Dataforce: 40 Prozent deutscher Privatkäufer entscheiden sich im November für ein E-Auto

Neue Ampel-Koalition muss 1,77 Mio. BEVs pro Jahr auf die Straßen bringen, um Ziele zu erreichen.

In Deutschland sollen im Jahr 2030 mindestens 15 Millionen reine Elektroautos auf den Straßen sein. So hat es die Ampel-Koalition von Bundeskanzler Olaf Scholz beschlossen. Eine Auswertung von Dataforce zeigt, dass sich diese Elektrifizierung des deutschen PKW-Marktes zunehmend beschleunigt. Im Gegensatz zum fallenden Gesamtmarkt zogen die Neuzulassungen batterie-elektrischer Pkw (BEVs) im Vergleich zum November 2020 um 39,0 Prozent an.

Ihr Marktanteil kletterte damit auf 20,3 Prozent, ganze 3,2 Prozentpunkte mehr als im Vormonat. Plug-In-Hybride (PHEVs) mussten zwar einen Rückgang der Neuzulassungen von 8,9 Prozent hinnehmen, da sie sich aber besser als der Gesamtmarkt entwickelten, stieg ihr Marktanteil ebenfalls an und zwar auf 14,1 Prozent. Besonders eindrucksvoll war die Entwicklung im Privatmarkt: Hier erreichten BEVs und PHEVs zusammen erstmals einen Marktanteil von 40 Prozent.

Für diesen Anstieg gibt es neben der allmählich steigenden Akzeptanz gegenüber Elektroantrieben noch weitere Gründe. Zum einen verwenden die Hersteller ihre vorhandenen Halbleiter bevorzugt für Stromer und stoppen eher die Produktion von Dieseln und Benzinern. Das gilt insbesondere für diejenigen, die zum Jahresende noch ihre CO2-Bilanz verbessern müssen, um die EU-Vorgaben einzuhalten. Zum anderen haben die Unsicherheiten über die zukünftige Förderung zu einem Vorzieheffekt geführt, denn bislang fehlt eine gesetzliche Regelung, um Umweltbonus und Innovationsprämie über das Jahr 2021 hinaus auszuzahlen.

Der deutsche Pkw Markt blieb im November 2021 im Zulassungstief. 198.258 Neuzulassungen entsprechen einem Rückgang von 31,7 Prozent im Vergleich zum November 2020. Der Grund für das anhaltend niedrige Niveau ist weiterhin der Mangel an Vorprodukten, vor allem Halbleiter. Die Fahrzeughersteller müssen ihre Produktion immer wieder unterbrechen und können die hohe Nachfrage nicht bedienen. Auch für den Dezember ist keine Besserung in Sicht. Die Dataforce Prognose für 2021 fällt daher auf 2,6 Millionen Neuzulassungen, was einem Minus von 11,5 Prozent zu 2020 entspricht.

Die mangelnde Verfügbarkeit von Neuwagen schlägt sich in allen Marktsegmenten nieder. Am stärksten rückläufig waren die Eigenzulassungen des Fahrzeughandels mit einem Minus von 36,6 Prozent. Der Relevante Flottenmarkt (-29,9 %), der Privatmarkt (-33,4 %) und die Autovermieter (-28,6 %) bewegen sich hingegen näher am Trend der Gesamtmarktentwicklung.

Auf den ersten Blick überraschen die Zahlen für den Fahrzeugbau. Mit einem Minus von „nur“ 19,6 Prozent hebt sich der Kanal deutlich vom Gesamtmarkt ab. Das liegt aber nicht daran, dass die Hersteller Fahrzeuge bunkern, sondern dass sie bereits im November 2020 nur sehr wenige Eigenzulassungen getätigt haben. Im Vergleich zu den durchschnittlichen Novemberzulassungen der Jahre 2016 – 2020 gingen die Herstellerzulassungen sogar um 41,8 Prozent zurück.

1,77 Mio. Elektrofahrzeuge pro Jahr?

Zu Jahresbeginn 2021 zählte das Kraftfahrtbundesamt 314.094 zugelassene Elektrofahrzeuge (BEV) in Deutschland. Aktuell ist der Absatz von BEVs und PHEVs so stark wie noch nie. Wurden vor zehn Jahren gerade einmal 2.400 BEVs zugelassen, geht es mittlerweile schon über mehr als das 100-fache. Inklusive Oktober wurden 2021 weitere 267.653 BEVs zugelassen.

Sind all diese Fahrzeuge im Markt geblieben, gibt es aktuell knapp über 600.000 batterieelektrische Elektroautos im Bestand. Somit fehlen noch 14,4 Mio. BEVs die in den nächsten acht Jahren und zwei Monaten zusätzlich zugelassen werden müssen. Pro Jahr entspricht das einem durchschnittlichen Volumen von 1,77 Mio. Fahrzeugen beziehungsweise 50 bis 60 Prozent der Neuzulassungen.

Ist das Ziel realistisch? Im Rahmen der Neuzulassungs-Prognose analysiert Dataforce die wichtigsten Märkte Europas und ermittelt, wie viele Neuzulassungen in den nächsten fünf Jahren auf die einzelnen Antriebsarten und Marktsegmente (Private, Flottenmarkt, Vermieter, Händler & Hersteller) entfallen werden. Schaut man sich unter den aktuellen Rahmenbedingungen diese Prognose an, ist das Ziel eher unrealistisch, selbst wenn sich die Förderung stärker von PHEVs zu BEVs verlagert.

Momentan kalkuliert Dataforce bis 2030 nur mit knapp 9 Millionen neu zugelassenen BEVs. Doch um einen Bestand von 15 Millionen zu erreichen, werden sogar noch mehr Neuzulassungen benötigt, weil im Laufe der Zeit immer einige Fahrzeuge exportiert oder verschrottet werden.

Entscheidende Stellschrauben, um wirklich 15 Millionen BEVs auf die Straßen zu bringen bis 2030 sind demnach:

  • Ladeinfrastruktur
  • Klar kommuniziertes Verkaufsende anderer PKW
  • Bonus-Malus-Systeme bei der KFZ-Besteuerung
  • Stromer von der Mehrwertsteuer befreien

Schaut man allerdings in den Koalitionsvertrag, findet sich nur ein Teil dieser Stellschrauben darin. Die Förderung der Elektroautos wird weiterlaufen, aber womöglich nicht erhöht – in Norwegen etwa bekommt jeder Stromer-Käufer 20.000 Euro dazu. Der Fokus der neuen Regierung liegt also vor allem auf der Ladeinfrastruktur. Das kommunizierte Verkaufsende für „fossile Verbrenner“ wird vermutlich erst nach 2030 so richtig greifen.

Insgesamt, das zeigt die Dataforce-Analyse, muss die Bundesregierung eine Schippe drauflegen, wenn sie das Ziel erreichen möchte. Der neue Bundesverkehrsminister Volker Wissing ist gefragt.

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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