Diesel-Nachrüstung: Nächster Gipfel steigt Ende November
Daimler und Volkswagen gehen endlich auf Zulieferer wie Baumot zu / Verkehrsminister Scheuer spielt weiter auf Zeit / Druck durch Gerichte steigt massiv
Der offene und öffentliche Streit von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gegen Bundesumweltministerin Svenja Schulze, aber auch gegen die Medien, wie im ZDF-Interview mit Marietta Slomka, wird immer peinlicher. Die Autokonzerne blockieren die flächendeckende Diesel-Nachrüstung. Das neue Fahrverbot im Ruhrgebiet und sogar auf einer Autobahn bringt neue Bewegung im Diesel-Streit.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer gibt derzeit kein besonders gutes Bild ab. Öffentlich wirft Scheuer seiner Kabinettskollegin Schulze mangelnden Sachverstand vor, weil diese sagte, Nachrüstungen im Jahr 2019 seien kein Problem. Schulze sei demnach eher Problemmacherin als Problemlöserin, denn es gebe gewaltige technische und rechtliche Probleme, berichtet die Automobilwoche. Schulze hatte sich vor einer Weile direkt bei Zulieferer Baumot informiert.
Zuvor hatte Scheuer in einem ZDF-Interview mit Marietta Slomka überraschende Aussagen getroffen, die anschließend keinem Faktencheck standhielten. So behauptete Scheuer, es gebe keine fertigen Produkte – allerdings haben Baumot und andere Hersteller bereits Produkte für Diesel-Nachrüstung zur Prüfung eingereicht.
Doch nicht genug der Absurditäten: Jetzt bewirbt auch noch das Kraftfahrt-Bundesamt eine Erneuerung des Fahrzeugbestands in einem Brief an Diesel-Fahrer, anstatt seriös aufzuklären, um die Verunsicherung rund um Diesel-Nachrüstung und Co. ein wenig zu beseitigen. Über den Brief berichtete ZDF WISO kürzlich. Wer sich informieren muss, kann das beispielsweise beim ADAC tun.
Kurzum: Teile der Politik und Autohersteller erwecken den Eindruck, es handele sich beim Thema Diesel-Nachrüstung und saubere Luft in den Städten um ein Schauspiel, bei dem es einzig und allein darum geht, möglichst viel Zeit zu gewinnen, um möglichst viele betroffene Kunden zum Kauf eines Neufahrzeuges zu überreden. Es ist peinlich und traurig, dass Volkswagen, Daimler und BMW nach wie vor in dieser Art agieren.
Zeitspiel bei Diesel-Nachrüstung erhöht den Druck durch Gerichtsurteile
Dabei ist offensichtlich, dass Zeitspiel den Druck, endlich brauchbare Lösungen zu servieren, nur weiter erhöhen wird. Das von Scheuer als ’nicht verhältnismäßig ‚kritisierte Urteil eines Verwaltungsgerichts, auch den Ruhrschnellweg in Fahrverbote einzubeziehen, macht klar: Es werden immer mehr Städte, die Beschränkungen erhalten werden. Der Aufwand für die Fahrverbote etwa durch Beschilderung ist groß, der Nutzen zweifelhaft. Daher um so wichtiger: Es braucht langfristige Lösungen.
Nun scheint bei den Konzernen, zumindest bei VW und Daimler, ein Umdenken eingesetzt zu haben. Immerhin wollen sich die beiden Hersteller am 29. November mit Herstellern von Diesel-Nachrüst-Lösungen wie Baumot und Dr. Pley treffen. „Man wolle den Kunden so schnell wie möglich Transparenz darüber verschaffen, welche Hardwarelösungen Drittanbieter anbieten werden“, schreiben VW und Daimler an die Hersteller, während BMW nach wie vor die vollständige Blockadehaltung bewahrt.
Daimler wolle den Zuliefern alle „Informationen zur Verfügung“ stellen, die für die Entwicklung geeigneter Diesel-Nachrüst-Lösungen erforderlich seien. Daimler-Chef Zetsche wolle die, so berichtet Spiegel Online, die „Sache vom Tisch haben“. Weiterhin habe Daimler dem Bundesverkehrsministerium mitgeteilt, dass etwa die Hälfte aller Mercedes-Modelle mit Euro 5-Schadstoffnorm für eine Ausstattung mit SCR-Katalysator in Frage kämen. Ganz ähnlich äußert sich Volkswagen.
Nun liegt der Ball also wieder beim Bundesverkehrsministerium, das in einer Richtlinie Vorgaben machen muss, wie die Diesel-Nachrüstung abzulaufen hat und welche Anforderungen erfüllt werden müssen. Vielleicht geht es dann ja doch schnell als bislang von Scheuer in Aussicht gestellt (frühestens 2020). Denn bis dahin werden weitere Gerichte Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge ausgesprochen haben.
Einer der Hersteller, Dr. Pley Engineering geht davon aus, ab Mai oder Juni kommenden Jahres lieferfähig sein zu können, falls noch in diesem Jahr eine Allgemeine Betriebserlaubnis erteilt werde. Vollkommen realistisch klingt das (leider) nicht. Aber es zeigt, dass sich etwas bewegt und dass die Bremsen gelöst werden müssen. Die Industrie steht, anders als vom Ministerium oft behauptet, offenbar Gewehr bei Fuß. Mal sehen, welche Dynamik nach dem 29. November in das Thema hineinkommen wird.
Initiative zur Diesel-Nachrüstung
Auf der von Baumot unterstützten Webseite www.diesel-nachruestung.eu zur Diesel-Nachrüstung der Intitiative „Gerechtigkeit im VW-Abgasskandal“ haben sich bereits 6.500 Fahrer registriert. Dort berichtet der Hersteller entsprechender Lösungen, Baumot:
Wir, die Twintec Baumot Gruppe, bekommen täglich bis zu 100 Anfragen die sich nach einer Nachrüstmöglichkeit für Ihren Diesel PKW informieren wollen, großteils sogar mit der Bereitschaft diese selber zu finanzieren. Wir möchten diesen Dieselfahrern mit der Aktion „Hardwarenachrüstung“ endlich die Möglichkeit geben Ihr Fahrzeug nachzurüsten und damit Fahrverbote zu umgehen. Das Land Baden-Württemberg hat bereits zugesagt, Einfahrgenehmigungen in die Fahrverbotszonen für jene Diesel-Pkw zu erteilen, die nachgerüstet wurden und damit die ähnlich sauber wie Euro-6d Fahrzeuge werden. Andere Bundesländer dürften das ähnlich handhaben.
Die Diesel-Nachrüstung der Initiative soll in drei Schritten erfolgen:
- Unverbindlich Registrierung zur Nachrüstung auf dieser Webseite
- Bestellung der Nachrüstung im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne
- Einfordern der Nachrüstkosten beim Fahrzeughersteller im Rahmen einer Sammelklage
Die Initiative gründete sich, bevor VW und Daimler zuletzt zusicherten, Diesel-Nachrüstungen in den wichtigen Städten mit bis zu 3.000 Euro zu unterstützen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.