Schwedisches Cleantech-Unternehmen Einride erhält Genehmigung für Testfahrten auf öffentlichen Straßen. Wichtiger Meilenstein für autonomes Fahren.
Im Juni 2022 hat das Cleantech-Startup Einride, das autonome Elektrofahrzeuge für den Gütertransport entwickelt, einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die Genehmigung der US-Aufsichtsbehörde, in Zusammenarbeit mit GE Appliances die selbstfahrenden LKW auf öffentlichen Straßen in den USA zu testen. Wie relevant autonome Transporter für die Erreichung der Klimaziele sind, zeigen die beeindruckenden Einsparungen, die der Milchhersteller Oatly erreicht. Experten schätzen: Autonomes Fahren setzt sich zuerst im Warentransport durch – weil hier der Kostendruck zum Druck zur Erreichung von Klimazielen hinzukommt.
Die Frachtfahrzeuge, die Einride entwickelt und erstmals auf öffentlichen Straßen testet, sehen futuristisch aus: Sie bestechen dadurch, dass keine Fahrerkabine haben, und somit möglichst viel Raum für das tatsächliche Transportgut bieten. Gegründet wurde das Cleantech-Unternehmen Einride im Jahr 2016 von Robert Falck, Linnéa Kornehed und Filip Lilja – seit Mai 2019 verkehrte ein T-Pod genannter Prototyp durch ein Industriegebiet in Kooperation mit DB Schenker. Damit ist Einride ein bedeutsamer Player für das sich entwickelnde Geschäftsmodell des „Transport as a Service“.
Einride entwickelt ein umfassendes autonomes, elektrisches Transportsystem, das die Plattform für das Flottenmanagement wie auch die Fahrzeuge, also die selbstfahrenden Pods umfasst. Diese zeichnen sich optisch dadurch aus, dass sie ohne Fahrerhaus auskommen. Dadurch werden die Fahrzeuge leichter und effizienter – mehr Reichweite mit vertretbaren Batteriegrößen wird möglich.
Dabei adressieren die Schweden einen beachtlichen Markt für Gütertransporte: Dieser hatte im Jahr 2020 ein Volumen von 4,2 Billionen US-Dollar – und dürfte bis 2027 auf 5,5 Billionen US-Dollar wachsen. Allein der US-Straßengüterverkehrsmarkt erreichte im Jahr 2020 ein geschätztes Volumen von 1,1 Billionen US-Dollar.
Laut Global Industry Analysts Inc. erreichte dieser Markt für Gütertransporte im Jahr 2020 ein Volumen von 4,2 Billionen US-Dollar und wird bis 2027 voraussichtlich 5,5 Billionen US-Dollar erreichen. Der Straßengüterverkehr ist für sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich – durch den Druck von Aktionären, Lieferanten und Kunden gibt es mittlerweile eine überwältigende Nachfrage nach langfristig nachhaltigen Transportlösungen, so Einride.
Güterverkehr mit Einride: CO2-Reduktion um 94 Prozent
Einride gilt als einer der führenden Anbieter intelligenter Lösungen für den autonomen und elektrischen Güterverkehr Einride. Seit der Gründung hat Einride dazu beigetragen, die CO₂-Emissionen der Kunden um 94 Prozent im Vergleich zum Fahren mit Diesel zu reduzieren, einschließlich der verkörperten Emissionen. Der Einride T-Pod ist das einzige, fahrerlose Güterverkehrsfahrzeug auf dem Markt und im kommerziellen Einsatz.
Zusätzlich zu seinen Business-to-Business-Transportmodulen bietet Einride die Einride Mobility Plattform an, ein cloud-basiertes Abwicklungs-System für autonomen und elektrischen Straßentransport, das es Kunden ermöglicht, Echtzeitinformationen und datengetriebene Erkenntnisse zu nutzen, um eine nachhaltige, kosteneffiziente und leistungsstarke Transportlogistik zu implementieren.
Erste Genehmigung in den USA
Ende Juni 2022 meldeten die Schweden einen echten Durchbruch, der zeigt, dass die Disruption im Transportsektor hin zu elektrifizierten, autonomen Fahrzeugen, längst im Gang ist: Auf einer Distanz von einer Meile zwischen zwei Lagerhäusern von GE Appliances (Tochter des Hausgeräteherstellers Haier) im US-Bundesstaat Tennessee dürfen die Elektrofahrzeuge von Einride testweise eingesetzt werden. Hierfür hat die National Highway Traffic Safety Administration vor kurzem grünes Licht gegeben.
Für CEO Robert Falck, der seit sechs Jahren die Geschicke von Einride lenkt, ist es ein großer Schritt nach vorn, dass die eigenen Fahrzeuge jetzt tatsächlich auf öffentlichen Straßen eingesetzt werden dürfen. Damit befindet sich Einride nun in guter Gesellschaft von Transportunternehmen, die sich um die Etablierung autonomer Schwerlastfahrzeuge bemühen. Hierzu zählen etwa TuSimple aus San Diego oder Aurora Innovation aus Pittsburgh und Waymo, die Teil der Google-Muttergesellschaft Alphabet ist. Bislang ist es bei diesen Wettbewerbern aber bei der Ankündigung von Tests der fahrerlosen LKW-Technologie im kommerziellen Gütertransport geblieben.
Experten gehen davon aus, dass sich autonomes Fahren im stark unter Druck stehenden Güterverkehr schneller durchsetzen wird als im PKW-Bereich. Grund sind neben dem Kostendruck auch Personalmangel und die Erleichterung, dass oft identische Strecken gefahren werden, und so die Sicherheit sehr schnell erhöht werden kann. Maßgeblich auch: Pausenzeiten spielen für autonom fahrende Truck keine Rolle mehr, selbst wenn sie womöglich im nächsten Schritt noch von Telefahrern aus der Ferne gesteuert werden. Teledriving wird bereits von Cleantech-Startups getestet.
Zunächst soll das Pilotprogramm in den USA im dritten Quartal 2022 zwei Wochen lang laufen.
T-Pod: Das autonome Elektrofahrzeug für den Transport
Einride nennt seine stummeligen, stupsnasigen Fahrzeuge Pods. Sie bieten Platz für etwa 10 Paletten mit Fracht, also etwa 25 Tonnen Gewicht. Sie haben keinen Fahrer an Bord und werden von Fernbedienern gesteuert, die nach Angaben von Einride mehrere Fahrzeuge gleichzeitig überwachen können. Diese Fernbedienungen übernehmen Maßnahmen, die normalerweise von den Fahrern durchgeführt werden, wie z. B. das Anrufen eines Mitarbeiters, wenn ein Fahrzeug an einem Tor stecken bleibt.
Der Einride T-Pod ist das erste Elektrofahrzeug seiner Art, das einen komplett unbemannten und zu 100 Prozent elektrischen Schwerlasttransport ermöglicht und damit den Transport nachhaltig und kostengünstig revolutionieren könnte. Der elektrische Truck der nächsten Generation hebt die AET-Funktionalität auf die nächste Stufe, vom Betrieb in eingezäunten Bereichen (AET 1) bis hin zu Autobahnen (AET 4), und deckt damit einen beträchtlichen Teil des weltweiten Transportbedarfs ab – und braucht keine zusätzliche Infrastruktur.
Kunden wie Oatly testen Pod
Am 1. Oktober 2020 begann der auch in Deutschland aktive alternative Milchhersteller Oatly mit dem Einsatz von Elektro-LKWs auf seinen Lieferrouten von jedem seiner schwedischen Produktionsstandorte. Bislang sind die Trucks über 8.600 elektrische Kilometer gefahren und haben dadurch im Vergleich zu Diesel über 10.500 Kilogramm CO2 eingespart. Ein bedeutsamer Fortschritt für autonomes Fahren.
Oatly arbeitet seit langem daran, seine Kohlendioxidemissionen so weit wie möglich zu reduzieren. Mit dem Truck von Einride kann das Unternehmen auch die Emissionen aus dem Verkehr senken. Gleichzeitig werden die Elektro-Lkw für eine stärker computergesteuerte Logistik optimiert.
„Die Umstellung auf Elektro-Lkw hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Umweltauswirkungen. Wir planen und wollen als Modell für die größere, weltweite Umstellung auf Elektrotransporte setzen“, sagt Simon Broadbent, Supply Chain Director bei Oatly. „Der Elektrotransport ist ein wichtiger Teil unserer globalen Strategie für nachhaltige Logistik. Die Einführung von Elektro-Lkw in unserer Lieferkette wird in den ersten Jahren mit zusätzlichen Kosten verbunden sein, aber es handelt sich um eine Investition, um langfristig die Emissionen deutlich zu senken und die Effizienz zu steigern.“
Die Elektro-Lkw von Oatly sind auch die ersten in Europa verfügbaren Schwertransporter, trotz des Mythos, dass Elektro-Lkw keine schweren Lasten transportieren können. Die Lösung liegt in der Software der Freight Mobility Platform von Einride. Die Trucks stammen vom Hersteller DAF, die technische Plattform von Einride.
„Wenn wir den Transport genauer planen, können wir 24 Tonnen Güter im Durchschnitt 120 Kilometer ohne Gebühren fahren. Es geht um Software, die Fahrer, Fahrzeuge, Routen, Ladevorgänge usw. optimiert und koordiniert. Zum Beispiel fahren wir in jeder Oatly-Schicht mit drei Fahrern in insgesamt vier verschiedenen Lastwagen, eine neue Denkweise in der Transportwelt. Dabei soll immer ein Lastwagen geladen sein, der die Batterien weniger belastet und daher langlebiger und wirtschaftlicher ist“, sagt Jonas Hernlund, CCO von Einride.
Lidl will Transportverkehr in Schweden bis 2025 elektrifizieren
(Beitrag von 24. April 2020) Das Unternehmen Lidl hat sich hohe Ziele im Hinblick auf nachhaltigen und völlig fossilfreien Verkehr gesetzt. Bis 2025 will das Unternehmen Branchenführer sein. Partner für dieses Vorhaben in Schweden ist Einride, das zunächst die Fahrzeugflotte von Lidl elektrifizieren soll – und in einem zweiten Schritt dann automatisieren. Das Beispiel zeigt, in welchem Tempo die Transport- und Logistik-Revolution in den kommenden Jahren vorangehen wird.
Einride und Lidl arbeiten schon seit 2017 zusammen – jetzt wurde die Ausweitung dieser Partnerschaft bekannt gegeben. Noch in diesem Jahr will Einride einige seiner Elektro-Lieferwagen an Lidl liefern, um dem Lebensmittelgiganten zu helfen, seinen Lieferverkehr zu elektrifizieren. Darüber hinaus will Lidl seine Geschäfte mit Solarmodulen ausstatten und einige Filialen abfallfrei machen.
Zunächst konzentrierte sich das Projekt auf die Hauptstadtregion Stockholm, wo anschließend der regelmäßige Transport mit elektrifizierten Trucks zwischen dem Zentrallager von Lidl und den Läden in der Region begonnen wurde. In der Folge wird der Geltungsbereich auf weitere Aktivitäten von Lidl in Schweden ausgeweitet.
Investoren setzen auf Transport as a Service
Am 2. Oktober 2020 gab Einride eine weitere Finanzierungsrunde in Höhe von 8,5 Millionen Euro von Bestandsinvestoren bekannt. Damit flossen bis zu diesem Zeitpunkt mehr als 356 Millionen Euro Venture Capital in das Transport-Unternehmen.
Folgende Investoren setzen auf Transport as a Service als Geschäftsmodell:
- Norrsken VC
- EQT Ventures
- Nordic Ninja VC
- Ericsson Ventures
Eine weit größere Finanzierungsrunde gab Einride dann im Mai 2011 bekannt: 110 Millionen US-Dollar frisches Kapital flossen damals in Richtung Schweden. Beteiligt an der Runde waren Temasek, Soros Fund Management, Northzone, Maersk Growth und Build Capital als Neu-Investoren. Mit dem frischen Kapital soll der Einsatz der eigenen Technologie bei den bislang wichtigsten Kunden in Europa und den USA ausgebaut werden.
Zu den bestehenden Kunden zählen mittlerweile u.a. DB Schenker, Oatly, Lidl, Coca-Cola und Electrolux. Daneben beteiligten sich die Bestandsinvestoren wie EQT Ventures, Plum Alley Investments, Norrsken VC, Ericsson und NordicNinja VC ebenfalls an der Kapitalrunde.
„Der Straßengüterverkehrsmarkt befindet sich an einem Wendepunkt, da die Nachfrage der Verbraucher und die Regulierung die Verlader dazu drängt, nach nachhaltigen Alternativen zu suchen“, sagte Jessica Schultz, General Partner bei Northzone. „Einride hat sich zum Marktführer in dieser Kategorie entwickelt und ermöglicht es globalen Verladern, auf elektrische und autonome Frachtoptionen umzusteigen. Wir sind von der Qualität des Einride-Teams begeistert und sind stolz darauf, ihre Reise in die Zukunft des Fracht- und Gütervekehrs zu unterstützen.“
Dieser Beitrag entstand ursprünglich am 13. Dezember 2020, wurde aber seitdem mehrfach ergänzt und erweitert. Zuletzt am 29. Juni 2022.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.