Elektro-Offensive: Wie BMW Tesla angreifen will
Eröffnung eines Kompetenzzentrums für E-Antriebe in Dingolfing versteht BMW-Zipse als Attacke auf Tesla.
Es bewegt sich was im Zentrum der deutschen Automobilindustrie. Nach den öffentlichen Kampfansagen an Google und Tesla durch den Daimler-CEO, geht auch BMW-Chef Oliver Zipse in Sachen Bayerische Elektro-Offensive an die Öffentlichkeit. Zuletzt bei der Eröffnung einer neuen Fabrik für Elektroantriebe in Dingolfing. Doch der BMW-Chef weiß auch: DIESE Elektroauto-Offensive, die er nun startet, muss gelingen. Wenn nicht, fahren die Amerikaner uneinholbar davon.
Ministerpräsident Markus Söder kann ein echter Patriot sein. Bei der Eröffnung des BMW-Werks in Dingolfing sagte der Bayerische Regierungschef, Deutschland liege im Autobau „noch ein bißchen vorne“. Und meint damit auch im Vergleich zu Tesla. Das mag auf die Verkaufszahlen aus heutiger Sicht zutreffen – aber bei der Zukunftstechnologie Elektroauto mit Sicherheit nicht. Patriot eben.
In München bei BMW weiß man genau, dass die jetzt startende Elektro-Offensive gelingen muss. Der BMW i3 mit seiner innovativen Karbon-Karosserie und seiner untypischen Optik ist beinahe Geschichte. Jetzt müssen Fahrzeuge auf die Straße kommen, die nicht nur technologisch, etwa bei der Batterietechnologie, sondern auch im Hinblick auf die Software mithalten können. BMW bläst zum Tesla-Angriff!
Elektro-Offensive: 30 % Elektro oder Hybrid bis 2025
Mit dem Werk für Elektroantriebe in Dingolfing hat der bayerische Autokonzern ein wichtiges Signal gesendet. Dort produziert der Autobauer Hochvoltbatterien, Elektromotoren und elektrifizierte Fahrzeuge konzentriert an einem Standort. Die Produktionsfläche des Kompetenzzentrums E-Antriebsproduktion genannten Bereichs verzehnfacht sich auf 80.000 Quadratmeter im Vergleich zu 2015. Bald arbeiten dort 2.000 Mitarbeiter.
Aber 100 Prozent Elektroauto wie es Volkswagen im Werk Zwickau vormacht, wird es in Dingolfing so schnell nicht geben. Heute sind erst zehn Prozent der Fahrzeuge aus Dingolfing elektrifiziert. Wenn 2021 der heute noch als BMW iNEXT bezeichnete BMW i5 dazu kommt, wird dieser auf dem selben Band als vollelektrisches Fahrzeug, als Plugin-Hybrid oder Version mit Verbrennungsmotor vom Band laufen können.
Bis 2025 soll dann dank der Elektro-Offensive fast jeder Dritte verkaufte BMW einen Elektro- oder Hybridantrieb haben, 2030 dann jeder Zweite. Das klingt erstmal viel, weil BMW auf niedrigem Niveau Stand heute beginnt – ein paar Hybride gibt es, aber kein reines und aktuelles Elektroauto (abgesehen vom i3, der eher als Auslaufmodell gilt). Im vom Corona-Einbruch gekennzeichneten ersten Quartal 2020 verkaufte BMW 477.111 Fahrzeuge aller Marken. Typisch für di1e Branche: Während die Verkäufe insgesamt um 20,6 Prozent einbrachen, konnte bei elektrifizierten Fahrzeugen um 13,9 Prozent auf 30.692 Autos zugelegt werden, wie die Tabelle bei bimmertoday zeigt.
Schenkt man Ökonomen wie Tony Seba Glauben, wird es zwischen 2025 und 2030 mindestens in den USA und sicherlich vergleichbar in weiten Teilen Europas schwierig, noch Verbrenner zu verkaufen. Die Quartalszahlen der vergangenen Monate zeigen: Sebas S-Kurve nimmt gerade Fahrt auf und könnte im PKW-Sektor genau so eintreten.
Für BMW wäre das eine schlechte Nachricht. Aus 50 Prozent müssten bis 2030 eigentlich nahezu 100 Prozent werden, um in der selben Größenordnung auf den Weltmärkten mitspielen zu können. In Dingolfing wäre diese Umstellung auf Basis der BMW-Strategie indes kein Problem. Andere Werke müssten entsprechend flexibel ausgerüstet werden.
Strategien von BMW und Volkswagen im Vergleich
Interessant ist in jedem Fall die unterschiedliche E-Auto-Strategie von BMW und Volkswagen. Während VW-CEO Herbert Diess den amerikanischen Konkurrenten mindestens in internen Sitzungen lobt, kopiert er dessen Ansätze beinahe hemmungslos. Wie Tesla setzt Volkswagen ausschließlich auf Elektroautos, die Brennstoffzelle spielt im PKW dieses Jahrzehnt keine Rolle.
Mit der Stromhandels-Tochter Elli geht Volkswagen einen Weg, den Elon Musk vorgezeichnet hat: Dahinter steckt der Gedanke, dass Energie- und Automärkte zusammenwachsen. Und: Diess hat erkannt, dass Autos künftig Smartphones auf Rädern sind – und die Software das entscheidende Abgrenzungskriterium sein wird. Die Schritte im Hinblick auf die Software-Vereinheitlichung waren, wie beim Golf und beim ID.3 zu sehen, womöglich zu groß: Aber strategisch scheint dieser Weg richtungsweisend zu sein.
Und BMW? Der Konzern möchte, wie man gehässig sagen könnte, reiner Blech-Bieger bleiben und dazu ein wenig mit Software hantieren. Es entsteht nicht wie bei Volkswagen eine reine E-Auto-Plattform, sondern eine Produktionsstraße wie in Dingolfing soll alle Fahrzeugtypen auswerfen können.
Im Energiegeschäft spielt BMW keine Rolle. Obwohl das Elektroauto im Vergleich zum Verbrenner technologisch trivial ist, will sich BMW hierauf konzentrieren – und hofft darauf, mit seiner unbestreitbaren Design- und Fertigungs-Kompetenz genügend Attraktivität für künftige Käufer zu haben.
BMW hat nicht an Selbstbewusstsein eingebüßt
Klar ist: BMW hat in den vergangenen Monate der Krise nicht an Selbstvertrauen eingebüßt. Die Entscheidung, zunächst auf Plugin-Hybride zu setzen, sei goldrichtig gewesen, betont Zipse im Handelsblatt. Dabei gibt es vor allem zwei Hoffnungsträger: Einerseits den BMW i4, der ab 2021 in München produziert wird. Der BMW i4 ist der Konkurrent für das Tesla Model 3, das ab Ende kommenden Jahres auch aus Grünheide in womöglich „deutscher“ Qualität vom Band rollen wird.
Und andererseits den BMW i5 („iNext“), der als futuristisches Elektro-SUV in der Lage sein soll, über weite Strecken autonom zu fahren. BMW verspricht, dass jede einzelne Zeile Code via Internet „Over-the-Air“ verändert werden kann. Es wird der direkte Vergleich mit dem Tesla Model Y und einer Reihe weiterer Fahrzeuge gleicher Größe werden, der den BMW-Erfolg prägen wird.
Schwere SUVs dominieren den BMW-Absatz
Noch sind die großen und schweren SUVs wie der X5 oder der X7 die Gewinnbringer, aber deren Zeit geht in den kommenden zehn Jahren allerspätestens vorbei. Damit kann BMW als relativ kleiner Autobauer die Elektromobilität quersubventionieren. Allein in Dingolfing werden 500 Millionen Euro investiert. Ebenfalls positiv: BMW muss wegen konsequenter CO2-Reduzierung in den vergangenen Jahren trotzdem keine Strafzahlungen aufgrund der CO2-Flottenemissions-Regelungen befürchten, so Zipse.
Für Marks Söder ist klar, wie das Rennen zwischen BMW, den deutschen Konkurrenten wie VW und Daimler und eben Tesla ausgehen wird: BMW wird die dauerhafte Nummer 1 sein, schließlich sei der Autobauer der FC Bayern der Autoindustrie. Letztlich wird sich in den kommenden zehn Jahren zeigen, ob der Weg von Volkswagen / Tesla oder der Weg von BMW mehr Erfolg brachte. Die Elektro-Offensive aus Bayern wird dabei eine gewichtige Rolle spielen.
Martin Ulrich Jendrischik, Jahrgang 1977, beschäftigt sich seit mehr als 15 Jahren als Journalist und Kommunikationsberater mit sauberen Technologien. 2009 gründete er Cleanthinking.de – Sauber in die Zukunft. Im Zentrum steht die Frage, wie Cleantech dazu beitragen kann, das Klimaproblem zu lösen. Die oft als sozial-ökologische Wandelprozesse beschriebenen Veränderungen begleitet der Autor und Diplom-Kaufmann Jendrischik intensiv. Als „Clean Planet Advocat“ bringt sich der gebürtige Heidelberger nicht nur in sozialen Netzwerken wie Twitter / X oder Linkedin und Facebook über die Cleanthinking-Kanäle ein.