz weniger Konsum die Chance bekommt, der Steuer durch Verhaltensänderung zu entgehen. Beispielsweise können Mieter nicht so einfach ihre Heizung austauschen – sie können aber ihren Stromanbieter wechseln und zu einem Ökostromanbieter gehen und so der Erhöhung des Strompreises aus dem Weg gehen.

Vorteil der CO2-Abgabe: Sie kann sukzessive eingeführt werden

In der Schweiz gibt es eine CO2-Steuer, die sukzessive in ihrem Preis erhöht wurde. Die Verbraucher wissen inzwischen, wie sie sich zu verhalten haben, der Wirtschaft schadet die Steuer kaum. Güter, die klimaschädlich sind, verschwinden zunehmen aus dem Handel oder sind so teuer, dass sie seltener gekauft werden.

Auch in Deutschland wäre eine CO2-Steuer in Höhe von 180 Euro pro Tonne CO2 nicht sofort in dieser Höhe einzuführen. Sie könnte schrittweise bei 20 Euro pro Tonne beginnen und sukzessive verteuert werden. Schrittweise würde dann auch die Kompensation den Menschen zurückgegeben. So hätte beispielsweise auch die Industrie genügend Zeit, die Steuer durch Innovationen zu umgehen und den eigenen Fußabdruck zu verbessern.

Auch ohne CO2-Abgabe: Fliegen muss teurer werden

Wichtig wäre bei der Einführung eines CO2-Preises aber auch, dass bei den sonstigen Privilegien aufgeräumt wird. So sollte beispielsweise das Dieselprivileg von 20 Cent je Liter sukzessive fallen – das würde beispielsweise acht Milliarden Euro im Jahr für den Staat generieren, die in Klimaschutzprojekte investiert werden könnten.

Ähnlich, aber komplexer ist die Steuerfreiheit von Kerosin zu bewerten: Ein Alleingang eines Landes ist hierbei keine gute Idee. Mindestens europäisch müsste hier eine Entscheidung ausfallen. Viele Länder wie die Niederlande, Belgien oder Frankreich unterstützen sowohl eine europäische CO2-Steuer als auch die faire Bepreisung des Kerosins – dennoch müsste eine Entscheidung einstimmig getroffen werden in den EU-Parlamenten – mit den Regierungen insbesondere in Osteuropa derzeit kaum wahrscheinlich.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hat jüngst eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahn-Fernreisen verlangt, um innerdeutsche Flüge zu reduzieren. Als Begründung gibt Scheuer den Erfolg der Verbindung Berlin – München an, die 30 Prozent mehr Fahrgäste anziehen würde und die Anzahl der Flüge von Berlin nach München reduziert habe.

Das ist richtig, aber nicht durch die Preissenkung bei der Bahn ausgelöst, sondern dadurch, dass eine von wenigen Bahnstrecken wirklich attraktiv gemacht wurde. Der Attraktivitätsfaktor spielt eine viel größere Rolle als der Preis – gerade für Geschäftsreisende, die typischerweise innerdeutsch fliegen. Und selbst wenn der Preis großen Einfluss hätte: Die Mehrwertsteuer bringt bei Geschäftsreisenden keinen Vorteil, weil diese ohnehin vorsteuerabzugsberechtigt sind.

Die richtige Konsequenz müsste also sein: Macht die Bahnstrecken, die zu oft für Flüge genutzt werden, genauso attraktiv wie Berlin – München. Und verwendet lieber das Geld aus der höheren Mehrwertsteuer, um in die Strecken zu investieren.

Die Schweiz möchte beispielsweise generell das Fliegen teurer machen. Bei Starts von Schweizer Flughäfen sollen pro Ticket mindestens 20 Franken (17,87 Euro) Klimaabgabe erhoben werden. Wer erste KLasse fliegt, zahlt deutlich mehr.

Fazit: Vorteile und Nachteile einer CO2-Steuer

All die Argumente und Ausgestaltung einer verbraucherfreundlichen CO2-Steuer in Deutschland sind bislang unklar. Trotzdem zeigt sich: Die Vorteile überwiegen, wenn man die Nachteile der CO2-Abgabe vernünftig adressiert. Beispiele, wie das aus Schweden zeigen: Wird die Steuer schrittweise eingeführt und werden damit positive Maßnahmen verbunden, gibt es auch die Akzeptanz der Bevölkerung.

In Deutschland wächst derzeit die Riege der Befürworter einer steuerlichen Maßnahme mit klimapolitischer Lenkungswirkung. Nicht nur unzählige Ökonomen und andere Wissenschaftler plädieren für die Maßnahme, sondern beispielsweise auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Finanzminister Olaf Scholz und viele weitere aktive und frühere politische Entscheidungsträger.

Eine „große Koalition“ aus gesellschaftlichen Gruppen plädiert ebenfalls für eine CO2-Steuer. Im Sommer soll ein mögliches Gesetz von Umweltministerin Svenja Schulze ins Klimakabinett eingebracht werden. Schulze hat bereits klar gemacht: Als isolierte Einzelmaßnahme darf die Einführung der Steuer nicht passieren – es braucht die Einbettung in größere Zusammenhänge.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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