E-Scooter: Cleantech-Startup Bird startet Tests in Bamberg

Deutscher Konkurrent GoFlash von Lukasz Gadowski orderte 20.000 E-Scooter / Bird macht erste Schritte ohne Zulassung in Deutschland

Die Regulierung durch den deutschen Gesetzgeber soll bis zum Frühjahr 2019 kommen, aber im Markt für E-Scooter, also kleine, elektrisch angetriebene Tretroller zum Teilen, läuft bereits ein harter Kampf um die beste Position. Mit dem Cleantech-Startup Bird aus den USA wagt sich nun der erste der zahlreichen Player raus auf die Straße: Wie NGIN Mobility berichtet, wird in Kürze ein Testbetrieb mit E-Tretrollern in der Studentenstadt Bamberg starten.

Im Hintergrund tobt der Wettbewerb um die beste Position im Markt für E-Scooter-Sharing. Das Cleantech-Startup GoFlash, das Lukasz Gadowski aus der Taufe hebt, will eine 50-Millionen-Finanzierungsrunde abschließen (vgl. Spiegel Online) und hat in China nach Informationen von deutsche-startups.de bereits eine Bestellung von 20.000 E-Scooter ausgelöst. Damit investiert das Cleantech-Startup auf einen Schlag rund sieben Millionen US-Dollar. GoFlash möchte offensichtlich eine globale Marke für elektrisches Tretroller-Sharing aufbauen.

Nun also Bird: Schon kommende Woche sollen die ersten elektrischen Tretroller in Bamberg auf die Straße gebracht werden und mit dem offiziellen Testbetrieb starten. Teilnehmer sollen zunächst eine Sondergenehmigung erhalten. Sobald die Verordnung des deutschen Gesetzgebers verabschiedet ist, soll die Flotte auf 100 E-Scooter aufgestockt werden. Bird ist damit in 100 Städten weltweit präsent, in Europa etwa in Paris, London oder Wien.

App für E-Scooter-Sharing von Bird

GoFlash-und Bird-Konkurrent Tier Mobility war erst kürzlich mit mehreren Finanzierungsrunden gestartet (Cleanthinking berichtete). Kürzlich startete das Unternehmen in der österreichischen Hauptstadt Wien. Städte erhoffen sich vom E-Scooter-Verleih eine Ergänzung des öffentlichen Personennahverkehrs durch emissionsarme, günstige und kleine Fortbewegungsmittel.

Hinter dem zweiten Big Player aus den USA, Lime, steckt u.a. die Google-Mutter Alphabet als Investor. Zu weiteren europäischen Playern gehören auch VOI aus Schweden und und Wind Mobility aus Berlin.

Wie E-Scooter-Investoren kalkulieren

Es ist eine Wette, auf die derzeit viele Investoren setzen. Die Rechnung geht so: Ein elektrischer Tretroller kostet ca. 350 Euro in der Anschaffung und drei bis vier Euro pro Tag. Der Umsatz soll nach Erfahrungswerten aus Europa und USA bei 25 Euro pro Tag liegen. Schafft es ein E-Scooter, 90 Tage im Einsatz zu bleiben, steht einem Umsatz von 2.250 Euro eine Kostenkalkulation von 700 Euro gegenüber – es verbleibt eine stattliche Marge pro Roller, um in PR, Marketing oder Lobby-Arbeit zu investieren.

In der Kalkulation gibt es aber einige Unbekannte: Cleantech-Startups in diesem Markt sprechen davon, dass die durchschnittliche Lebensdauer lediglich 40 Tage beträgt, weil Vandalismus und Diebstahl stark ausgeprägt sind. Es braucht also unbedingt eine Sicherung der E-Tretroller, damit der Diebstahl-Anteil reduziert wird. Darüber hinaus werden gerade deutsche Städte höchstwahrscheinlich Gebühren pro E-Tretroller verlangen, um Wildwuchs wie bei den Fahrrad-Verleihern zu unterbinden.

Die Bestellung von 20.000 E-Scootern durch GoFlash zeigt: Natürlich geht es dann nur über Skalierung und die Verbreitung der Sharing-Scooter im gesamten Stadtgebiet. Gelingt dieses wiederum, sind die Kosten für Marketing geringer, weil die Roller im Grunde selbsterklärend sind.

Die Ziele der Städte sind also in jedem Fall nachhaltig und gut für den Klimaschutz. Allerdings geht die Regulierung in Deutschland offensichtlich in eine Richtung, die den Verleih der Tretroller stark begünstigt. Während ein E-Tretroller ein Versicherungskennzeichen benötigt, ist im Moment davon auszugehen, dass es keine Helmpflicht geben wird. Das bevorteilt diejenigen, die spontan einen E-Scooter sehen und diesen Ausleihen wollen – und reduziert den Anreiz, ein solches Gefährt zu kaufen, wenn damit der Zwang verbunden ist, ein Versicherungskennzeichen zu beantragen.

E-Scooter-Verleih wirklich nachhaltig?

Dieser Logik folgend bleibt es fragwürdig, ob die Verleiher wirklich Wert auf Qualität bei der Produktion der E-Floater legen werden. Denn letztlich sind die nur für eine sehr kurze Lebensdauer ausgelegt, was die Nachhaltigkeit des gesamten Vorhabens deutlich in Frage stellt. Wichtig ist also, dass die E-Scooter zumindest mit Wechselakkus ausgestattet werden, deren Lebensdauer deutlich länger ist.

Die kommenden Monaten werden in jedem Fall spannend und es wird sich zeigen, ob die hohen Bewertungen von Unternehmen in diesem Sektor wirklich berechtigt sind. Einschätzungen aus den USA zufolge, ist der Boom dort bereits wieder mehr oder weniger vorüber, weil immer mehr Regulierung kommt und es nicht mehr so einfach ist, in den gewünschten Städten durchzustarten.

Andererseits blickt Bird beispielsweise bereits auf mehr als 20 Millionen Fahrten zurück und Nachjustierungen aufgrund der vorher gemachten Erfahrungen machen natürlich Sinn. Womöglich werden künftig auch lokale Geschäfte oder Universitäten aufmerksam und bieten entsprechende Flotten an.

Beim Radverleih setzt sich mit nextbike aus Leipzig ein Unternehmen durch, das neben den Einnahmen aus dem Verleihbetrieb auch noch das zweite Geschäftsmodell von Werbung hat. Diesen Vorteil bringen die E-Scooter sicherlich nicht mit – einzig über Farben und eine zentrale Aufschrift, könnte Werbung gemacht werden.

Wie sehr der Markt in Bewegung ist, zeigen Gerüchte, wonach Uber Interesse habe, Lime oder Bird zu übernehmen, Ford ist mit der Übernahme von Spin in den Markt eingestiegen. Außerdem sind in Deutschland Player wie Volkswagen, aber auch myTaxi daran interessiert, in den Markt für E-Scooter-Sharing einzusteigen. Das berichtet zumindest das Handelsblatt, das zuletzt auch nochmals die Regulierungssituation in Deutschland beleuchtete. Kern des Verordnungsentwurfs auf 48 Seiten ist demnach die Einführung der neuen Fahrzeugkategorie Elektrokleinstfahrzeuge.

Aus Sicht von Cleanthinking wird aber entscheidend sein, wie Vandalismus, Diebstahl und schlechter Qualität entgegen gearbeitet wird. Nur wenn wirklich ein nachhaltiges Konzept vertreten wird, werden Städte und Einwohner durch bessere Luft profitieren. Aber es ist noch ein langer Weg, bis E-Scooter-Sharing sich durchsetzen wird. Ob die Wette der Investoren aufgeht?

Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.

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