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Achtung Desinformation: Tichys Einblick und die Mär von der bösen Deindustrialisierung

In gewohnter Manier zeichnet Alexander Horn in Tichys Einblick am 26. Januar 2025 ein Schreckensszenario: Die deutsche Klimapolitik, so der Tenor, treibe das Land in die Deindustrialisierung und opfere den Wohlstand auf dem Altar grüner Ideologie. Die Überschrift „Fatale Klimapolitik“ gibt die Richtung vor, und der Artikel strotzt nur so vor Untergangsrhetorik. Doch bei näherer Betrachtung zeigt sich auch hier: TE arbeitet mit Verzerrungen, Halbwahrheiten und fragwürdigen Interpretationen, um die Energiewende und den Klimaschutz zu diskreditieren.

Der Kern der Argumentation: Energieverbrauch als Wohlstandsindikator

Horns zentrale These ist, dass der sinkende Energieverbrauch in Deutschland ein Zeichen für wirtschaftlichen Niedergang und Deindustrialisierung sei. Er verknüpft den Pro-Kopf-Energieverbrauch untrennbar mit Wohlstand und technologischem Fortschritt.

Steigender Energieverbrauch bedeute demnach automatisch mehr Wohlstand, sinkender Verbrauch hingegen sei gleichbedeutend mit Rückschritt und Verarmung. Diese Sichtweise ist jedoch stark vereinfacht und ignoriert wichtige Faktoren.

Verzerrungen und fragwürdige Interpretationen bei Tichys Einblick

Auch dieser Artikel arbeitet mit verschiedenen Mitteln der Desinformation:

  • Falsche Gleichsetzung: Horn setzt Energieverbrauch mit Wohlstand gleich. Das ist eine unzulässige Vereinfachung. Natürlich benötigt eine Industriegesellschaft Energie, aber Effizienzsteigerungen und Strukturwandel können den Energiebedarf senken, ohne dass der Wohlstand sinkt.
  • Ignorieren von Effizienzsteigerungen: Horn behauptet, die Bemühungen um Energieeffizienz seien gescheitert. Das ist schlichtweg falsch. Es gab und gibt erhebliche Fortschritte bei der Energieeffizienz, sowohl in der Industrie als auch bei privaten Haushalten. Diese Fortschritte tragen dazu bei, den Energieverbrauch zu senken, ohne die Wirtschaftsleistung zu schmälern. Es ist jedoch richtig, dass weitere Anstrengungen in diesem Bereich nötig sind.
  • Einseitige Darstellung des Strukturwandels: Horn beklagt die sinkende Industrieproduktion, besonders in energieintensiven Branchen. Er verschweigt aber, dass dies Teil eines normalen Strukturwandels ist, der in allen Industrienationen stattfindet. Die Verlagerung von Produktionsstätten in Länder mit niedrigeren Löhnen und weniger strengen Umweltauflagen ist kein neues Phänomen und nicht allein auf die deutsche Klimapolitik zurückzuführen, wie im Artikel dargestellt.
  • Dämonisierung der Klimapolitik: Horn stilisiert die Klimapolitik zum Feindbild, der die Wirtschaft abwürgt und den Wohlstand zerstört. Er ignoriert dabei, dass Klimaschutz auch große Chancen für Innovation und neue Märkte bietet. Die Entwicklung und Produktion von Erneuerbaren Energien, Energieeffizienztechnologien und anderen grünen Technologien schafft neue Arbeitsplätze und kann zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor werden.
  • Cherry-Picking: Horn pickt sich selektiv Zahlen und Daten heraus, die seine These stützen, und ignoriert gegenläufige Entwicklungen. So betont er den Rückgang der Industrieproduktion, verschweigt aber, dass die deutsche Wirtschaft insgesamt in den letzten Jahren gewachsen ist, wenn auch nur schwach.
  • Unbelegte Behauptungen: Horn behauptet, die deutsche Klimapolitik basiere auf „technologischer Stagnation und wirtschaftlicher Schrumpfung“. Dafür liefert er keine stichhaltigen Belege. Es ist vielmehr so, dass die Energiewende erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung erfordert und somit Innovationen eher befeuert als verhindert.
  • Framing: Die Klimapolitik und das Streben nach Klimaneutralität werden als ideologischer Angriff auf Freiheit und Wohlstand dargestellt. Es wird suggeriert, dass es einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Prosperität gäbe.

Die Realität: Strukturwandel und Chancen der Energiewende

Es ist richtig, dass sich die deutsche Wirtschaft in einem Strukturwandel befindet. Energieintensive Industrien verlieren an Bedeutung, während andere Branchen, wie die IT- und Dienstleistungsbranche, wachsen. Dieser Wandel ist nicht nur auf die Klimapolitik zurückzuführen, sondern auch auf die Globalisierung, die Digitalisierung und andere Faktoren. Die deutsche Klimapolitik hat diesen Wandel sicherlich beschleunigt. Es ist aber falsch zu behaupten, sie hätte ihn im Alleingang verursacht.

Die Energiewende bietet große Chancen für die deutsche Wirtschaft. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien und die Entwicklung von Energieeffizienztechnologien schaffen neue Arbeitsplätze und stärken die Innovationskraft. Deutschland kann zu einem Vorreiter bei grünen Technologien werden und davon auch wirtschaftlich profitieren. Eine Deindustrialisierung ist nicht zwingend – auch und gerade wenn man beispielsweise an grünen Stahl denkt.

Fazit: Tichys Einblick verbreitet Angst und ignoriert Chancen

Der Artikel von Alexander Horn in Tichys Einblick ist ein weiteres Beispiel für die unseriöse Berichterstattung des Mediums. Mit Verzerrungen, Halbwahrheiten und fragwürdigen Interpretationen wird ein Schreckensszenario der Deindustrialisierung entworfen, um Stimmung gegen die Klimapolitik zu machen.

Die Chancen der Energiewende werden dabei völlig ignoriert. Wer sich wirklich über die Herausforderungen und Chancen des Strukturwandels und der Energiewende informieren will, sollte auf seriöse Medien und wissenschaftliche Studien zurückgreifen und nicht auf die Panikmache von Tichys Einblick hereinfallen.

Es wäre wünschenswert, wenn die Medienkompetenz der Leser*innen steigen würde, um derartige unseriöse Artikel direkt als solche zu erkennen und zu ignorieren.

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